»Erinnern heißt handeln!«
Mit einer Feier ist gestern im Eingang der Ostunterführung des Offenburger Bahnhofes die »Auschwitz-Gedenktafel« neu enthüllt worden, die an die Mitwirkung der Reichsbahn bei der Deportation von Verfolgten des Nazi-Regimes erinnert. Zuletzt befand sich die Tafel mit Fahrplan von 1943 im DGB-Gewerkschaftshaus.
Offenburg. Die Gedenktafel, die am gestrigen Sonntag erneut der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde, stammt schon aus dem Jahr 1995, wie Paul Bauer von der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes in seiner Begrüßung ausführte. Die Tafel, von Monika Andres aus Renchen gestaltet, weicht von üblichen »erklärenden« Inhalt solcher Erinnerungsdokumente ab – sie bildet schlicht und einfach einen Fahrplan ab, der mit anderen Dokumenten 1994 entdeckt worden war. Es handelt sich um einen regulären Fahrplan aus dem Jahr 1943 für einen Sonderzug nach Auschwitz, der für jüdischen Mitbürger, Sinti und Roma, kurz alle Menschen, die dem Regime nicht ins Weltbild passten, den Weg in Tod und Vernichtung bedeutete.
Durch Offenburg, einen bedeutenden Bahnknotenpunkt, gingen zahlreiche Transporte. Daher kann, schon bevor zwischen Weihnachten 1944 und dem Ende des Krieges zwei »Baubrigaden« ganz offen im ständig bombardierten Bahngraben eingepfercht waren, kaum einem Offenburger, der es wissen wollte, entgangen sein, dass eine gut organisierte und massenhaft Verschleppung im Gang war. »Es begann mit der Zerstörung von Synagogen, übrigens unter den Augen der gesamten Öffentlichkeit« erinnerte Paul Bauer.
Bahn sagte Nein
Die Deutsche Bahn hatte sich schon vor 19 Jahren geweigert, das entlarvende Dokument auf dem eigenen Gelände anbringen zu lassen, und so befand sich die Tafel vom 8. Mai 1995 bis zum Verkauf am DGB-Gewerkschaftshaus, wo sie im Zuge der Renovierung, wohl versehentlich, fast »entsorgt« worden wäre. Den Ort, an dem die »Auschwitz-Tafel« nun angebracht wurde, stellt die Stadt Offenburg zur Verfügung, für die Wolfgang Gall als Leiter des Ritterhausmuseums und des Stadtarchivs sprach.
Verkörperte Erinnerungen würden immer wichtiger, »weil die Zeitzeugen sterben«, mahnte er. »Fast alle Schienen in Deutschland« seien »ins Deportationsgeschehen« einbezogen gewesen. In Offenburg habe es zwei Deportationswellen gegeben, am 10. November 1938 nach Dachau und am 22. Oktober 1940 nach Gurs. Nicht nur die Deportationen, auch das System der Zwangsarbeit wäre ohne die Reichsbahn und die ihr angeschlossenen Unternehmen nicht möglich gewesen, machte Gall deutlich.
Paul Bauer dankte allen, die daran mitgewirkt hatten, die gestrige Wieder-Enthüllung möglich zu machen, namentlich der Stadt Offenburg und dem DGB. »Erinnern heißt handeln!«, schloss er.
Musikalisch umrahmt wurde die gestrige Feierstunde von Jane und Lilly Simon mit zwei geistlichen Liedern in Deutsch und Romanes Kelderas.