Auch der Guller darf krähen

Ewald Erb und sein Minidörfle in Diersburg. ©Frank Hansmann
Schon länger wünschen sich die Hohberger einen Bahnhalt an der Rheintalbahn. Der Diersburger Bahnhof hingegen besteht schon seit 33 Jahren – allerdings nur in Form eines Modellbaus im, über die Ortsgrenzen bekannten, Miniaturdörfle.
Im Jahr 1990 legte Ewald Erb im Vorgarten seines Anwesens an der Ecke Oberweierer Straße/Vogelstraße den Grundstein für das stetig wachsende Modelldorf seines Heimatortes. Fortwährend ergänzte Erb sein Kunstwerk – eine Augenweide entstand. Was in all den Jahren gleich geblieben ist, sind die leuchtenden Kinderaugen beim Anblick der kleinen Welt mit rund einem Dutzend Gebäuden.
Liebe zum Detail
Welche Liebe zum Detail, Ideenvielfalt und geschickte Tüftelei dahinter steckt, zeigt sich den Besuchern spätestens dann, wenn die Lok auf den Schienen durch das liebevoll angelegte Miniaturdörfle tuckert. Nach dem Einwerfen eines 50 Cent-Stücks setzen sich die Seilbahn, das Kinderkarussell und die Wassermühle ebenso in Bewegung wie die Volkstanzgruppe. Das Krähen des „Dorf-Gullers“ begleitet die Runden der Lok.
Mit einem Schmunzeln nimmt der Betrachter sicher das Öffnen der Tür des Plumps-klos wahr, deren Nutzer angesichts der Blicke der Betrachter eilig die Hose wieder hoch zieht. Mit ein Beleg für Erbs Humor. Detailgetreu wird das Dorfleben früherer Jahre wiedergegeben. Den Bezug zur Heimat des Erbauers stellt zugleich das großflächige Fassadenbild an der Hauswand dar. Ein wahres Kunstwerk. Schon seit 25 Jahren zeigt sich die Diersburger Ortsmitte um 1900 in perfektem Einklang mit dem Miniaturdörfle.
Letztendlich war es die Geburt von Erbs Tochter Nadine, die ihn 1990 dazu inspirierte, den Grundstein für sein Projekt zu legen. „Nachdem ich bis dahin von einem Motorradtreffen zum nächsten gefahren bin, wollte ich nun etwas Kreatives machen“. Diese Mission darf zweifellos als überaus gelungen bezeichnet werden. Im Blick zurück vergisst der 61-jährige nicht die Wegbegleiter des erfolgreichen Werks zu erwähnen. Zunächst stand ihm sein mittlerweile verstorbener Vater Willi mit Rat und Tat zur Seite. Auf einer Modellbau-Ausstellung kam der Kontakt zu einem wichtigen Ratgeber und Helfer zustande, dessen Tipps bis heute zu sehen sind.
Fünf Jahre nach der Errichtung des Miniaturdörfle plagte den in einem Offenburger Metallbetrieb tätigen Laserfachmann erneut die Langeweile, wie er seinen Tatendrang heute selbst bezeichnet. Erb expandierte sozusagen in die Nachbargemeinde. Tatsächlich wechselte er nur die Straßenseite. Doch das hier am Waldrand befindliche Grundstück befindet sich auf Friesenheimer Gemarkung. Zur Verwirklichung des sozusagen grenzüberschreitenden Projekts ist eine jährliche Pacht von 17,50 Euro fällig. Fast drei Jahrzehnte ist es her, als Erb hier den Nachbau des „Entenköpfer-Bähnle“ errichtete.
Anfassen erlaubt
Auch wenn das Metallkonstrukt starr auf den Schienen steht, entwickelte es sich zu einem weiteren Anziehungspunkt für Kinder. Hier ist Einsteigen und Anfassen erlaubt. Schließlich ist alles aus massivem Metall, genauer gesagt aus Metall-Schrott. Als „I-Tüpfelchen“ verbaute Erb ein Stück Diersburger Ortsgeschichte. Die Schienen sowie die Achsen mit den Rädern der Lok und des Anhängers stammen aus dem ehemaligen Diersburger Sägewerk Benthin. 1400 Arbeitsstunden investierte Erb in den Nachbau des „Entenköpfers“. Beim Miniaturdörfle hörte er nach 20.000 Stunden auf Buch zu führen.
Attraktivität bleibt
Dass in all den Jahren die Attraktivität von Erbs Werk nicht verloren gegangen ist, belegen die Stimmen der Besucher. Irene und Lothar Leonhardt aus Meißenheim sind nur ein Beispiel für die Rückmeldungen, die dem Erbauer eingehen. „Früher sind wir mit unseren Kindern hierher gekommen, nun begeistern sich unsere Enkel für diese tolle Sache“, sagt Irene Leonhardt im Gespräch mit dem Offenburger Tageblatt.
Selbst in der eigenen Familie schließt sich der Kreis bei Erbs. Mittlerweile erfreuen sich die vier eigenen Enkel an Opas Miniaturdörfle. Auch wenn der Erbauer in wenigen Monaten das Rentnerdasein genießen darf, Erweiterungen des heimischen Schmuckstücks sind nicht geplant. Alleine die Erhaltung wird seine Freizeit teilweise ausfüllen. Ansonsten strebt Erb kleinere Touren mit dem Wohnmobil für die arbeitsfreie Zeit an.