Die Menschen glücklich machen
Aus der verfrühten Meldung, er sei gestorben, hat Steffen Müller noch einen Scherz gemacht. Seine Söhne hatten die Idee zur Antwort auf diese Falschmeldung und zitierten auf Facebook Mark Twains Bonmot: „Reports of my death have been greatly exaggerated“ (Berichte über meinen Tod wurden stark übertrieben). Doch da war der Niederschopfheimer Fotograf und Pfeifenmacher längst unheilbar krank. Er ist am 7. September im Alter von 58 Jahren gestorben.
Vielseitiger Mensch
Der studierte Biologe war vielseitig. Als Synästhetiker erlebte er die Welt immer als Komposition verschiedener Sinneseindrücke gleichzeitig. Ein Zusammenspiel von Form, Farbe, körperlicher Empfindung und Klang. Seine kreativen Träume verfolgte er beharrlich und gründlich: So hat er das Haus in der Gartenstraße in Niederschopfheim für seine Familie und sich entworfen. Und so hat er sich, der mit 14 Jahren seine erste Pfeife rauchte, in die Kunst des Pfeifenmachens hineingefuchst und machte sich damit 2016 selbständig. Bald schon kosteten einige seiner Pfeifen, die kleine Kunstwerke sind und die internationale Pfeifenwelt begeistern, vierstellige Summen. Stets erkundete er intensiv die Maserung, Aufbau und Beschaffenheit des Holzes, aus dem er dann seine Pfeifen schuf. Für Steffen Müller lebte die Pfeife im Holz und wollte nur entdeckt und befreit werden.
100 Beste
Genau dieser Schöpfungsprozess machte ihn zu einem der 100 besten Pfeifenmacherinnen und Pfeifenmachern weltweit. 2016 besuchten ihn die Kollegen aus aller Welt, um seine Werkstatt „The Pipemill“, natürlich von ihm selbst entworfen und gebaut, einzuweihen. Dabei ging der Zusammenhalt dieser internationalen Pfeifen-Community weit über das Interesse an den geschaffenen Werken hinaus. Auf Anregung von Steffen Müller unterstützte die „Grainstrom“-Gruppe mit dem
Erlös ihrer exklusiven Workshops in Not geratene Kolleginnen und Kollegen.
Eine weitere kreative Leidenschaft war die Fotografie. Er ließ seine Träume zu und gab ihnen Gestalt. Steffen Müller liebte die klassische Schwarz-Weiß-Fotografie. Zur Porträtfotografie gesellte sich bald die experimentelle Fotokunst, die fotografische Auseinandersetzung mit Natur und Landschaft. Bei der Porträtfotografie gelang es ihm, das Wesen seines „Modells“ zum Leuchten zu bringen, sodass Betrachter, die den Menschen nicht kannten, meinten, ganz vertraut mit ihm zu sein. Steffen Müller ging auch in seinen Bildwerken den Dingen auf den Grund, beobachtete seine Objekte, studierte sie, versuchte, ihr Wesen zu ergründen. Wie bei seinen Pfeifen machte auch seine Fotokunst verborgene Strukturen sichtbar.
Er liebte es, Menschen durch lange Brennweiten zu beobachten. „Alle Menschen sind schön“, sagte er einmal. Und: „Ich konstruiere meine Fotos nicht.“ Er würde nie Menschen in peinlichen Situationen ablichten, versicherte er. Steffen Müller war zutiefst davon überzeugt: „Wir Künstler machen die Menschen glücklich.“ Mehr kann man nicht verlangen.
Seine Kunst war dabei unabhängig von der eingesetzten Technik. Bilder von einem Studentenstreik in den 80er-Jahren mit einer Kamera, die noch Rollenfilme brauchte, wurden von Zeitungen gedruckt, die Bilder seiner ersten Ausstellung 2021 machte er mit hochwertigen analogen und digitalen Kameras. Seine fotografische Heimat fand er im forumPhoto in Offenburg gemeinsam mit Armin Krüger und Wilfried Beege.
Auf Steffen Müllers Facebook-Account ist zu lesen, wie sehr seine Freunde weltweit mit ihm gebangt haben und wie traurig sie sind, nachdem er gestorben ist. Sie sind sich sicher: Sie haben einen großartigen Menschen verloren.
Steffen Müller ...
ist am 24. Februar 1966 in Stuttgart geboren und am 7. September in Niederschopfheim gestorben. Seit 1996 lebte er in Niederschopfheim. 2016 eröffnete er seine Pfeifen-Werkstatt in der Gartenstraße, 2019 – 2020 stellte er eine Pfeife im Stil von Piet Mondrian im Museum Aandemaas in Dordrecht / NL aus. 2021 wurden erste Fotos in Offenburg ausgestellt.