Immer noch fit und agil: Amalie Herr feiert ihren 100. Geburstag
Amalie Herr feiert am Samstag ihren 100. Geburtstag. Auch wenn sie seit Februar 2023 im Vinzentiushaus betreut wird und daher offiziell in Offenburg wohnt, ist die putzmuntere, nach wie vor erstaunlich bewegliche und geistig völlig klare Hundertjährige Ortenbergerin durch und durch. Die Tracht, die sie fürs Pressefoto angelegt hat, gehörte ihrer Großmutter Franziska Gütle – die ihrerseits stolze 95 Jahre alt wurde und der Enkelin vielleicht die Langlebigkeit vererbt hat.
Als zweites von fünf Kindern am 3. August 1924 in Ortenberg geboren, wuchs Amalie Gütle, wie sie mit Mädchennamen hieß, in ihrer Heimatgemeinde auf. Bis heute stets schick und gepflegt liebäugelte die Jubilarin mit einer Ausbildung zur Friseurin. Die Lehrstelle war schon zugesagt, als der frühe Tod des Vaters mit nur 40 Jahren alle Pläne zunichtemachte. Nun fehlen die Mittel für das obligatorische „Lehrgeld“, das an den Ausbildungsbetrieb zu zahlen gewesen wäre. Amalie Gütle begann stattdessen, in einem Haushalt in Rust zu arbeiten und lernte früh ihren über alles geliebten ersten Ehemann Paul Pflüger kennen.
Sie war erst 17, als 1941 die Hochzeitsglocken läuteten. Wegen des Krieges schob man die Familienplanung erst einmal auf. Da sie bei der Arbeit nicht frei bekam, konnte Amalie Pflüger ihren Mann nicht einmal am Bahnhof verabschieden, als er in den Krieg ziehen musste. Er fiel „am Schalttag“, dem 29. Februar 1944. Wieder auf sich allein gestellt, wurde der jungen Frau in der Nachkriegszeit angeboten, „für die Franzosen“ zu arbeiten. Ein kulinarischer Glücksfall, wie sich schnell zeigte, denn „die Madame Colonel“, der sie im Haushalt half, war eine Spitzenköchin. „Es dauerte sechs Wochen, bis wieder das Gleiche auf den Tisch kam – und jedes Gemüse musste auf drei verschiedene Arten zubereitet werden!“, erinnert sie sich gern.
Amalie Pflüger lernte die hohe Kunst des Kochens lange bevor man in Deutschland das Wort „haute cuisine“ zum ersten Mal hörte. „Mein Mann hat davon profitiert“, lacht sie und meint damit ihren zweiten Ehemann Fritz Herr, Vater der beiden „gut geratenen“ Söhne Werner und Gero, den sie 1949 heiratete. Zehn Jahre älter als die Jubilarin verstarb er wenige Jahre vor Sohn Gero, der 2011 einer schweren Krankheit erlag. Bis heute vergeht kein Tag, an dem sie nicht an ihren jüngeren Sohn denkt, dessen Verlust einen schweren Einschnitt in ihrem Leben bedeutete.
Dass Amalie Herr ihr Leben lang eine überaus liebenswerte Frau war, die in jedem Alter und bis heute einen erstaunlich großen Freundeskreis hat, ist nicht zu übersehen: Oft besuchen sie Bekannte aus Ortenberg und zum Treffen der „Muettersproch-Gsellschaft“ im „Brünnele“ wird sie immer noch regelmäßig abgeholt. Von 70 Jahren Turnverein profitiert die Hundertjährige noch heute, wenn sie täglich ihre Gymnastikübungen absolviert. Sie ist Gründungsmitglied der „Fasentgemeinschaft Freies Montenegro“, ging immer gern zum Hausfrauenbund und hat als Aktive im Angelverein für das traditionelle Fischessen am Karfreitag unzählige „Zentner Kartoffeln geschält“.
Dass sie wegen ihrer Erblindung vor etwa fünf Jahren ihre geliebten Handarbeiten nicht mehr machen kann, schmerzt Amalie Herr. Indes: „Ich nehme das Leben, wie es kommt, und bin zufrieden“, beschreibt sie ihre Lebenseinstellung. Das Programm von SWR4 hört sie gern und ihre langjährige Betreuerin im häuslichen Umfeld, Regina Hoog, die längst zu einer guten Freundin geworden ist, liest die Zeitung vor. „Sie ist mein Sonnenschein“, lobt die Jubilarin die treue Weggefährtin, die auch den „Tag der offenen Tür“ im Vinzentiushaus vorbereitet hat.