Offenburger Lesesommer: Autor Jens Rosteck macht den Auftakt
Am Montag, 7. August, startet der Offenburger Lesesommer. Bis Freitag lesen jeden Abend fünf Freiwillige im alten Kapuzinerkloster aus ihrem Lieblingsbuch vor. Der Eintritt ist wie immer frei. Wir stellen von jedem Abend einen Vorleser vor. Den Auftakt macht der Musikwissenschaftler und Buchautor Jens Rosteck (54).
Ich kann sogar langsam lesen«, sagt Jens Rosteck. Das gibt ihm die Möglichkeit, seinen Beitrag wirkungsvoll zu inszenieren; dazu gehört das langsame Lesen, das macht es noch intensiver. Die Kurzgeschichte, die der Musikwissenschaftler und Autor vorstellen will, dauert zum Lesen nämlich keine 15 Minuten. Das ist die maximale Zeit, die die Vorleser ab nächsten Montag, 7. August, beim Offenburger Lesesommer haben.
Die Geschichte »Der Garten« von Paul Bowles gefällt ihm, »weil sie jeder versteht«. Neben der schlichten Sprache spreche auch die sehr übersichtliche Zahl der Figuren für die Parabel. Für ihn zu einem geeigneten Beitrag für den »Lesesommer« macht die Geschichte, weil sie »unter die Haut geht«. Sie handelt vom Schönen, von dem, was einen begeistert – und dass die anderen das oft nicht sehen könne. Düster und melancholisch ist die Geschichte, wie alle von Bowles. Mit dem hat sich der Musikwissenschaftler länger beschäftigt. »Er war ein erfolgreicher Komponist«, sagt er. Doch irgendwann ließ er sich in Marokko nieder und hatte keine Lust mehr, nach New York zum Broadway zu reisen, um das Einstudieren seiner Bühnenstücke zu überwachen. »Dann begann er zu schreiben«, so Rosteck.
Seine Frau war bereits Schriftstellerin, und auch Bowles selbst gelang mit »Himmel über der Wüste« gleich ein viel beachteter Roman. »Seine Geschichten sind alle schwermütig, morbide und skurril, fast im Stile eines Edgar Allan Poe«, sagt der Experte. Dies stehe im Kontrast zu Bowles Musik: Die kommt als leichte, fröhliche Unterhaltung daher.
Besonders gespannt ist Rosteck auf die Atmosphäre beim Lesesommer. Er kennt ihn nämlich noch nicht: »Ich bin erst vor zwei Jahren nach Zell-Weierbach gezogen, und im vergangenen Jahr war die Veranstaltung ja ausgefallen.« Trotzdem hat er sich gerne bereiterklärt, aufs Podium zu sitzen, als er angefragt wurde: Sibylle Reiff-Michalik, Leiterin der Stadtbibliothek, wollte ihn nämlich als den »Promi-Vorleser« gewinnen. Kennengelernt hatte er sie, als er im vergangenen Jahr sein neustes Buch über Jacques Brel in der Stadtbibliothek vorgestellt hatte.
Obwohl er selbst viel beachtete Bücher geschrieben hat – etwa über Edith Piaf oder Jacques Brel –, die das Kriterium erfüllen und aus denen er lesen könnte, wollte er das nicht. »Lieber etwas nach Neigung«, sagt er. Wichtig war ihm zudem, eine abgeschlossene Geschichte zu präsentieren: »Es ist einfacher, wenn es ›rund‹ ist.« Wenn er ihnen dann einen neuen Autoren vorgestellt hat, den sie interessant finden, können sie den Roman oder weitere Kurzgeschichten lesen.
Guter Ausgangspunkt
In Offenburg hat der Wissenschaftler nicht nur den Literaturbetrieb verfolgt – er nutzt seine neue Heimat auch als strategischen Ausgangspunkt für seine weiteren Forschungen und Arbeiten. »Ich bin schnell in Straßburg oder Paris«, sagt er. Aktuell beschäftigt er sich mit Joan Baez: Er setzt die Songs der amerikanischen Pazifistin und Bürgerrechtlerin in Zusammenhang mit ihren Lebensphasen und Anliegen. »Sie wird wenig beachtet, obwohl die 75-Jährige etwa in Frankreich bei ausverkauften Konzerten weiterhin auf der Bühne steht«, sagt er. Seine Monografie über die Sängerin, die im September erscheint, soll dies ändern. Und weil er gerade die Druckfahnen Korrektur liest, freut er sich über die Abwechslung, die der Lesesommer ihm bieten wird: »Das Reizvolle daran ist, einmal etwas anderes zu machen.«