Der Pirol, der als »Bierholer« bekannt ist
Noch pfeifen es die Spatzen nicht vom Dach, doch der Buch-Titel »Die Deutung historischer Vogelnamen« wird aufhorchen lassen. Der Autor Peter Bertau (74), der in Weier wohnt, ist ehemaliger Biologielehrer des Oken-Gymnasiums mit Schwerpunkten Evolutionsbiologie und Ornithologie.
Offenburg. Peter Bertaus »Deutung historischer Vogelnamen« (zwei Ausgaben) ist im Zentralen Verzeichnis der Antiquarischen Bücher (ZVAB) gelistet. Und die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet seine Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. »Es ist ein Nischenbereich«, verortet Bertau den Standort seiner Werke. Freilich ein überaus schöner, geheimnisvoller und interessanter. Dass auch die Wissenschaft an diesen Kompendien Interesse zeigt, ist anzunehmen. Bibliophile, Liebhaber besonderer Bücher, sicher, doch Bertau war nicht umsonst Pädagoge. »Meine Bücher sind auch zum Durchblättern geeignet, ich habe alles in verständlicher Lesart geschrieben.«
Die Untertitel bedürfen einer Erklärung, Band I heißt »Die Deutung historischer Vogelnamen – Nichtsingvögel«, Band II »Die Deutung historischer Vogelnamen – Singvögel«. Aber was sind Nichtsingvögel? Das braucht ein wenig Erklärung. »Alle Vögel haben eine Stimme, aber nur die Melodiensänger bekamen in der Frühzeit der Vogelkunde einen Trivialnamen«, sagt Peter Bertau schmunzelnd. Namensgeber waren bedeutende Wissenschaftler des 19. und 20. Jahrhunderts. Bertau hat sich auf vier spezialisiert. Lorenz Oken (1779 bis 1851), aus Bohlsbach stammend, war ein bedeutender Naturphilosoph, Friedrich Siegmund Voigt (1871 bis 1950) lehrte in Jena, Johann Friedrich Naumann (1780 bis 1857) verfasste die Naturgeschichte der Vögel Deutschlands und Alfred Edmund Brehm (1829 bis 1884) ist der »Tier-Brehm« (Lexika).
In Übersicht gebracht
Gerade Oken war schöpferisch und habe seiner Fantasie Lauf gelassen, schmunzelt Bertau. Okens Begriffe »Nesthocker« und »Nestflüchter« haben sich bis heute erhalten. Die Vorarbeit der vier berühmten Gelehrten ist durch Peter Bertau nun in eine Art Übersicht gebracht worden.
Ein Beispiel: Die Dohle (corvus monedula) läuft im Buch durch die Systematik der Zuordnung: Gattung Rabenvögel, Familie corvidae, Art Rabenkrähe. Und dann kommt die Sache mit dem Trivialnamen. »Jakob« zum Beispiel wurde eine Dohle volkstümlich genannt. Noch besser wird es beim Pirol, dem »Bierholer«. Seinen Ruf habe man irgendwann als Aufforderung zum Bierholen verstanden. Jedem Vogelnamen gab Peter Bertau eine kleine Geschichte, dann folgen sämtliche, aus allen Regionen Deutschlands gebräuchlichen Namen. Es ging Bertau nicht um die Etymologie, die Herkunftsdeutung. »Mein Begriff ›Deutung‹ soll Inhalte vermitteln, die Bedeutung erklären.
Ein »Klosterfräulein« wiederum ist eine Bachstelze. Ein »Mönch« eine Geierart. Die Volkssprache, hier Trivialbezeichnung, ist auf ihre Weise treffend. Für Peter Bertau war das Sammeln der historischen Namen ein zehn Jahre währender Marathon durch antiquarische Folianten, neu aufgelegte Vorlagen oder das moderne Internet. Mehr als 9000 Namen sind in seinen Büchern genannt, mit denen 480 mitteleuropäische Vogelarten bezeichnet werden. Kosten für den Privat-Wissenschaftler? »Die halten sich in Grenzen«, die Bücher werden auf Nachfrage gedruckt. Daher kann er noch keine Auflagenhöhe nennen. Für all die riesengroße wissenschaftliche Arbeit, nahezu eine Doktorarbeit, würden vom Verlag die üblichen Tantiemen bezahlt. »Brauch ich nicht«, sagt Bertau, die Freude am fertigen Werk, der Spaß der Leser, seine spannende Arbeitszeit, »die noch nicht aufhört«, das sei ihm Lohn genug.
TITEL: »Die Bedeutung historischer Vogelnamen«, Band I »Nichtsingvögel« (69,99 Euro), Band II »Singvögel« (49,99 Euro), Springer Verlag GmbH, erhältlich in der Buchhandlung Roth. Unter dem Suchbegriff »So hießen unsere Vögel früher« kann zudem ein Lexikon von Peter Bertau im Internet heruntergeladen werden. Es enthält bislang 25 000 historische Vogelnamen.