Der Festakt zeigte: Fantasie kennt kein Alter
Einem großen Familienfest glich die 30-Jahr-Feier der Offenburger Kunstschule am Samstag in der Reithalle. Ein zweistündiger Strauß aus Festreden und Darbietungen auf der Bühne bewies, dass die Stadt und die Aktiven stolz sein können auf diesen kulturellen »Leuchtturm«, der auch über den Rhein hinweg strahlt.
Die aktuelle Leitung, Dozenten, Freunde, die Teilnehmer des »Offenburger Kunstsommers 2017« zwischen acht und 80 Jahren, Politiker, Verbandsvertreter und Ehemalige, einer war sogar aus Kempten angereist, verfolgten die Erfolgsgeschichte, die seit 27 Jahren einen Namen hat: Heinrich Bröckelmann. Der Mann, der die Kunstschule seit 1990 mit seinem Team leitet, trat als Letzter ans Mikrofon und sagte bescheiden: »Ich möchte nur Dank sagen.« Und dann holte er Professor Eberhard Brügel von der PH Freiburg nach vorne, um ihm für die ersten drei Jahre das Wort zu geben.
Als eines von elf Modell-Projekten in Baden-Württemberg startete 1987 die damalige Jugendkunstschule in zwei Räumen der Waldbachschule. 1990 habe der Gemeinderat mit dem Bewerber aus Münster, Heinrich Bröckelmann, »die beste Wahl getroffen«, so Brügel. Dieser hatte 2017 außer dem Leitungsteam 80 Dozenten mit 4000 Teilnehmern in 9000 Unterrichtseinheiten aufzulisten. Und in einer solchen Quantität steckt auch eine zwar nicht messbare, aber doch erstaunliche Qualität, was man in verschiedenen Darbietungen erkennen konnte.
Die Festredner – Oberbürgermeisterin Edith Schreiner, Staatssekretär Volker Schebesta und Julia Nierstheiner vom Bundesverband der Jugendkunstschulen (BJKE) – beleuchteten aus ihrer jeweiligen Perspektive die Entwicklung dieser kulturpädagogischen Einrichtung und ihr Zusammenspiel mit der Kommunal- und Landespolitik. »Das Lernen ging ins Lehren über«, resümierte Edith Schreiner. Denn unter den aktuellen Dozentinnen ist eine Schülerin von 1993.
Mit wenig viel geleistet
Und die Sekretärin des Bundesverbandes rechtfertigte die Kunstschule, die in Offenburg bestens mit der Musikschule, dem Institut für Deutsche Sprache, mit der Theater-Akademie und der VHS zusammenarbeitet, mit dem Satz, dass »Bildung mehr ist als Schule«. Hier werde mit wenig Geld viel bewirkt. Das aktuelle Programm hat über 100 Seiten.
Die ungewöhnliche Kreativität, die sich in den verschiedensten, heute elf Ateliers der Kunstschule entwickelte, bewies zu Anfang ein Animationsfilm des 80-jährigen Hans Joachim Baublies. Aus Farbtupfern, Gestrichel und Knet erwuchsen Bilder und humorvolle Plastiken zum Thema »Wandel«, die der Autor auf Da-Da-Art mit seiner eigenen Stimme besprach und besang. Wirklich: Für die Fantasie gibt es kein Verfallsdatum.
Ihm folgten Tücher-Akrobatinnen im Kopfhang, sogar synchron, die am Boden von Tänzerinnen begleitet wurden. Von einem Schlagzeuger spannend untermalt krochen »Wesen« aus weißen »Kokons«, wuchsen Köpfe aus Baumstümpfen, die schließlich einen fantastischen Tanz aufführten. Auf mit Wachs präparierten weißen Tafeln schälten sich Bilder heraus, die die schwarze Holzbeize nicht annahmen: Sonne, Mond und Sterne, Drachen, Gänse, Katze, Maus, Pflanzen und eine Treppe erwuchsen wie aus dem Chaos-Gehirn eines Dalí.
Den Schluss machte eine Videoarbeit von Said Ghasib: Eine Summe aus dem Kultursommer 2017 mit allerlei »Hand- und Fuß-Arbeit«, die auf dem Höhepunkt mit »Summertime« in einer speziellen Version unterlegt war. Ein Empfang mit Wein, Sekt und äußerst kreativen Häppchen mündete in ein fröhliches »Weißt- du-noch?«.