Gedenken an vertriebene Juden
Zu einer Gedenkfeier anlässlich des 75. Jahrestags der Vertreibung der jüdischen Mitbürger hatten am Freitag die evangelische Kirchengemeinde Diersburg und der Historische Verein Hohberg in die evangelische Kirche in Diersburg eingeladen.
Hohberg-Diersburg (alm). Am 22. Oktober 1940, dem letzten Tag des jüdischen Laubhüttenfests, ein Fest der Freude und des Erntedanks, wurden elf Diersburger Juden aus ihren Wohnungen geholt, auf Lastwagen nach Offenburg gebracht und dort im Schillersaal zusammengetrieben. Man ließ den Verhafteten eine Stunde Zeit, um sich auf eine Reise ins Ungewisse vorzubereiten. Jeder durfte einen Koffer und 100 Reichsmark mitnehmen.
Sehr eindringlich
Die Zeitzeugin Eva Mendelsson schilderte eindringlich den rund 120 Anwesenden in Diersburg das schlimme Schicksal der Deportierten. 1931 in Offenburg geboren, lebt Eva Cohn-Mendelsson in London. Bis zur Machtergreifung der Nationalsozialisten im Jahr 1933 lebten die Eheleute Cohn mit ihren drei Töchtern in Offenburg friedlich mit ihren christlichen Nachbarn zusammen. Der Vater Eduard Cohn wurde in der ersten Verhaftungswelle nach der Reichspogromnacht in Dachau interniert und bald wieder entlassen, mit der Auflage, Deutschland zu verlassen.
Die Mutter Silvia Cohn wurde im Oktober 1940 mit ihren Töchtern Myriam und Eva zusammen mit etwa 100 anderen Juden aus Offenburg in der Turnhalle der Schillerschule zusammengetrieben und einen Tag später zum Bahnhof transportiert.
Dort warteten Sonderzüge, um sie mit über 6500 Leidensgenossen in das südwestfranzösische Lager Gurs abzutransportieren. Hunger, Kälte, Nässe und Krankheiten ließen Hunderte bereits in den ersten Wochen sterben. Wer dieses Grauen überlebte, wurde später in den Vernichtungslagern von Auschwitz und Bergen-Belsen von den Nazis ermordet. »Was ist unser Verbrechen?«, war die Frage beim Anblick des Lagers in Gurs, »wie Lämmer auf dem Weg ins Schlachthaus sind wir aufgeteilt worden – hier die Frauen und Kinder bis 14 Jahre, dort die Männer und die älteren Kinder. Wir wurden am 24. Oktober 1943 in die Schweiz geschmuggelt«, so konnten die Schwestern Eva und Myriam von einer Hilfsorganisation gerettet werden und zogen 1945 zu ihrem Vater nach England.
»Ich muss die Geschichte immer wieder erzählen, damit sie nicht vergessen wird, und ich bin dankbar, dass ich mit ihnen in dieser würdevollen Feier das Gedenken teilen kann«, so Eva Mendelsson an das Publikum.
»Was mir Angst macht, ist, dass der Antisemitismus in diesen Zeiten wieder sein hässliches Gesicht zeigen kann«, sagte sie.
Ihr Appell: »Bitte, bitte, lasst nicht zu, dass sich all das Schlimme wiederholen kann!« Sie hatte ihre Nichte Madeleine Beresford, die Tochter von Myriam Cohn, aus New Jersey, USA, mitgebracht.
»Ich bin heute Abend ganz besonders berührt«, so Marliese Tascher, ehemalige Lehrerin aus Friesenheim, und löste damit bei Myriams Tochter Madeleine große Freude aus. »Dieser Abend weckt bei mir ganz viele Erinnerungen, ich bin die Sitznachbarin von Myriam, Eva Mendelssons Schwester.
Sie war in der Volksschule in Offenburg in meiner Klasse.« Der stellvertretende Bürgermeister Franz Klumpp und Pfarrer Ulrich Henze betonten, wie wichtig es sei, Mut und Kraft zu haben, um das Erinnern wachzuhalten und an die Wurzeln des Lebens zurückzukehren.
- Die Ausstellung mit vom Historischen Verein gestalteten Plakaten zur Diersburger jüdischen Geschichte kann bis Ende November in der evangelischen Kirche besichtigt werden.