Orgelklang in St. Marien vor duftenden Kräuterbüscheln
Die liebgewordene Tradition der Orgelkonzerte von Bezirkskantor Matthias Degott lockte mehr als 120 Zuhörer in die Gengenbacher Kirche St. Marien. Das Konzert wird am Sonntag, 19 Uhr, an selber Stelle wiederholt.
Zur Begrüßung konnte sich Matthias Degott am Dienstagabend hinter einem Meer barocker Kräuterbüschel im Altarraum dem gespannten Publikum präsentieren.
Für die vorgesehene Darbietungszeit von einer Stunde hatte er zehn Orgelwerke aus fünf Jahrhunderten ausgewählt.
Mit Johann Sebastian Bach (1685 bis 1750) zu Beginn und Franz Liszt (1811 bis 1886) zum Finale bildeten die zwei bekanntesten Komponisten des Programms den äußeren Rahmen.
»Präludium und Fuge h-moll« von Bach, dem Urvater der Orgelmusik, spielte Degott frisch und stringent.
Schon nach den ersten Takten des Präludiums fühlte sich der Zuhörer weltentrückend eingebettet zwischen die akustisch glitzernde Orgelsonne aus der Empore und dem direkt vor dem Angesicht golden schimmerndem Hochaltar.
Programm kontrastreich
Hin und wieder strömte gar der Duft der prächtigen Kräuterbüschel durch den weiten Kirchenraum. Das Gesamtprogramm war sehr kontrastreich ausgelegt und ermöglichte so eine äußerst differenzierte Wahrnehmung des orgeltechnischen Ausdrucksreichtums.
So erklang nach Bachs mit »Freu dich sehr, o meine Seele« von Justin Heinrich Knecht (1752 bis 1817) ein sehr ruhiges meditatives Werk.
Kontraste setzten schon die vier alternierenden Sätze zwischen Adagio und Allegro in Johann Gottfried Walthers (1684 bis 1784) »Concerto del Sigr. Telemann«.
In feiner Virtuosität tänzelte das Allegro im 2. Satz. Im abschließenden Allegro des 4. Satzes glaubte der Zuhörer geradezu, dem dynamisch verhaltenen Spiel eines Streicherensembles beizuwohnen.
Das Grundthema kannten regelmäßige Gottesdienstbesucher als musikalische Begleitung des Kommunionempfangs.
Aber Louis J. A. Lefébure-Wélys (1817 bis 1869) Communion F-Dur überraschte durch faszinierende Tonschmelzen. Immer wieder tauchte die fagottähnliche Grundmelodie warm modulierend auf.
Eine mächtige lodernde Melodienpracht schenkte das »Tonstück für die Orgel« von Nil Wilhelm Gade (1817 bis 1890).
Mit György Ligetis (1923 bis 2006) »Cantabile« und »Vivace« aus »Musica ricercata« hörten die Zuhörer zwei Werke aus dem 20. Jahrhundert.
Auf schier endlos dunklem Wellengang schwebte leicht und hell die Titelmelodie, hob sich zum Finale mit höheren Wellen in schwindelerregende Höhen und klang unendlich einsam aus.
Rasant und fremdartig entwickelte sich dagegen das Stück »Vivace«. Jubelnde Höhen tauchten auf aus raunendem Grummeln. Ein letzter Hochjauchzer setzte den Schlusspunkt.
Nicht eingängig, eher verstörend zeigte sich das ebenfalls aus Ligetis »Musica ricercata« stammende »Andante misurato e tranquillo« als vorletztes Programmstück.
Dafür brachte das »Präludium und Fuge über den Namen B-A-C-H« von Franz Liszt (1811 bis 1886) das komplexe Finale.
Liszt demonstriert mit opulenten Einfällen und unendlichen Verzierungsvarianten nicht nur die Klangmacht der Orgel, sondern ehrt Bach als Vorbild und Meister aller Orgelkomponisten.
Zart und drängend
Im letzten Programmstück aber durfte Degott seine überragende Spieltechnik und Musikalität zeigen. Zart verspielte Variationen folgten auf jagend drängende Tonballungen.
Immer wieder starteten dynamische Anläufe, doch stets verebbten diese in sacht ziselierende Verästelungen, bis dann doch das letzte goldschimmernde Klanggebilde aus dem hohen Kirchenraum ein letztes Mal vibrierend stand.
Stille.
Dann belohnte Beifall den sich an der Brüstung zeigenden Organisten Matthias Degott. Am kommenden Sonntag wird das Konzert um 19 Uhr wiederholt.