Neuer Roman von Urs Faes spielt im Harmersbachtal
»Rein zufällig habe ich die Erzählung ›Raunächte‹ im Radio gehört und war begeistert«: Auf diese Weise stimmte Stefanie Vollmer im Namen des Bildungswerkes die Gäste auf das ein, was ihnen der Schweizer Autor Urs Faes im vollbesetzten Gasthaus »Vogt auf Mühlstein« bot.
Rund 70 Zuhörer aller Altersstufen hatten sich am Freitagabend zur Lesung des bekannten Suhrkamp-Autors Urs Faes im Gasthaus auf dem Mühlstein eingefunden. »Vielleicht haben Sie das Knarren, Knarzen, Stöhnen gehört – des Sturms, des Regens«, wandte der sich an seine Zuhörer, »willkommen meine Damen und Herren in den Raunächten.«
Er selbst hatte all diese Geräusche gehört, dazu der Ruf des Käuzchens. Vor drei Jahren war das, als ihn eine Freundin aus Offenburg in die Nähe des Mühlsteins geführt hatte. »Das sind die Raunächte«, wurde ihm, der den Begriff bis dato nicht kannte, damals beschieden. Seither hat sie ihn nicht mehr losgelassen, jene Zeit zwischen dem ersten Weihnachts- und dem Dreikönigstag.
»Die Raunächte gehen zurück auf die germanische Zeit mit dem alten Mondjahr, das zwölf Tage als Schalttage brachte«, erklärte der 70-Jährige dem Publikum. Wobei diese Niemandszeit zwischen den Jahren früher als »eine Zeit der Unordnung galt, als eine Zeit des Chaos, eine Zeit der bösen Geister.«
Die versuchte die Bevölkerung mit allerlei Bräuchen zu vertreiben, bei denen die Frauen eine wichtige Rolle spielten. Überhaupt seien die Raunächte eine Domäne der Frauen gewesen, so Faes, der auf die für diese Übergangstage wichtige Sagengestalt der Frau Perchta respektive der Frau Holle verwies.
Doch nicht nur diese geheimnisvolle Zwischen-Zeit hatte den Autor in den Bann gezogen, der für seine Bücher viele Auszeichnungen erhalten hat und 2017 auf der Shortlist für den Schweizer Buchpreis stand. Auch die hiesige Landschaft faszinierte ihn. Derart, dass er hier seit drei Jahren auf ausgedehnten Wanderungen Land und Leute erkundet.
Was ihn zudem auf die Geschichte »Vogt auf Mühlstein« stoßen ließ – jene unglückliche Liebesgeschichte, die sich 1780 tatsächlich zugetragen und die der Heimatschriftsteller Heinrich Hansjakob (1837 – 1916) für die Nachwelt festgehalten hat.
»Einer kehrt zurück«
All dies verwob Faes zu der im Harmersbachtal angesiedelten 15-seitigen Erzählung »Einer kehrt zurück«. Mit der Ausstrahlung in einer SWR-Literatursendung sorgte die für Furore, so dass der Autor sie zu einem Roman ausbaute. Der wird im Sommer im Suhrkamp-Verlag erscheinen. »Sie erleben hier also eine Vorpremiere« meinte der Autor und las zweimal je eine Viertelstunde Kostproben aus einer ebenso berührenden wie dramatischen Lebens- und Liebesgeschichte um zwei einstmals enge und dann völlig zerstrittene Brüder.
»Eine Geschichte von Schuld und Verzeihen«, resümierte Stefanie Vollmer mit abschließendem Dank, »dabei haben Sie es verstanden, unsere schöne Schwarzwaldlandschaft und die mystische Zeit der Raunächte so zu beschreiben, dass man meint, dabei gewesen zu sein.«
Viel Applaus auch erhielt Roland Jäckle aus Hausach, der die Lesung mit Gitarrenspiel begleitete.