Offenburg

Moschee-Vertreter verklagt Offenburger Zeitung

Christian Wagner
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12. November 2016
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©Ulrich Marx

Sitten à la Erdogan in Offenburg? Erst kündigte Moschee-Vertreter Süleyman Sögütlü aufgrund einer Veranstaltung der Grünen zum Thema Türkei die Zusammenarbeit mit den Gruppierungen am Bürgerpark auf. Als die Offenburger Medien darüber berichteten, stellte Sögütlü Gegendarstellungs- und Schmerzensgeldforderungen. OT-Redaktionsleiter Wolfgang Kollmer wertet dies als Einschüchterungsversuch und Angriff auf die Pressefreiheit.

 Die Türkei nimmt unter Präsident Recep Tayyip­ Erdogan eine Entwicklung, die von vielen mit großer Sorge gesehen wird. Regimekritiker werden mit Strafanzeigen gemaßregelt, aus ihren Ämtern entfernt oder festgenommen, wie Medien berichten. Auch den deutschen Satiriker Jan Böhmermann würde Erdogan für dessen Schmähgedicht wohl gerne hart bestraft sehen.

Vor diesem Hintergrund ging unsere Zeitung im Vorfeld des Tages der offenen Tür in der Offenburger Moschee in einem Gespräch mit Süleyman Sögütlü, Vorstandsmitglied im türkisch-islamischen Verein und Mitglied im Integrationsbeirat, der Frage nach, ob der lange Arm Erdogans bis nach Offenburg reicht. Für Politik sei in der Moschee kein Raum, lautete Sögütlüs Antwort in dem am 1. Oktober im Offenburger Tageblatt erschienenen Artikel. 
Diese Aussage passt allerdings gar nicht mit einer E-Mail zusammen, die Sögütlü nahezu zeitgleich an die Gruppierungen der Innenstadt versandte und die der OT-Redaktion vorliegt. Darin kündigte er die Zusammenarbeit mit eben diesen Einrichtungen auf. Als Grund nennt er eine politische Veranstaltung der Grünen im Stadtteil- und Familienzentrum Innenstadt (siehe »Chronologie«).

Öffentliche Verhandlung

Aus Sicht von OT-Redaktionsleiter Wolfgang Kollmer ist klar, dass sich Sögütlü an dem türkeikritischen Vortrag der Grünen gestört und Druck aufgebaut hat. Dieses Vorgehen gegen eine nicht gefällige politische Veranstaltung wertet Kollmer als Attacke gegen die Meinungsfreiheit. Ein Angriff auf die Pressefreiheit folgte laut Kollmer gleich hinterher: Als die Badische Zeitung und das Offenburger Tageblatt Sögütlüs Gebaren öffentlich machten, schwang dieser die juristische Keule und stellte, vertreten von Anwalt Dirk Knop (Offenburg), Gegendarstellungs-, Unterlassungs- und Schmerzensgeldforderungen.  

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Während die Badische Zeitung eine Gegendarstellung abdruckte, gab es zwischen dem Offenburger Tageblatt und Sögütlü in dieser Sache keine Einigung. Deshalb kommt es am Dienstag, 15. November, um 9.30 Uhr zu einer öffentlichen Verhandlung vor dem Landgericht Offenburg. Nach Überzeugung von Kollmer ist die Redaktion ihrer Sorgfaltspflicht in jeder Weise nachgekommen und hat dabei auch sämtliche tangierten Rechte, vor allem auch die Persönlichkeitsrechte, berücksichtigt. Kollmer bekräftigt, die Medien­ müssen das Recht behalten dürfen, darüber zu schreiben, was ist. 

»Hier wird eine wirkliche Integration der Orientierung an Erdogan geopfert«, sagt Stefan Böhm einigermaßen fassungslos. Der Grünen-Stadtrat hat sich für viele Anliegen der Türkischen Gemeinde stark gemacht. Auf seinen Antrag hin wurde beispielsweise auf dem Offenburger Friedhof ein moslemisches Gräberfeld eingerichtet. Ali Yildirim, der Vorsitzende des türkisch-islamischen Vereins, bezeichne­ ihn »als Freund«. »In Moscheeangelegenheiten hat Ali Yildirim mehr als einmal bei mir morgens um 7 Uhr angerufen und mich um Rat gefragt«, berichtet Böhm von engen Verbindungen. Und nun sieht ausgerechnet er sich aufgrund von Aussagen in einer Pressemitteilung von Sögütlü zu einer Unterlassungserklärung aufgefordert. 

»Erinnert mich an 1933«

Böhm betrachtet die Entwicklung kritisch: »Verbindungen werden gekappt, mich erinnert die Stimmung an 1933.« Es gebe Leute, die Angst hätten und die Moschee meiden, berichtet Böhm. Diese Aussage deckt sich mit Informationen des Offenburger Tageblatts, wonach auf erdogan-kritische Moscheebesucher massiv Druck ausgeübt wird. Böhm fragt angesichts von Sögütlüs Verhalten: »Findet hier Integration auf der Basis des deutschen Grundgesetzes statt?«
Der Stadtrat vermisst außerdem eine klare öffentliche Positionierung der Stadt als Hausherrin des Stadtteil- und Familienzentrums »gegen diesen Anschlag auf die Meinungsfreiheit«. »Ich weiß sehr wohl zu unterscheiden zwischen hartnäckigen Erdogan-Anhängern und vielen türkischstämmigen Bürgern, Kollegen und Schülern und bin sehr traurig, dass hier Mauern hochgezogen werden, die sehr viele bisherige Anstrengungen kaputt machen«, sieht Böhm durch die Aktion viel Porzellan zerschlagen.

Von Sögütlü wollten wir wissen, wie er sein Vorgehen erklärt und wer für seine Anwaltskosten aufkommt. Er ließ unsere E-Mail-Anfrage unbeantwortet.­ Stand heute entstehen geschätzte Anwalts- und Gerichtskosten von rund 11 000 Euro.

Hintergrund

Chronologie

1. Oktober: In einem Artikel zum Tag der offenen Moschee im Offenburger Tage­blatt äußert Süleyman Sögütlü, dass in der Moschee für Politik kein Raum sei.
2. Oktober: »Guten Tag Herr Kälble, wie ich Ihnen telefonisch mitgeteilt habe werden wir nicht teilnehmen und zukünftige Zusammenarbeit müssen wir leider stilllegen es ist schade dass wegen politischer Versammlung von Grünen in Räumen von Familienzentrum Innenstadt passiert ist.« Mit dieser E-Mail an den Leiter des Familienzentrums Innenstadt kündigt Sögütlü die Zusammenarbeit mit den Gruppierungen am Bürgerpark auf und sagte die Teilnahme am Helferfest ab. Nach Intervention von Simone Golling-Imlau von der Bürgergemeinschaft Stadtmitte lenkt Sögütlü noch am gleichen Tag ein und schreibt: Die sehr gute Zusammenarbeit solle weiter bestehen bleiben.
4. Oktober: Dem internen Verteiler des Helferfests gehört auch Heidi Ast an. Die freie Journalistin macht Sögütlüs E-Mail mit dem Artikel »Mail aus der Moschee stiftet Verwirrung« in der Badischen Zeitung (BZ) öffentlich.
8. Oktober: Das Offenburger Tageblatt veröffentlicht eine Pressemitteilung der Grünen. Darin heißt es, Sögütlü habe dem Leiter des Stadtteilzentrums deutlich gemacht, dass er den Grünen das Stadtteilzentrum nicht für eine erdogan-kritische Veranstaltung hätte überlassen dürfen. Weiter: Es sei »völlig inakzeptabel«, dass ein führender Vertreter des Moschee-Vereins auf eine städtische Einrichtung Druck in Richtung Einschränkung der freien Meinungsäußerung ausüben wolle.
13. Oktober: Sögütlü fordert vom Reiff Verlag per Anwalt eine Gegendarstellung sowie eine Unterlassungserklärung. Er habe nicht von einer »erdogan-kritischen Veranstaltung«, sondern von einer »politischen Veranstaltung« gesprochen. 
15. Oktober: Das Offenburger Tageblatt kritisiert das Verhalten des Moschee-Vertreters im »Stadtgeflüster«.
17. Oktober: Auch hierzu fordert Sögütlü-Anwalt Dirk Knop eine Gegendarstellung und Unterlassungserklärung. 
21. Oktober: Die BZ druckt eine Gegendarstellung ab.
24. Oktober: Stefan Böhm hat eine Unterlassungserklärung unterschrieben und erklärt per E-Mail: Sögütlü habe nicht von einer erdogan-kritischen Veranstaltung gesprochen, auch wenn die Veranstaltung »entschieden erdogan-kritisch war«.
15. November: Der Reiff Verlag hat die geforderten Gegendarstellungen, Unterlassungserklärungen und Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 7500 Euro abgelehnt. Das Landgericht wird am 15. November über den Fall befinden. 

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