Eine 50-jährige Ära endet in Gengenbach
Anne Buschert und Claudia Bächle sagen ade. Seit 20 Jahren sind sie beim Gengenbacher Martinimarkt nicht wegzudenken. Unermüdlich verkauften sie Selbst-gebackenes, -gestricktes und -gebasteltes, um Menschen in Not zu helfen. In diesem Jahr sind sie zum letzten Mal an ihrem Stand vertreten. Damit endet auch eine 50-jährige Tradition.
Anne Buschert und Claudia Bächles Entschluss steht fest. »Wir haben unseren Stand auf dem Martinimarkt zum letzten Mal. Und im Juli 2019 wird unser letzter Garagenflohmarkt stattfinden«, kündigen beide gestern gegenüber dem Offenburger Tageblatt an. Mit viel Herzblut haben beide seit 20 Jahren dafür gesorgt, dass es bedürftigen Menschen, überwiegend aus Gengenbach, etwas besser geht. Dazu veranstalteten sie einmal im Jahr einen Garagenflohmarkt in der Klosterstraße 4 und waren regelmäßig auf dem Gengenbacher Martinimarkt präsent. »Alles hat seine Zeit. Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist«, sagen die beiden 65-Jährigen und scherzen: »Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an.« Die beiden Frauen verbindet eine enge Freundschaft seit dem Kindergarten.
Erbe Waltraud Welles
Dass sie sich sozial engagieren möchten, sei ihnen schnell klargewesen. »Wir hatten dafür auch Zeit«, erklärt Anne Buschert. Claudia Bächle bestätigt das. Vor 20 Jahren übernahmen sie deshalb das Lebenswerk der im vergangenen Jahr verstorbenen Waltraud Welle. Sie hatte 1969 – inspiriert vom erschütternden Schicksal hungernder und notleidender Kinder und Opfern blutiger Auseinandersetzungen in der Region zwischen Nigeria und Biafra – eine Hilfsorganisation gegen Hunger und Krankheit, nicht nur für die Dritte Welt, ins Leben.
Nach drei Jahrzehnten übergab sie die Leitung der Aktionsgemeinschaft an Anne Buschert und Claudia Bächle. Doch anders als vor 30 Jahren sind derzeit keine Nachfolger in Sicht. »Deshalb lösen wir die Aktionsgemeinschaft auf«, blickt Anne Buschert etwas bedauernd voraus.
In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat sich der Schwerpunkt der Arbeit geändert. Im Fokus standen jetzt überwiegend bedürftige Menschen in Gengenbach und Umgebung. »Davon gab es zum Beispiel nach der Hukla-Insolvenz einige, andere haben durch Brände alles verloren, vor allem aber waren es Witwen mit sehr kleinen Renten«, erinnert sich Claudia Bächle und wirkt etwas nachdenklich: »Diese werden traurig sein, wenn es die Aktionsgemeinschaft nicht mehr gibt.«
Unterstützt wurden unter anderem auch das SOS-Kinderdorf in Obernai, der islamische Verein in Gengenbach, das St.-Ursula-Heim und die Wärmestube für Obdachlose in Offenburg, der Kinderschutzbund, das Oberharmersbacher »Haus Maria Frieden«, das Haus des Lebens in Rammersweier, diverse Selbsthilfegruppen, der Fußbacher Förderverein Neurokinder, Familien mit krebskranken Kindern, der Verein »Aufschrei gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Erwachsenen«, der Kinder- und Jugendhospizverein in Offenburg sowie die Bahnhofsmission.
Hoffen auf »Ansturm«
Die Summe, die seit 1998 zusammenkam, kann sich mehr als sehen lassen. »Wir haben rund 100 000 Euro spenden können, jedes Jahr im Durchschnitt 5000 Euro«, freuen sich Anne Buschert und Claudia Bächle. Häufig waren es Finanzspritzen zwischen 50 und 300 Euro, mit denen die ärgste Not gelindert wurde. Doch beide wollen die Lorbeeren nicht für sich behalten. »Wir haben rund ein Dutzend Helferinnen und viele Sach- und Geldspender. Ihnen möchten wir besonders danken, denn ohne sie hätten wir das alles nicht geschafft.« Und so hoffen die beiden, dass es an ihrem Stand auf dem Martinimarkt am Mittwoch und Donnerstag, 7./8. November, nochmal richtig rund geht. Zugunsten der Menschen in Not.