Flugzeug in der Diersburger Garage
Den Traum vom Fliegen haben viele. Manche fliegen auch. Doch nur die wenigsten bauen dazu ihr eigenes Flugzeug. Heribert Orlik aus Diersburg hat es getan, mehr als zehn Jahre lang. Schritt für Schritt. In dieser Zeit hat er viele Hürden überwunden. Doch nun fliegt die Asso V, und der Traum vom Fliegen ist wirklich.
Zulassung bekommen
Welche Zeitspanne Heribert Orlik hinter sich gebracht hat, zeigen zwei Zahlen: 2008 meldete er das Projekt beim Luftfahrtbundesamt an, Dezember 2022 hat sein Flugzeug die Zulassung bekommen.
Infiziert hat sich Heribert Orlik mit dem Flugvirus schon früh. In seiner Freizeit bauten er und seine Kameraden der Jungschar Segelflugzeuge und ließen sie fliegen; erste gesteuerte Modelle waren das auf der Frauenmatt, damals noch ein Acker. Häufig gab es Probleme mit der Steueranlage, und die Motormodelle flogen teilweise bis nach Oberschopfheim oder zum Rüttihof. Später waren Fußball und Tennis wichtiger.
Den Flugschein machte der Diersburger zwischen 1998 und 2000. In der Fliegergruppe Offenburg engagierte er sich, war alles, vom Helfer bis zum Projektleiter, absolvierte viele Weiterbildungen; auch schon über Motorwartung und -reparatur, Kunststoffe und Holzverarbeitung. "Ich habe alle Lehrgänge gemacht." So lange, bis er fähig war, ein Flugzeug selbst zu bauen. Obwohl er erst einmal keinen Gedanken daran verschwendete, das in die Tat umzusetzen.
Die Initialzündung erlebte er 2005 bei der Aero Friedrichshafen, als er Flugzeugkonstrukteure traf. Seine Wahl fiel auf die erstmals 1994/95 von Giuseppe Vidor (Italien) konstruierte, gebaute und zugelassene ASSO V. Er besorgte sich die Pläne (27 Zeichnungen) und die Zulassungsunterlagen (alles auf Italienisch) des Konstrukteurs.
Neu konstruiert
Es war ein Ultraleichtflugzeug mit einem maximalen Abfluggewicht von 472 Kilo, doch mit zwei Personen und dem Sprit, wie es Orlik plante, wäre es überladen gewesen. Also konstruierte er es um. "Ich habe es dann neu berechnen lassen." Nun ist es für 750 Kilogramm zugelassen. Das sei weltweit das einzige ASSO V Flugzeug dieser Dimension.
Während der ganzen Zeit betreute ihn der Verein der Selbstbauer, die Oskar-Ursinus-Vereinigung (OUV). Die prüft den Flugzeugbauer in spe, ob er das überhaupt kann, erstellt Gutachten, auch während der einzelnen Ausbaustufen und begleitet auch das Verfahren der Anmeldung und Zulassung beim Luftfahrtbundesamtes. Viele Selbstbauer gibt es nicht, im Kreis ist Heribert Orlik erst der dritte oder vierte. Und der zweite in der Fliegergruppe. Deutschlandweit gibt es, schätzt Orlik, rund 60 Leute, die aktiv bauen.
Das Erstaunliche: Sein Flugzeug baute der Diersburger zu Hause. Die Flügel und das Leitwerk haben in einen Kellerraum gepasst, das Fenster war an der richtigen Stelle und hatte die richtige Größe, um die Teile durchzureichen. Heribert Orlik hat sie auf einem großen Tisch bearbeitet. Den Rumpf baute er in der Doppelgarage, dafür musste das Auto seiner Frau zwei Jahre im Freien stehen. Das hat sie nicht davon abgehalten, mitzufliegen. Ebenso wie ihr Sohn.
Hochwertiges Holz
Für Flügel, Rumpf und Leitwerk war feinjähriges, hoch belastbares Holz notwendig, das er von der Leistenfabrik Stark bezog. Orlik baute elf Rippensätze, jede Rippe in Form und Größe unterschiedlich. Die vorgeschriebenen Zug- und Druckproben zur Dokumentation der Holzqualität erfolgten an der Hochschule Offenburg. Die Schweißarbeiten verrichtete ein zertifizierter Schweißer aus Frankfurt/Oder. Und gegen Mäuse und Insekten gibt es einen Eindringungsschutz. Weitere Herausforderungen ("eine gewaltige Arbeit") waren die Herstellung der Rahmen der Cockpithaube und die Verklebung der Haube.
Das Bauen ging einher mit einem großen Papieraufwand: Checklisten, Wartungshandbuch, Dokumentationen. Und jedes Mal, wenn er das Holz mit dem Harz geklebt hat, das für die Luftfahrt zugelassen ist, musste er auch das dokumentieren: 10gr Kleber, 4gr Härter, das Klebegemisch.
Jedes Mal hat er eine Rückstellprobe gemacht und aufgehoben. Der Prüfer kann das jederzeit nachvollziehen. Das letzte Teil klebte der Diersburger feierlich am 23. März 2018 ein. Auch von der Familie bekam er Hilfe, für die er sehr dankbar ist. Jetzt steht die ASSO im Hangar in Offenburg. Das Flugzeug fliegen er und der Pilot Sascha Hofmann, der den Erstflug am 18. Juli 2020 und dann mit ihm die gesamte Flugerprobung vorgenommen hat.
All die Prüfungen und Gutachten begleiten auch das weitere Leben der ASSO. Jedes Jahr gibt es eine neue Zulassung, Voraussetzung dafür ist ein weiteres Gutachten eines Luftfahrtsachverständigen. "Das ist wie TÜV", sagt Heribert Orlik. "Der Weg ist das Ziel und der Weg ist lang." Dazu gab es andere Prüfungen wie den Belastungstest für die Flügel mit Zementsäcken – 1100 Kilo pro Seite. Bis zum Fliegen warten drei Gutachten notwendig. Und die Lackierung? Übernahm ein Fachmann in Hofweier, Orlik hängte seine Asso an die Anhängerkupplung seines Wagen und zog sie hin.
Ein wesentlicher Teil der Arbeit ist ihre Dokumentation. Der Titel: "Träumen, Bauen, Fliegen." Auch für Leute, die das einmal selbst bauen wollen. Da müsse es halt passen, von der Gesundheit, vom Beruf und von der Familie her. Das Interesse jedenfalls an seiner Maschine sei groß, der Austausch rege.
Würde er so etwas noch einmal machen? "Wenn ich zehn Jahre jünger wäre, dann sicher. Natürlich würden wir zuerst wieder in der Familie darüber sprechen. Das Bauen jedenfalls war schön."
Das Fliegen ist es auch: Wie lange hält so ein Flugzeug? Es ist auf 20 Jahre angelegt, sagt Orlik. Oder 3000 Flugstunden. 2000 Flugstunden (15 Jahre) darf beispielsweise der Motor fliegen. Allerdings besteht die Möglichkeit, dass ein Prüfer das Flugzeug danach wieder freigibt. Die strengen Prüfungen seien in Ordnung, sagt der Diersburger, "Sie können bei Problemen das Flugzeug ja nicht rechts anhalten und den Warnblinker setzen."
Bis nach Frankfurt/Oder
Die Reichweite der Asso reicht von Offenburg bis Frankfurt/Oder, etwa 1100 Kilometer, wenn alle drei Tanks voll sind.
Für ein Flugzeug dieser Art verlangt das Luftfahrtbundesamt Kompass, Höhen- und Geschwindigkeitsmesser. Die Asso hat das alles und viel mehr, die neuste Technik nämlich. Elektronische Karten, GPS, wird bedient außerdem von IPad und Smartphone. Einen Autopiloten gibt es außerdem. Die modernen Instrumente hat er sich in den USA besorgt, es sei das erste Flugzeug damit in Deutschland gewesen. Anschließend musste er "große Bedenken" des Luftfahrtbundesamtes überwinden, ob die auch sicher funktionieren. Die Elektronik (Leiterplatten) für sein Flugzeug hat Heribert Orlik selbst entwickelt.
Er flog die Asso extra nach Braunschweig, zum LBA-Amtssitz, und führte die Maschine vor. Der Weg hat sich gelohnt.
Heribert Orlik ...
... kam am 12. Januar 1954 zur Welt, ist in Diersburg aufgewachsen. Mittlerweile ist er Rentner, absolvierte Ausbildungen in Metallverarbeitung, Elektrik und Elektronik und war Prozessingenieur. 1980 baute er einen ersten Computer für sich, sein Vater war Schreiner, daher hat er wohl die "Holzgene". Er hat immer viel mit Holz gearbeitet. Heribert Orlik ist mit Ulrike verheiratet, ihr Sohn heißt Jeremias.