Stadtkapelle Lahr geht musikalisch neue Wege
Die Begegnung eines sinfonischen Blasorchesters mit der sogenannten „Neuen Musik“ ist in Lahr ein Novum. Die Stadtkapelle und das Freiburger „Ensemble Aventure“ begehen mit „Stillen Skulpturen“ am Sonntag, 26. Januar, einen ungewöhnlichen Weg für eine musikalische Darbietung.
Die „Stillen Skulpturen“ haben keine Bühne, es fehlt also das Gegenüber von Publikum und Orchester. Die Mensa des Max-Planck-Gymnasiums bietet die ausreichend große Fläche für die etwas anderen Begegnungen zwischen den 70 Musikern der Lahrer Stadtkapelle, dem Freiburger „Ensemble Aventure“ und den Besuchern. Am Samstag haben Dirigent Nicholas Reed, der Freiburger Komponist Adrian Nagel und Wolfgang Rüdiger von „Ensemble Aventure“ die Idee vorgestellt. Am ehesten lässt sich das Ganze mit dem Begriff „Klanginstallationen“ umfassen. Reed, seit 2015 Dirigent in Lahr, gehört zum Freiburger Ensemble.
Die Stadtkapelle wird gewohnte Pfade verlassen – das steht nach dem Probenbesuch am Samstag im Musiksaal Altes Scheffel außer Frage. Die Musiker standen im Kreis, einige hatten ihre Instrumente in der Hand, andere gewöhnliche und ungewöhnliche Gegenstände. Eine Erkenntnis: Die Töne einer raschelnden Papiertüte haben eine ganz andere Klangfarbe wie die einer Tüte aus Plastik. Elektrische Werkzeuge oder Gegenstände, die auf eine Baustelle gehören, sind ebenfalls Teil einer Installation. Die Mitglieder des Ensembles, die gewohnte Instrumente bedienen, stimmten einen einzigen Ton gemeinsam an. Die verschiedenen Färbungen der Instrumente werden so sehr gut erlebbar.
„Wir wollen das traditionelle Sozialverhalten eines Konzertes auflösen.“ Reed sagte, man werde den „Horizont erweitern“ und die „gewohnten Schienen“ verlassen. Die „Stillen Skulpturen“ seien eine „gemeinsame Entdeckungsreise“. Nagel sprach von der Kompositionen als „monochromes Bild mit verschiedenen Strukturen“. Stille spiele bei den Klanginstallationen eine nicht unbedeutende Rolle. Besucher sollten dabei ein Bild erleben können und erkunden was mit der Musik passiert.
Alltagsgegenstände
Die Installation in der Mensa hat fünf Teile. „Pagent“ (Parade) von Vincent Persichetti (geboren 1953) soll die Besucher einführen oder mitnehmen. „Ausstellung II“ ist eine Uraufführung, die Nagel (Jahrgang 1990) 2019 geschaffen hat. „Sculptures Musicales“ stammt von John Cage (1912 bis 1982). Sie verbinden Instrumente mit den Klangcollagen, die Alltagsgegenstände erzeugen. Wolfgang Rüdiger (Fagott), der mit Dirigent Reed (Schlagzeug) Teil des „Ensembles Aventure“ ist, beschreibt die Arbeit Cages so: Nach einem festgelegten oder durch Zufallsverfahren generierten Zeitplan haben die „stehenden Klangsäulen jeweils eine unterschiedliche Dauer“. Sie besitzen, wie Gegenstände im Raum, klare Konturen. „Hart angeschnitten werden sie ebenso plötzlich wieder ausgeschaltet und münden in eine musikalisch erfüllte Stille, in der ihr Klang nach zittert.“
Ganz zum Schluss
Der indische Schriftsteller Rabindranath Tagore (Literaturnobelpreis 1913) liefert mit Worten eine Improvisationsvorlage zu „Silence my Soul“ von Francisco Feliciano (um 2000). Mit „Irdische Tänze“ von Gilead Mishory (aus dem Jahr 2019) für Bläserquintett und Schlagzeug („Ensemble Aventure“) enden die „Stillen Skulpturen“.
Konzerte in Lahr und Stuttgart
„Stille Skulpturen“ wird am Sonntag, 26. Januar, 17 Uhr, in der Mensa des Max-Planck-Gymnasiums uraufgeführt. Der Eintritt ist frei. Spenden sind für die Jugendarbeit der Stadtkapelle. Initiiert wurde das Konzert durch den „ad libitum Kompositionswettbewerb“ der Winfried-Böhler-Kultur Stiftung und das Netzwerk „Neue Musik Baden-Württemberg“. Stadtkapelle Lahr und „Ensemble Aventure“ wurden unter vielen Bewerbern ausgewählt, das von Adrian Nagel komponierte Werk „Ausstellung II“ erstmals aufzuführen. Neben dem Auftritt in Lahr werden die beiden das Werk am 5. Februar bei dem „Neue Musik – Festival Eclat“ im Theaterhaus Stuttgart präsentieren.