Offenburg
Das Haus des Winzerpatrons
Christl Mai
14. September 2011
Zusatzinhalte nur mit verfügbar - jetzt informieren
Wo einst die Gemarkungsgrenze zwischen Offenburg und Rammersweier verlief und die Moltkestraße mitten im Feld endete, stand eine Flurkapelle. Sie wurde 1972 bei einem Verkehrsunfall so schwer beschädigt, dass man sich zunächst zum Abriss entschloss. Doch längst gibt es einen Nachbau.
Offenburg-Rammersweier. Die ehemalige Flurkapelle war die erste Station der großen Bannprozession, die seit 1653 bis in die 50er-Jahre an Christi Himmelfahrt als abgehalten wurde. Nach mehreren schlechten Ernten hatte damals das ehrsame Gericht im Stab Zell gelobt, alljährlich diese Prozession durch die Feld- und Rebflur mit der Bitte um günstiges Wetter abzuhalten. Nach dem Gottesdienst in der Pfarrkirche Weingarten am frühen Morgen zog die Prozession am »Laubenlindle« vorbei zum Rammersweierer Flurkapellchen. Die drei Holzstatuen aus dem 16. Jahrhundert, die sich im Innern der Kapelle befanden, stammen aus dem Kloster Schuttern und fanden später in der Herz-Jesu-Kirche einen neuen Standort.
Anfang der 1970er Jahre wurde die Kapelle bei einem Verkehrsunfall schwer beschädigt und musste abgerissen weren. Doch nur vier Jahre später ging für die Bewohner aus dem Rebland ein Wunsch in Erfüllung: Das Kleinod wurde nach genauen Beschreibungen und Bildern am ehemaligen Prozessionsweg im Affental über den Rebflächen von Rammersweier im Schutz des Waldrandes an der Schellenberger Gasse wieder aufgebaut. Die Urbanskapelle, wie sie heute heißt, ist ein Geschenk der Winzergenossenschaft Rammersweier anlässlich ihres 50-jährigen Bestehens an die Ortschaft. Die Genossenschaft stellte das Material, Freiwillige aus dem Ort halfen am Wiederaufbau mit.
Die Kapelle ist jeden Sonntag geöffnet. Den Altar ziert die Statue des heiligen Urban, des Patrons der Winzer, und während der Sommermonate steht daneben eine Vase mit Blumen aus dem Hausgarten von Alt-Ortsvorsteher Gerhard Hurst, der die Kapelle am frühen Morgen öffnet und sie spätabends wieder schließt. Auf den Ruhebänken neben der Kapelle halten Spaziergänger und Wanderer gerne Rast und genießen den herrlichen Ausblick in die Rheinebene bis hinüber zu den Vogesen.
Kreuz an neuem Ort
Im Schatten der früheren Kapelle an der Moltkestraße stand über 200 Jahre lang auch ein sogenanntes Ächterkreuz. Dessen Nachbildung – von Steinmetz Willi Gerber 1992 anlässlich der 750-Jahrfeier der Ortschaft geschaffen – fand 1997 auf der Mittelinsel beim Kreisverkehr einen neuen Standort. Beim Anblick des Sandsteinkreuzes wird die Geschichte des Originalkreuzes aus dem Jahre 1776 wieder lebendig.
Das Ächterkreuz, so ist einem Beitrag von Ludwig Heizmann zur Geschichte des Kirchspiels Weingarten aus dem Jahre 1922 zu entnehmen, markierte den Umkreis der Verbannung aus der früheren Reichsstadt Offenburg. Diese Acht wurde als Strafe im 16. und 17. Jahrhundert oft ausgesprochen und war für die damaligen Bürger eine empfindliche Freiheitsbeeinträchtigung.
Schenkt man der Geschichte Glauben, wurde an der Stelle, wo das Originalkreuz stand, im Jahr 1767 ein Metzgergeselle – das Doppelbeil weist auf diesen Beruf hin – aus Durbach erschlagen, und zwar von zwei Männern »aus dem Schwabenland«, die sich ihm als Reisegenossen anboten und eine größere Geldsumme in seiner Tasche vermuteteten.
Die Standorte des Originalkreuzes und der ehemaligen Flurkapelle wurden im Jahr 1242 in der Vergleichsurkunde zwischen dem Kloster Gengenbach und der Stadt Offenburg zum ersten Mal erwähnt. Nur wenige Meter entfernt markiert am Gehweg die im Jahr 1997 von Bildhauer Thorsten Wöhrle geschaffene Nachbildung eines Wappensteines die ehemalige Grenze zwischen Vorderösterreich und der Freien Reichsstadt Offenburg. Das Original des Steines befindet sich übrigens mittlerweile im Ritterhausmuseum in Offenburg.