Alte Vereinskasse des Turnvereins Gengenbach aufgetaucht
Über einen besonderen Fund freut sich der Turnverein Gengenbach: Die Original-Vereinskasse aus dem Jahr 1925 wurde überraschend wiederentdeckt. Geld war natürlich nicht mehr drin – die Freude über die Rarität ist beim Verein aber dennoch groß.
Wie es der Zufall so will, kam Heiner Müller aus Schwaibach, in der Stadt bestens auch als Postzusteller bekannt, bei einer Haushaltsauflösung vorbei. Sein Blick fiel sofort auf eine kleine Holzkiste, etwas breiter als ein Schuhkarton und bunt bemalt mit etlichen Verzierungen.
Das alte Wappen des Deutschen Turner-Bundes, ein silberner Gangfisch und der Schriftzug »Turnverein Gengenbach« stachen ihm sofort ins Auge. In den vier Ecken erblickte er kunstvolle Darstellungen eines Hochspringers, eines Bodengymnasten sowie eines Barren- und Pferdturners.
Die Jahreszahl »1925« ließ Heiner Müller vermuten, einen besonderen Schatz geborgen zu haben. Er bewahrte das auffällige Exemplar vor der Entsorgung und sendete Fotos seiner Entdeckung dem Vorsitzenden des Turnvereins, Rainer Klipfel. Im TVG war die Aufregung groß: mit diesem Fund hatte niemand gerechnet und es wurde recherchiert.
Die Bemalungen auf dem Deckel der Holzkiste zeigen mittig die bekannten vier »F« der Turnbewegung (»frisch, fromm, fröhlich, frei«), umringt von einem Eichenkranz. Verbunden mit dem darüber liegenden Schriftzug »Gut Heil« ist die identische Kombination auf der historischen TVG-Fahne von 1913 zu finden, die möglicherweise als Vorlage diente.
Protokoll von 1926
Das Vorstandsmitglied für Vereinspflege, Rainer Grießer, spürte den entscheidenden Beweis für die Existenz dieser Kiste im Protokoll der Monatsversammlung vom 18. März 1926 auf.
Im Vereinslokal »Badenia« (der heutigen Schwarzwaldapotheke) waren 26 Vereinsmitglieder Zeugen, als sich unter Tagesordnungspunkt 5 der zweite Vorsitzende Jakob Rumpf erhob und »eine von ihm und dem Mitglied Hans Deboben gefertigte Kassette« feierlich überreichte.
Auf der Innenseite des Deckels ist noch heute eine Widmung zu lesen: »Zum Gebrauch für den Kassierer mit der Mahnung: Schaff viel hinein. Gib wenig heraus. Dem Turn-Verein Gengenbach gestiftet, Jak. Rumpf, 2. Vors.«
Der Vorsitzende Karl Huber (von 1922 bis 1927 Chef des Turnvereins) dankte ihm »im Namen der Versammlung für seine Bemühungen«. Ein Stempel aus dem Jahre 1935 ist der letzte Nachweis für eine spätere Nutzung. Nach dem Zweiten Weltkrieg galt die Holzkiste als verschollen. Die Schenkung dieser symbolischen Kasse könnte einen geschichtlichen Hintergrund haben: aus den Vereinsprotokollen jener Zeit ist immer wieder von Schulden und Mitgliederrückgängen zu lesen, als direkte Folgen der Hyperinflation von 1923 und dem Zusammenbruch der deutschen Wirtschaft. »Arbeitslose hatten in dieser Zeit auch nur den halben Vereinsbeitrag zu entrichten«, wie TVG-Archivar Hans Peter Berger zu ergänzen wusste.
Gangfisch vom Wappen
Berger bemerkte auch gleich, dass der gemalte Gangfisch, wie er im Wappen der Stadt vorkommt, in die falsche Richtung blickt.
Dies lag vermutlich daran, dass der Kolorist Hans Deboben (geboren 1905) nur kurze Zeit in Gengenbach weilte. Deboben war Meisterschüler der Kunstgewerbeschulen in Mainz und München und absolvierte ein zweijähriges Volontariat in den Vereinigten Werkstätten München, Abteilung Schwarzwälder Werk in Gengenbach. Später gründete er im mittelhessischen Kirchhain die Rauschenberger Tapetenfabrik.
Aus dieser personellen Konstellation, als sich vor fast 100 Jahren ein Handwerker und ein Künstler in Gengenbach trafen, resultierte ein heutiger Zufallsfund, der neben der Vereinsfahne und dem Trinkhorn von 1901 die Liste der historischen Vereinsinsignien im Turnverein Gengenbach spektakulär erweitert.