Die letzten Tage von St. Georg Nordrach

Wie ein Schloß thront das imposante Gebäude von St. Georg über dem Dorf. Wie die Nachnutzung des Fachpflegeheims aussieht, steht noch nicht fest. ©Herbert Vollmer
Das »Median«-Haus St. Georg Nordrach wird zum Ende August geschlossen. Die fast 100 Patienten wurden im Laufe der letzten Monate bereits in andere Einrichtungen im Ortenaukreis und darüber hinaus verlegt. Die Gemeinde bemüht sich nun intensiv um eine Nachnutzung.
»Median« mit Sitz in Berlin ist ein Gesundheitsunternehmen mit 120 Rehabilitationskliniken, Fachkliniken für Frührehabilitation, Therapiezentren, Ambulanzen und Wiedereingliederungseinrichtungen in 14 Bundesländern. Im Mai gab das Unternehmen bekannt, die Fachpflegeeinrichtung Haus St. Georg in Nordrach zum Ende August zu schließen (wir berichteten). Bei St. Georg handelt es sich um eine Pflegeeinrichtung für psychisch- und abhängigkeitskranke Menschen.
Eigentümer Median nannte als Grund für die Schließung die Landesheimverordnung, die ab dem 1. September dieses Jahres verlangt, dass Bewohnern von Heimen ein Einzelzimmer zur Verfügung stehen muss. »Das ist in der denkmalgeschützten Immobilie so nicht umzusetzen«, hieß es in der Pressemitteilung vom Mai.
1993 übernahmen die »Oberrheinischen Kliniken« mit Sitz in Bad Krozingen das Pflegeheim. Dieser Träger wurde 2012 von der Median-Unternehmensgruppe übernommen.
Bis vor wenigen Monaten wohnten knapp einhundert Personen im Pflegeheim, teilweise schon seit mehreren Jahrzehnten. Sie waren Nordracher Einwohner und nahmen, soweit es jedem möglich war, auch am Dorfgeschehen Anteil. Die Heimbewohner waren akzeptiert und integriert. Die Patienten wurden zuletzt von 35 Mitarbeitern betreut. Bereits im Jahre 2009 hat das Land Baden-Württemberg das Gesetz zur Gestaltung der Bau- und Raumkonzepte von Heimen erlassen. Diese müssen sich vorrangig an den Zielen der Würde, Selbstbestimmung und Lebensqualität orientieren. Dies schließt das Recht auf eine geschützte Privat- und Intimsphäre der Bewohner von Heimen mit ein, was durch Einzelzimmer erreicht werden soll. Für diese Vorgaben wurde den Heimbetreibern eine Übergangsfrist von zehn Jahren eingeräumt. Diese Frist läuft Ende August 2019 ab.
»Nicht wirtschaftlich«
Im Nordracher Haus St. Georg gibt es 70 Zimmer, davon sind 46 Doppelzimmer. Median sah es nicht als wirtschaftlich an, in dem Gebäude die Doppelzimmer auch als Einzelzimmer zu nutzen und hoffte auch aus therapeutischen Gründen auf eine Ausnahmegenehmigung.
Gespräche seien seit geraumer Zeit mit den zuständigen Behörden geführt worden, um eine bestmögliche Lösung für die Einrichtung zu finden. Diese Gespräche führten laut Median aber nicht zum gewünschten Erfolg, so dass das Pflegeheim geschlossen werden musste.
Der Heimverwaltung ist es gelungen, alle Patienten in anderen Häusern unterzubringen. Zahlreiche Mitarbeiter haben vorzeitig das Pflegeheim verlassen und sich einen anderen Arbeitsplatz gesichert. Für die Heimbewohner, die zum Teil schon lange gemeinsam im Haus lebten, war es schwer erträglich, als immer mehr ihrer Mitbewohner ausgezogen sind und sich ihre »Großfamilie« nach und nach auflöste. Am Dienstag hat die letzte Patientin das Haus verlassen. Mitarbeiter räumen es derzeit »besenrein« auf, Mobiliar wird, soweit verwendbar, in andere Kliniken gebracht.
Für Nordrach ist die Schließung des Pflegeheims ein großer Verlust. Die Gemeinde verliert mit einem Schlag fast 100 Einwohner, was sich erheblich auf die Finanzzuweisungen auswirken wird. Ebenso ist der Verlust von 35 Arbeitsplätzen zu beklagen. Die Median Franz-Alexander-Klinik in unmittelbarer Nähe ist von der Schließung nicht betroffen.
Noch ist kein Konzept bekannt, was mit dem Gebäude geschehen wird. Bürgermeister Carsten Erhardt erklärt auf Nachfrage, dass die Gemeinde sich intensiv um eine Nachnutzung bemühe. Da die letzte Entscheidung allerdings beim Eigentümer Median liege, könne er, Erhardt, aber nur als Vermittler tätig sein. Die Art einer späteren Nutzung möchte Erhardt nicht einschränken: »Wir sind da sehr offen«.
Schmerzlicher Verlust
Erhardt weiter: »Es ist natürlich sehr bedauerlich, dass das St. Georgs-Pflegeheim schließt. Die Bewohner waren immer ein Teil von Nordrach. Mit den Verantwortlichen vor Ort hat die Gemeinde Nordrach ein sehr gutes Verhältnis gepflegt. Daraus entstanden auch verschiedene Initiativen, um den Betrieb der Einrichtung zu erhalten. Diesen Prozess hat die Gemeinde Nordrach nach Kräften unterstützt. Leider ohne Erfolg.«
»Trotz des schmerzlichen Verlustes der Einrichtung freue ich mich, dass die Bewohner eine neue Bleibe und fast alle Mitarbeiter eine neue Beschäftigung gefunden haben«, erklärt Erhardt.