Christina Zapf: Schneiderin als heimlicher Traumberuf
Christina Zapf (56) aus Gengenbach-Schönberg näht seit 40 Jahren Fasnachtshäser. Um zu bemerken, dass für die gelernte Zahnarzthelferin und Mutter zweier Töchter und eines Sohnes die Fasnacht einen breiten Lebensraum einnimmt, genügen wenige Fragen.
Schon im Elternhaus mit einem Bruder und drei in Pflege genommenen Mädchen war die fasnachtliche Verkleidung eine alljährlich herbeigesehnte Abwechslung. Als Kind lernte sie bei den Matratzenbourgern in der Siedlung die Fasnacht kennen und lieben. Überdies trat sie mit zehn Jahren der Stadtkapelle bei und war dadurch zwangsläufig in die Gengenbacher Fasend eingebunden.
Im Alter von 20 Jahren war sie gerne mit ihren Schnurrgruppen unterwegs. Dass Christina Zapf aber bereits mit 16 Jahren ein Spättlehäs für ein Kind genäht hatte, war ihrem frühen Interesse am Nähen geschuldet.
Zwar übt sie auch heute noch mit großer Freude ihren erlernten Beruf als Zahnarzthelferin in der Zahnprophylaxe aus, doch in ihrem adretten Zuhause auf dem Grund des ehemaligen Bahnwärterhäuschens in Gengenbach-Schönberg widmet sie sich bei jeder Gelegenheit ihrem heimlichen Traumberuf: dem Schneiderhandwerk.
Viel selbst beigebracht
Alle Fertigkeiten dieses Handwerks hat sie sich weitgehend selbst erarbeitet. Ihre erste Nähmaschine, ganz in Dottergelb, kaufte sie sich im Alter von 15 Jahren von ihrem zusammengesparten Taschengeld. Dieses verdiente sie sich am Wochenende oder in den Ferien im Nebenjob. Mit der gebrauchten Nähmaschine nähte Christina für Freunde und Familienmitglieder und verdiente sich mit diesem Hobby zusätzliches Taschengeld.
Bei technischen Schwierigkeiten wie dem Zuschnitt oder bestimmten Nähtechniken war ihr Cäcilia Biste eine große Hilfe. Diese führte im katholischen Gemeindehaus in Gengenbach eine Nähschule. Dort lernte Christina Zapf besonders die Technik des Stoffzuschnitts. Sie konnte dort aber auch direkt nähen und ihr Werk begutachten lassen. „Da habe ich sehr viel gelernt“, erinnert sich die lebensfrohe Frau.
Strahlender Optimismus
Ihr strahlender Lebensoptimismus ist schon bemerkenswert, ist doch ihr Leben von einigen Schicksalsschlägen gekennzeichnet. Ihr Vater, ein Gastarbeiter aus Bominaco in den Abruzzen, woher auch die in Gengenbach lebenden Montaltis kamen, war nach dem Sturz von einem Kastanienbaum querschnittsgelähmt und starb bereits mit 49 Jahren, ihre Mutter mit 69. Auch ihr erster Mann, der Vater ihrer zwei Töchter, starb im Alter von 30 Jahren nach einem Motorradunfall.
Doch wenn sie ein Häs für die Spättle, für die Hexen oder den Narrenrat näht, zählt sie nicht die Stunden. „Ich habe noch nie die Zeit gemessen.“ Und sie versichert glaubhaft: „Wenn die Mädchen sich freuen, das ist das Schönste.“
Doch sie schätzt die Arbeitszeit für ein fertiges Spättlehäs einschließlich Kappe auf mindestens 35 Stunden. So müssen die geeigneten Stoffe beziehungsweise Stoffreste besorgt, mit Schablonen aufgezeichnet, ausgeschnitten, doppelt genäht und gebügelt werden. Das Häs für ein erwachsenes Spättle benötigt rund 1200 Einzelteile. Bei voller Konzentration und exakter Vorbereitung schaffen ihre flinken Hände 100 Spättle in 40 Minuten. „Es werden nur klein gemusterte Baumwollstoffe verwendet.“
In den vergangenen Jahrzehnten hat sie weit über 200 Häser angefertigt. „In einer Saison waren es einmal elf Häser“, erinnert sich Christina Zapf. Und trotzdem kann sie aus der Masse der Spättle sofort ihre Werke erkennen. „In jedem Teil, das das Haus verlässt, ist ein Stück von mir drin. Egal, wie viele ich gemacht habe, ich erkenne meine Stücke aus der Menge.“
Sie freut sich dann einfach. „Man sieht, dass du das gemacht hast.“ Und die dreifache Mutter bekennt: „Vielleicht hätte ich keine so große Freude am Nähen, wenn ich es in einer grundständigen Ausbildung gelernt erlernt hätte.“ Dabei hat sie mit der seriellen Herstellung von Häsern erst mit 29 Jahren begonnen.
Zu dieser Zeit sind viele ihrer Freunde in die Narrenzunft eingetreten und brauchten ein Häs. Sie selbst ist dann ein Jahr später Zunftmitglied geworden. Seit zwölf Jahren hat Christina ihr Hobby unter der Bezeichnung s’Nähkästle als Kleingewerbe angemeldet. Und Anfang November 2021 wurden mit „Otto“ und „Klara“ zwei alte Figuren der Gengenbacher Fasend neu belebt und mit einem neuen Häs aus ihrer Werkstatt eingekleidet.
„Otto und Klara“
Die beiden Figuren zählen zu den ältesten der Narrenzunft Gengenbach 1499. Hermann Müller hat die Otto-Maske 1930 geschnitzt, Initiator des damit verbundenen Gizzig-Rufens war August Bayer in der Gestalt der Figur. Otto Lohmüller hat die beiden Figuren künstlerisch wiederbelebt.
Zusammen mit einem Narrengremium wurden die Masken in Auftrag gegeben und die Stoffe besorgt. Christina Zapf hat dann nach alten Fotos die Stoffe zugeschnitten und die neuen Häser genäht.
Trotz aller Begeisterung für die Fasend und das Handwerk hatte die Schneiderin schon etliche schlaflose Nächte. Besonders dann, wenn neben den Auftragsarbeiten auch noch fantasievolle Fasnachtskostüme für Freunde und Familienmitglieder auf ihre Vollendung warteten. Auf ihrem Smartphone präsentiert Christina zwei prächtige Tierkostüme mit ihrem Sohn Sandro und auch sie selbst zeigt sich mit einem exotischen Gewand in afrikanischer Anmutung.
Und die Hässchneiderin gibt durchaus zu, bei Terminzuspitzungen schon mal in Stress zu kommen. „Aber wenn die Aufträge vorliegen, dann gibt es nur eines: nähen.“ Vergessen hat sie noch nie einen Termin. „Wenn ich sage, es ist fertig, dann ist es fertig.“ Ihr erstes Hexenhäs hat sie übrigens für Ralf Börschig genäht. Auch viele Altgengenbacherinnen tragen ihre Stoffwerke. Allerdings zehren die vielen vernähten Stoffbahnen auch am Material ihrer Nähmaschinen.
Seit ihrem dottergelben Erstling mussten schon fünf Maschinen nachgekauft werden. Aktuell nutzt sie eine Industrienähmaschine. Und sie näht auch heute nicht nur Fasnachtsgewänder. Ein handwerkliches und emotionales Highlight war das Hochzeitskleid für ihre Tochter Vanessa Willmann. Und mit den zwei Enkeln wartet in einigen Jahren schon der familiäre Nachwuchs auf fantasievolle Fasnachtskostüme.