OT-Serie: »D’ unter Fabrik« (7)

Die »Fremdarbeiter« und die Rüstungsproduktion

Volker Ilgen
Lesezeit 3 Minuten
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02. Juli 2017

Blick von der Kronenwiese auf die Spinnerei im Jahr 1944: im Krieg setzte man auf »Fremdarbeiter«. ©Stadtarchiv

Die 1857 gegründete und 2008 stillgelegte Spinnerei und Weberei war über Jahrzehnte der größte Arbeitgeber in der Stadt. In seinem Buch »D’ unter Fabrik« zeichnet der Historiker Volker Ilgen die Geschichte des Unternehmens nach. In einer siebenteiligen Serie veröffentlichen wir Auszüge daraus. Heute zum Abschluss: die Spinnerei im Zweiten Weltkrieg.

Wie schon im Ersten musste die Spinnerei und Weberei auch nach Beginn des Zweiten Weltkriegs viele Arbeiter als Soldaten freistellen und konnte die personellen Lücken nur begrenzt schließen. So beschäftigte die Direktion  ab Juli 1940 zunächst Offenburger Schüler, danach wurden Personen aus allen Teilen des Reichs sowie Europas rekrutiert. 

Die Menschen kamen aus dem rumänischen Czernowitz – hier handelte es sich um eine Gruppe »Volksdeutscher« – andere stammten aus italienischen Ortschaften wie Treviso, Ziano oder Cordiniano. Gleich nach Beendigung des »Westfeldzugs« am 25. Juni 1940 gelangten Elsässer, gelernte Spinner und Weber, auf der Suche nach Verdienstmöglichkeiten in den Offenburger Betrieb. Daneben fanden einige Menschen aus dem tschechischen Bratislava oder dem polnischen Tschenstochau den Weg in die Ortenau. 

Nur noch Frauen

Auffallend ist, dass, wie seinerzeit um die Jahrhundertwende mit den angeworbenen italienischen Mädchen, ab September 1940 erneut viele italienische Namen auftauchen: Venabuona, Cortina, Calgaro, Ceccaroni, Toffolo. Soweit ersichtlich wurden ab August 1941 bis etwa März 1942 nur noch Frauen eingestellt und, nach dem Geburtsdatum zu urteilen, alte Männer. Darüber hinaus leisteten viele Menschen aus der Stadt und der Umgebung einen »freiwilligen Kriegseinsatz«. Es mussten aber auch »Dienstverpflichtete« in der Spinnerei und Weberei arbeiten, wobei unklar bleibt, wie die Grenze zwischen freiwilligem Engagement und Verpflichtung zu ziehen ist.

Je länger der Krieg dauerte, desto mehr »dienstverpflichtete« Personen arbeiteten in der Spinnerei und Weberei, ab Mitte 1944 waren es nur noch Frauen. Auch kamen  Verwundete und Kriegsbeschädigte zum Einsatz.  In dem Personalstammbuch waren auch kriegsgefangene Belgier und Franzosen gelistet.

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Ab Oktober 1942 wurden im Personalstammbuch »Ostarbeiter« erfasst – es handelte sich um einen Russen aus Witebsk, der im »Lager für Ostarbeiter« untergebracht war, genauso wie 13 weibliche Personen aus Weißrussland und der Ukraine. In einem Verzeichnis ausgestellter Quittungskarten für die Arbeiterversicherung waren für 1944 insgesamt 73 »Fremdarbeiter« bei der Spinnerei aufgeführt, davon 31 Russen, worunter aber auch Ukrainer zählten. In dem Geschäftsbericht vom 8. Oktober 1942 tauchen ebenfalls »Fremdarbeiterinnen« auf. 

Vorstand Dr. Bauer erwähnte auch erstmals die seit Anfang Juni 1942 betriebene Rüstungsproduktion, die er aber in den folgenden Berichten meist hinter der euphemistischen Formel von der »textilfremden Fertigung« versteckte. Leider wird in den Unterlagen nirgends näher definiert, worum es sich bei der Rüstungsproduktion tatsächlich handelte. 

»Textilfremde Artikel«

Jedenfalls führte der Direktor den Anteil der »für die Wehrmacht hergestellten Artikel« separat auf – in der Weberei entfielen darauf rund 70 Prozent der Produktion. Diese Artikel konnten jedoch mit »textilfremder Fertigung« wohl kaum gemeint sein. Die Rüstungsproduktion spielte aber am Ende keine Rolle mehr. 

Am 15. April 1945 marschierten die Franzosen in Offenburg ein und nahmen auch in den Fabrikbetrieben am Mühlbach Quartier, was »unsere Betriebe zum völligen Stillstand« verdammte. Als diese Rückschau im September 1946 verfasst wurde, konnte und durfte Dr. Bauer sie nicht als Generaldirektor absegnen: Als Nazi verdächtigt, befand er sich damals hinter Gittern, wahrscheinlich im Internierungslager Lahr-Dinglingen.

HINWEIS: Volker Ilgen, »D’ unter Fabrik« – Geschichte der Spinnerei und Weberei, 128 Seiten, 12,90 Euro, ist im örtlichen Buchhandel und im Museumsshop erhältlich.  

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