Reichenbach

Einem "Musterbeispiel für Integration" droht Abschiebung

Marc Faltin
Lesezeit 4 Minuten
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24. März 2017

Zusammen mit hoffnungsfrohen Mannschaftskollegen des SV Reichenbach: das Vorstandstrio Heiko Armbruster (oben von rechts), Thomas Harter und Frank Harter sowie Gailan Awla, längst eine feste Größe, aber bedroht von der Abschiebung. ©Marc Faltin

Gailan Awla ist bei den Fußballern des SV Reichenbach nicht nur sportlich eine feste Größe. Der Flüchtling aus dem Irak, der dort Informatik studierte und als Lehrer im Computerbereich arbeitete, spricht neben Englisch schon erstaunlich gut Deutsch. Dieses »Musterbeispiel für Integration«, so der Vorstand des Sportvereins, erhielt aber den Ablehnungsbescheid für seinen Asylantrag. Einspruch ist erhoben.

Draußen ist es nasskalt. Im Schmuddelwetter und Flutlicht trainieren die Fußballer des SV Reichenbach. Drinnen im Clubhaus lächelt Gailan Awla über das Kompliment, richtig gut Deutsch sprechen zu können. »Der Dialekt ist aber schwer«, verblüfft der 31-Jährige, der die deutsche Sprache durch Übersetzungsprogramme an seinem Smartphone lernt, nachdem er im Sommer 2015 sein Heimatland Irak verlassen hatte.

Auf dem Fluchtweg. 15 Tage lang via Türkei, dann mit 58 anderen Insassen im Schlauchboot nach Griechenland, weiter nach Mannheim mit Endstation Gengenbach, wo der »Höllhof« in den Höhen Reichenbachs seinem Namen nicht gerecht wurde. »Ich bin Kurde«, antwortet Awla auf die Frage nach dem Grund seiner Flucht. Diese Minderheit habe es auch im Irak verdammt schwer, ein normales Leben zu führen, und werde verfolgt. »Mir gefällt hier alles«, weiß Awla seinen Aufenthalt hier mehr als nur zu schätzen. In der  Ortenau, im Kinzigtal, in Reichenbach, im Sportverein. 

»Wir boten ein Probetraining auf dem Höllhof«, erklärt Sven Ganter, Spielausschussvorsitzender des SVR, der schon vor ein paar Jahren aktiv in die Flüchtlingsbetreuung einstieg. In Kooperation mit dem Familien- und Seniorenbüro (FSB) um Managerin Christine Weygoldt-Barth, die auch den Fußball mag, kümmerte sich der SVR um jenen Nachwuchs der Flüchtlingsfamilien, der gerne kicken wollte.

Das Interesse war entsprechend groß. Auch bei Erwachsenen, von denen Gailan Awla und Salah Alghabbach aus Syrien auffallend gut gewesen seien, so Ganter. Der Einladung in den Trainingsbetrieb folgte die Spielberechtigung für den SVR. Im Frühjahr 2016 feierte Awla sein Debüt im grünweißen Dress. Längst ist er eine feste Größe im SVR-Kader, mal in der zweiten, mal in der ersten Mannschaft am Ball.

»In unserer Hauptversammlung erhielt Gailan Beifall von allen Anwesenden«

»In unserer letzten Hauptversammlung erhielt Gailan Beifall von allen Anwesenden«, betont Frank Harter, weil Awla nicht nur von allen akzeptiert werde, sondern sehr beliebt sei. »Wo er helfen kann, hilft er gerne mit«, so das Vorstandsteammitglied, »wie bei den Aufbauarbeiten für unser Sportfest«.

Zu gerne würde er auch in einem Unternehmen arbeiten, um sich seinen eigenen Lebensunterhalt aufzubauen. Am liebsten natürlich in seinem Beruf. In seiner Heimat war er Computer-Lehrer, nachdem er sein IT-Studium abgeschlossen hatte. »Bei  Burda habe ich ein Praktikum gemacht«, erzählt er dankbar. »Wir könnten Gailan eine Wohnung und einen Arbeitsplatz besorgen«, sagt SVR-Vorstandsmitglied Heiko Armbruster. Einige Reichenbacher hätten Entsprechendes angeboten.

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»Das wäre dann endgültig ein Musterbeispiel für Integration«, so Vorstandskollege Thomas Harter. Nur hat Awla keine Arbeitserlaubnis. Und während die Reichenbacher Narrenzunft am 10. Februar oben im Santis-Claus-Wald symbolisch den Teufel holte, erhielt Awla die behördliche Hiobsbotschaft, abgeschoben zu werden. »Wir haben gleich einen Anwalt vermittelt«, so Armbruster, »fristgerecht wurde Einspruch eingelegt«.

Bis es zur entscheidenden Verhandlung kommt, könnten sechs bis acht Monate ins Land ziehen, so Frank Harter. »Aber im Prinzip muss Gailan jeden Tag damit rechnen«, so Armbruster. »Was soll ich im Irak machen?«, sagt Awla, »ich möchte hier gerne ein neues Leben anfangen, ich fühle mich hier zuhause«. 

Alle hoffen auf eine Aufenthaltserlaubnis für ihn – »alles andere wäre zynisch«

Während Salah Alghabbach nicht mehr für den SVR am Ball ist, hat er mit seiner Familie eine Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre erhalten, engagiert sich als »Bufdi« im Bundesfreiwilligendienst für das FSB und deren Flüchtlingshilfe.

Für Gailan Awla, der zehn Geschwister hat, aber alleine geflüchtet ist, ist derzeit nur seine Spielberechtigung durch den Südbadischen Fußballverband unbefristet. »Salah und Gailan sind offen für unsere Kulturen und bestrebt, hier eigene Freundeskreise aufzubauen«, lobt Christine Weygoldt-Barth und hofft wie alle im Sportverein und im »Freundeskreis Asyl« auf eine Aufenthaltserlaubnis auch für Awla, »alles andere wäre zynisch«.

Heute kickt der SVR II beim SV Oberharmersbach III und die erste Mannschaft morgen beim SC Hofstetten II. In welchem Team Gailan Awla dann spielt? »Vielleicht in beiden«, lächelt Sven Ganter, »fit genug dafür ist er«. Dann verabschiedet sich der 31-Jährige höflich, um noch zu trainieren.

Bevor noch ein einstündiger Fußmarsch zum Gengenbacher Bahnhof folgt, um von dort zurück nach Offenburg in seine neue Flüchtlingsunterkunft am Flugplatz zu fahren. »Natürlich bietet immer mal wieder jemand von uns an, Gailan an den Bahnhof zu fahren«, merkt Thomas Harter an, »aber er möchte so wenig wie möglich Umstände machen«.

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