Helene Bötzel aus Bohlsbach feiert ihren 100. Geburtstag
Helene Bötzel aus dem Dietrich-Bonhoeffer-Haus in Bohlsbach feiert am Fastnachtssonntag ihren 100. Geburtstag. „Tante Lenchen“ präsentiert sich auch heute noch schick, wie eh und je.
Helene Bötzel, die im Dietrich-Bonhoeffer-Haus in Bohlsbach lebt, feiert am Fasnachtssonntag ihren 100. Geburtstag. Die Jubilarin ist noch überaus fit. Sie wurde am 23. Februar 1920 im schlesischen Gottesberg, in der Nähe von Breslau, geboren. Dort ist sie mit ihrem Bruder Josef (Josi) aufgewachsen, dem Papa von Heidrun Biermann, ihrer Nichte. Sie und ihr Mann Karl Friedrich Biermann betreuen „Tante Lenchen“ seit Jahren liebevoll.
„Mein Vater war Kutschenbauer, hatte eine Firma, und baute Kutschen für die Herrschaften und Königshäuser“, erinnerte sich die Jubilarin. Dann wurde das Haus mit der Firma verkauft und die Familie zog ins Riesengebirge, zu den Großeltern. Vom Riesengebirge ging es einige Jahre später ins Isergebirge in den beschaulichen Ort Morgenstern.
Dort baute Helene Bötzels Vater einen Betrieb auf, in dem Rodelschlitten und Skier hergestellt wurden. „Einer dieser Rodelschlitten von damals steht heute noch bei uns in Offenburg“, erzählt die Nichte.
Noch heute sind die Kleider der früheren Schneiderin selbstgenäht, sie verändert auch immer noch Röcke.
Helene Bötzel besuchte in Morgenstern die Volksschule, dann die höhere Bürgerschule und erlernte anschließend den Beruf der Schneiderin. Hiervon zehrt sie heute noch, ihre Kleider sind selbstgenäht und sie verändert immer noch Röcke. „Ich hatte dann Lust, etwas anderes zu machen und fing als Stenotypistin in der Wirtschaftskammer an“, berichtet sie. „Dann brach der Krieg aus und ich wechselte ins Lazarett als Arztsekretärin, bevor wir von den Tschechen vertrieben wurden.“
Verschleppung, unmenschliche Behandlung: Die dann folgende Zeit im Lager will sie ganz schnell vergessen. „Dann war mir das Glück hold. Ein russischer Oberst holte mich aus dem Lager und ich durfte als Assistentin im technischen Labor arbeiten, da gab es zumindest mittags eine warme Suppe“, erzählt die Jubilarin.
Beim Fernsehen in Berlin
Helene Bötzels Vater verstarb im Krieg. Nach Kriegsende floh sie mit dem Oberst, ihrer Mutter sowie einem weiteren Hausbewohner nach Thüringen. Dieser Hausbewohner sollte ihr erster Mann werden, Karl. Er verstarb jedoch nach sechs Jahren. Als technische Sachbearbeiterin beim Fernsehen in Berlin lernte sie bald darauf in der S-Bahn ihren zweiten Mann kennen, einen Ingenieur, und wieder hieß er Karl.
Mit ihm verbrachte sie in einer Lebensgemeinschaft glückliche 55 Jahre. Sie wohnten in Berlin im Prenzlauer Berg, im damaligen Osten, bis Karl am 20. Oktober 2011 verstarb.
Nach einem Schlaganfall im Jahr 2013 wurde „Tante Lenchen“ nach Offenburg geholt, die Ärzte machten keine große Hoffnung auf ein Weiterleben. Es folgten nahezu zwei Jahre im Haus ihrer Nichte, 2015 erfolgte dann der Umzug ins Bodelschwinghaus, im September 2019 nach Bohlsbach.
Mit 100 Jahren noch ohne Brille die aktuellen Zeitschriften lesen können: Was will man mehr?
Ihre Augen glänzen, als „Tante Lenchen“ vom Zusammenleben mit Karl erzählt: „Bis zu meinem 80. Geburtstag sind wir sehr viel gereist, Kreuzfahrten, Flugreisen, Reisen mit dem Auto in Mittel- und Osteuropa, so lange es ging.“ Auf die Frage, wie man so lange fit bleibt, sagt sie: „Ich habe immer Sport gemacht: Gymnastik, Tennis, Skifahren, bin jahrelang mit Karl zum sonntäglichen Tanztee in Berlin-Friedrichshain gegangen und bin viel an der frischen Luft gewesen.“
Nicht zu vergessen sind auch die vielen Jahre im „Karlinchen“, einem Haus inmitten der Natur am Motzensee, 20 Kilometer außerhalb von Berlin, mit dem Eichkätzchen (Eichhörnchen) beim Frühstück auf der Bank.
„Es war mir immer wichtig, mich schön anzuziehen. Das machte wohl mein erlernter Beruf als Schneiderin aus“, sagte Helene Bötzel. Auch jetzt noch ist die Kleidung stets elegant. Dazu kann die Jubilarin ohne Brille die aktuellen Zeitschriften lesen – was will man mehr mit 100 Jahren?
„Am Sonntag werde ich 100! Ich freue mich auf einen schönen Tag, schon allein das Rauskommen aus dem Seniorenwohnheim bedeutet mir sehr viel“, so Helene Bötzel. Karl Friedrich Biermann sorgt mit ausgedehnten Fahrten und Spaziergängen im Grünen dafür, dass so ein Tapetenwechsel so oft wie möglich passiert.