Das Beste der Woche
Was ist eigentlich aus Sebastian Brants Narrenschiff geworden, das 1494 in See stach? Es schaukelt immer noch auf den Wellen - mehr denn je.
Als Sebastian Brant 1494 sein »Narrenschiff« herausbrachte, gab es jede Menge schräger Vögel:
»Alle Gassen und Straßen sind voll Narren,
Die treiben Torheit an jedem Ort.
Und wollen es doch nicht haben Wort.
Drum hab ich gedacht zu dieser Frist,
Wie ich der Narren Schiff’ ausrüst«, schreibt er.
Seither sammelt das Schiff Narren ein – die Welt ist aber trotzdem nicht besser geworden – höchstens bunter. Das liegt an den vielen strahlenden SM (Smartphones), an den Fernsehsendungen und an Facebook. Wo wären wir ohne Herrn Zuckerbergs Erfindung? Vielleicht schon wieder vom Narrenschiff runter, manchmal hat die Welt ja ein paar Fortschritte gemacht. Aber solche Leute wie Zuckerberg werfen uns seelisch-moralisch wieder etliche Jahrhunderte zurück.
Aus der Timeline
Meine Facebook-Timeline vermeide ich sonst, wo ich kann. Aber jetzt beißen wir die Zähne zusammen und schauen sie uns an. Ich finde Fotos eines Hohberger Rentners, der an Spaniens Küste Urlaub macht. Gönn ich ihm von Herzen – aber muss ich die wirklich sehen? Muss ich wissen, wie das Meer riecht, die Sonne sinkt und der Wind in den Palmen rauscht? Nein. Will ich nicht haben. Ich sitze hier am Schreibtisch. Nebel, Regen, November und versuche, etwas halbwegs Erträgliches in dieser Wochenschau hinzuzimmern. Mit ein oder zwei Stellen zum Schmunzeln, wenn es geht. Von Spaniens Küsten kann ich nur träumen.
Warum habe ich das Gefühl, der nette Rentner postet sein Zeuch nur deswegen auf Facebook, um uns Daheimgebliebenen das Maul wässrig zu machen und uns zu ärgern? Mach mich neidisch – und du bekommst ein »Like«. Sind wir eigentlich noch zu retten?
Ein anderer »Freund« – aus Japan – hat, wie jeden Tag, die Temperaturspanne kundgetan, die heute in seinem Heimatstädtchen zu erwarten ist: »Osaka 12 - 22 Grad« lese ich da. Dafür hat unser Japaner 14 »Likes« bekommen.
Ja, Facebook bündelt das Wichtige in dieser Welt und bringt uns wirklich weiter.
Kehren wir noch einmal zu unserem Hohberger Rentner im spanischen Exil zurück. Ein Eintrag lautet: »Strandpromenade. Genau die richtige Gelegenheit für einen schönen Tintenfisch.« Ob der Tintenfisch das auch so sieht – denn hier geht wohl nicht um ein Date zum Schwimmen, sondern zum Essen.
Ich muss hier raus. Bevor sich mein Hirn verflüssigt. Außerdem hält einen Facebook von der Arbeit ab. Denn eigentlich wollte ich noch etwas Erhellendes über das Allerheiligenkonzert in Hofweier, die Sportlerehrung in Niederschopfheim und das neue Pflegeheim in Schutterwald schreiben. Doch das geht jetzt nicht. Die Zeit isch um. Ich muss zurück aufs Narrenschiff.
P.S.: Das »Narrenschiff« war übrigens das erfolgreichste deutschsprachige Buch vor der Reformation. Es handelt sich um eine spätmittelalterliche Moralsatire, die eine Typologie von über 100 Narren bei einer Schifffahrt mit Kurs auf das fiktive Land Narragonien entwirft und so der Welt durch eine unterhaltsame Schilderung ihrer Laster und Eigenheiten kritisch und satirisch den Spiegel vorhält.