Mehr Arbeit, weniger Ertrag: Weinlese unter Extrembedingungen
Über 50 Prozent Ernteeinbußen: Beim Herbstgespräch der Offenburger Winzer wurde deutlich, dass die Saison "brutal schwierig" war. Zu schaffen macht ihnen auch das Kaufverhalten der Kunden.
„Noch ein 2024 würden wir als Biobetrieb nicht überstehen“, verdeutlicht Stefan Huschle vom Weingut Franckenstein beim Herbstgespräch der Offenburger Winzer. Franckensteins Monster dieses Jahr: Der plötzliche Frost in der Nacht des 23. Aprils in Verbindung mit extremen Niederschlagsmengen in den darauf folgenden Monaten. Die Pflanzen, die nicht den Kältetod starben, wurden anschließend durch die anhaltende Nässe von Pilzinvasionen bedroht. Über 50 Prozent Ernteeinbuße im Vergleich zum Vorjahr musste Huschle hinnehmen. „Das war ein brutal schwieriger Jahrgang. Aber“, fügt er hinzu, „das Wenige, was wir in den Keller bringen konnten, macht richtig Spaß. „So ein geniales Aroma beim Grauburgunder hatte ich selten. Sehr mineralisch und erfrischend.“
Preiserhöhungen
Frostration und Aufreg(n)ung waren auch bei den anderen Winzern deutlich zu spüren. Zugleich zeigten sich die Betriebe stolz darauf, das Beste aus den Bedingungen herausgeholt zu haben. Eine kurze Lesezeit mit geringeren Alkoholgehalten sowie Qualität vor Quantität war das bestimmende Motto der diesjährigen Weinsaison. Als Folge seien punktuelle Preiserhöhungen nicht abzuwenden, wobei „der sensible Markt wenig Luft nach oben lässt“, sagt Matthias Wolf vom Weingut Schloss Ortenberg besorgt.
„Mit dem Klimawandel müssen wir uns darauf einstellen, dass Wetterextreme der neue Alltag werden. In den vergangenen Jahren hatten wir mit immenser Trockenheit zu kämpfen. Aber 2024 war definitiv das herausforderndste Jahr unserer Geschichte“, beschreibt er die Saison. „Wir haben auf Bio umgestellt und sind direkt in die Feuertaufe geraten. Unsere Mitarbeiter sind auch an Sonn- und Feiertagen für den Pflanzenschutz ausgerückt und haben die Trauben handverlesen.“ In den Fässern lagere nun weniger als die Hälfte der geplanten Menge.
„Auch wir haben, verglichen mit 2023, knapp 50 Prozent weniger Ertrag erzielt. Dafür ist das Niveau hoch. Andersherum wäre es schlimmer – die Keller vollgestopft mit bescheidenen Weinen“, kommentiert Mathias Renner vom Familien-Weingut Renner. „Dankbar bin ich für meine flexiblen Erntehelfer, auf die ich mich wirklich verlassen konnte. Auf den Wetterbericht leider kaum: Ständig wurde ein trockener Tag angekündigt, und sobald wir in den Reben waren, zog der Regen vom Elsass herüber und hörte sechs Stunden lang nicht auf.“
Eva Niederhöfer von der Ortenauer Weinkellerei stimmte in den Klagegesang ein: „Die Wettervorhersage dieses Jahr war unterirdisch schlecht.“ Trotz angekündigten Sonnenscheins habe es an 17 von 20 Lesetagen geregnet. „Daher war es kompliziert zu entscheiden: Holen wir die Traube jetzt rein oder warten wir noch? Letztlich haben wir das als Team gut gemeistert“, betont Niederhöfer. „Was den Frost angeht, hatten wir Glück. Wir haben auch Flächen im Breisgau, die von der Aprilkälte verschont wurden. Bei uns steht am Ende rund 60 Prozent der Ernte im Vergleich zu 2023 im Keller.“
Umso härter hat es die WG Rammersweier getroffen, wie Georg Lehmann erzählt: „39 Kilogramm pro Ar haben wir geerntet. Normalerweise sind es 115 – ein Ausfall von 75 Prozent. Wenn ich die leeren Tanks im Keller sehe, bekomme ich schon Pipi in den Augen.“
Aber gute Qualität
Ähnlich ergeht es Jochen Basler vom Weingut Pieper-Basler. „Bei einigen Sorten hätte ich auf die einzelnen Trauben einen Finderlohn aussetzen können“, meint er. „Wir konnten nur ein Drittel unserer normalen Ernte einlagern. Wirtschaftlich war die Lese Nonsens. Aber für die Qualität hat es sich gelohnt“, findet Basler. Der Winzer mit einer Leidenschaft für französische Kulinarik hat erstmalig einen „Melon de Bourgogne“ aus der Loire-Region angebaut und sich damit ein Alleinstellungsmerkmal unter deutschen Weinbauern geschaffen.
Florian Streif spricht für die Weinmanufaktur Gengenbach-Offenburg. Das Extremjahr 2024 habe für viele Weinbauern Überstunden bei deutlich geringerem Einkommen bedeutet. „Für einige Winzerfamilien ist das existenzbedrohend.“ Verschärft würde die Lage durch das Konsumverhalten der Verbraucher. Der Marktanteil von deutschem Wein belaufe sich auf rund 40 Prozent. Deutsche Konsumenten würden deutlich mehr billigen und ausländischen Wein kaufen, wie Streif bedauert. Sein Appell: „Ein nachhaltig angebauter heimischer Wein hat seinen Preis. Den ist er aber auch wert.“ Ähnlich sieht es Huschle: „Die Lage am Fuße des Schwarzwaldes, der mineralhaltige Boden und die kühlen Winde machen die Ortenauer Weine einzigartig. Das müssen wir den Menschen zukünftig stärker vermitteln.“
Jochen Basler ergänzt: „Komischerweise muss ich nirgendwo so viel über Preise reden wie mit den Käufern aus der Region. Letztlich haben die Menschen vor Ort es mit ihrer Kaufentscheidung in der Hand, die schöne Kulturlandschaft der Ortenauer Reben zu erhalten. Ansonsten wird es künftig in den romantischen Weinbergen wohl immer mehr Löcher geben.“