Von Costa Rica nach Reichenbach: "Das wird mein normaler Sommer"
Mehr als 35 Grad im Schatten – das treibt den Einheimischen Schweißperlen auf die Stirn. Nicht so bei Lucia Peralta. Für sie sind das Wohlfühltemperaturen. „Das wird mein normaler Sommer“, sagt die 28-Jährige aus Costa Rica und lächelt. In ihrer Heimat ist jetzt gerade Winter. „Wobei das kein Winter ist wie hierzulande. Man kann es eher Regenzeit nennen bei 20 Grad, wie hier vor ein paar Wochen“, erklärt die junge Frau aus Alajuela, der Partnerstadt von Lahr. Sie hat inzwischen schon einige Winter im Schwarzwald erlebt.
„Ich liebe Schnee und fahre inzwischen auch schon gerne Ski. Aber das die Winter hier so kalt sind, das mag ich gar nicht. Schon beim Denken daran beginne ich zu frieren“, sagt sie und muss dabei herzhaft lachen.
Seit drei Jahren lebt Lucia Peralta in Lahr, wohnte zunächst in Sulz und seit April in Reichenbach. Die Partnerschaft zweier Städte, die rund zwölf Flugstunden voneinander entfernt liegen, soll Menschen zusammenbringen. Für Lucia Peralta aus Alajuela und Artur Wagner aus Lahr ist daraus Liebe geworden. 2021 haben die beiden geheiratet. Die Hochzeitsfeier war im Stadtpark. Begegnet sind sich die beiden zum ersten Mal 2018. Damals hatte sich Lucia Peralta für ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) in Deutschland beworben.
Ihr Vater José Peralta Beer hat deutsche Wurzeln. „Wir haben zu Hause zwar nie deutsch gesprochen, aber ich wollte unbedingt die Sprache und das Land kennen lernen, aus dem seine Vorfahren kommen. Über meinen Onkel, der im Freundeskreis Alajuela-Lahr aktiv ist, liefen dann die Kontakte nach Lahr“, sagt sie. Im Kindergarten in Burgheim habe sie damals für ein Jahr eine Assistentinnenstelle als Erzieherin bekommen. „Es war ein wunderbares Jahr mit wunderbaren Erfahrungen. Über die Kinder habe ich mich an die Sprache herangetastet,“ erinnert sie sich. Und: Lucia Peralta begegnete Artur Wagner.
Die geplante Rückkehr nach Costa Rica nach einem Jahr viel ihr deshalb schwer. „Ich vermisste meine Familie, ich vermisste aber genauso sehr meinen Freund in Lahr“, sagt sie. Wie schön, wenn man eine Schwester hat, die einem beistehen kann. Schwester Maria José arbeitete damals bei einer costa-ricanischen Fluggesellschaft und konnte günstige Flugtickets vermitteln. Im Vierteljahresrhythmus lebte Lucia Peralta entweder in Lahr oder in Alajuela.
Damit die Ausbildung nicht zu kurz kommt, begann sie ein Fernstudium in Betriebswirtschaftslehre und Marketing an der Universidad Nacional Estatal a Distancia Costa Rica. „Ich verfolge die Vorlesungen und Seminare über Video. Schlimm sind eigentlich nur die sieben Stunden Zeitunterschied. Aber dafür läuft alles in Spanisch. Da kann ich noch leichter folgen als in Deutsch“, beschreibt sie ihr Leben als Studentin. Nach dem Studium will sie in der Marketingbranche arbeiten.
Leben als Pendlerin
Lucia Peralta hatte sich mit dem Leben als Pendlerin zwischen Costa Rica und Deutschland bereits gut arrangiert, als Corona kam. Sie war gerade in Lahr, als der Flugverkehr zusammenbrach und eine Heimreise wegen der Reiseeinschränkungen nicht mehr möglich war. Über ein halbes Jahr konnte sie nicht zurück nach Costa Rica. „Dass ich meine Familie so lange nicht sehen konnte, tat sehr weh. Familie bedeutet uns in Costa Rica viel. Naja, ich hatte dann halt mehr Zeit, meinen Freund richtig kennen zu lernen“, schmunzelt Lucia Peralta. Das Ergebnis: Ein Jahr später wurde geheiratet.
Und das Paar wählte als gemeinsamen Wohnsitz Lahr, zunächst Sulz, dann Reichenbach. Nach der Hochzeit hat Lucia Peralta als Aushilfskraft in einer Bäckereifiliale in Lahr gearbeitet. „Das war gut mit meinem Fernstudium zu vereinbaren und außerdem eine gute Möglichkeit, mein Deutsch zu verbessern“, sagt sie. Seit April dieses Jahres erweitert Lucia Peralta ihren Sprachschatz wieder über Kinder. In der Kindertagesstätte in der Alleestraße hat sie eine Stelle als Assistentin der Erzieherinnen gefunden. „Eine tolle Atmosphäre herrscht dort. Und mit Kindern zu arbeiten , macht einfach Riesenspaß“.
Inzwischen hat sie auch wieder begonnen, regelmäßig Sport zu treiben. Im Frühjahr belegte sie einen Einsteigerkurs im Tennis in Wittelbach, inzwischen spielt sie regelmäßig. „Sport war in unserer Familie immer wichtig,“ erzählt sie. In Costa Rica war es die Leichtathletik. Schwester Maria José war eine sehr gute Mittelstreckenläuferin. Laufen war aber nicht so das Ding von Lucia Peralta. Mit 14 Jahren habe sie mit dem Diskuswurf begonnen. Gleich in ihrem ersten Wettkampf, einer regionalen Meisterschaft, sei sie Dritte geworden. Danach ging es sprunghaft nach oben. Als Juniorin zählte sie sogar zum Nationalteam Costa Ricas. 32,43 Meter war ihre Bestweite. Auch an Triathlon und Taekwondo hat sie sich in ihrer Heimat Costa Rica ausprobiert.
Pünktlichkeit gefällt
Dass man sich in Lahr jederzeit sicher fühlen kann, schätzt die 28-Jährige deshalb sehr. „Und ich mag die Mentalität der Menschen hier. Sie haben etwas von der Leichtigkeit der Menschen in Südamerika. Das mag ich. Aber ich mag auch die Ordnung und Sauberkeit auf den Straßen und dass die Menschen pünktlich sind. Ich hasse es nämlich zu warten, wenn ich verabredet bin“, merkt Lucia Peralta an.
Mit einem hat sich die junge Frau aus Alajuela in der Zeit in Lahr allerdings noch nicht so richtig anfreunden können. „Die Menschen hier essen viel Brot. Das kenne ich von zu Hause nicht. Und ich kann auch gut darauf verzichten“, sagt sie. Deshalb steht im neuen Zuhause in Reichenbach nicht Brot auf dem Tisch, sondern Reis – meist mit schwarzen Bohnen als Beilage.