Hohberg

Schmalenberg und die Kuh

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05. Mai 2020

Wild romantisch und ein Märchen: Die Burg Diersburg soll der Fundort eines Büchleins mit märchenhaften Geschichten sein. ©Archiv

Zauberhaftes auf dem Zwischenreich von Traum und Wirklichkeit. In den märchenhaften Geschichten aus der Vorbergzone geht es heute um einen etwas derangierten Apotheker.

Man schrieb das Jahr 1866 oder ‘67, als ein Hütejunge unter den Steinen der Burg Diersburg ein  seltsames Büchlein fand. Es war ganz abgewetzt und in Ziegenleder gebunden, aber unversehrt. Drinnen standen wilde Geschichte, die ein gewisser Freiherr Ferdinand von Spom geschrieben haben wollte. Niemand hatte seinen Namen je gehört, aber die Geschichten geistern seitdem durch die Vorbergzone. Auch mir erschienen manche von ihnen im Traum. Ich überlasse sie Ihnen zu Ihrem Vergnügen…

Noch eine Vorbemerkung, dann geht es los: Wir brauchen unser Gesundheitspersonal dringend in diesen Tagen. Ausfälle können wir uns nicht erlauben. Also seien wir froh, dass diese Geschichte im 18. oder 19. Jahrhundert spielt und nicht heute. 

In der Vorbergzone lebte ein Apotheker, der hieß Schmalenberg. Er entstammte einer alten Familie von Pillendrehern. Ihre Apotheke hatten sie in einem schmucken Haus am Marktplatz – direkt hinter dem Brunnen. Das Haus war mit Blattgold verziert und mit blauer Farbe geschmückt. Die Schmalenbergs waren ein stolzes Geschlecht von Apothekern. Bis sie eines Tages ihre Apotheke verkauften und die kleine Stadt fluchtartig verließen. Und das kam so:

Ein Stöhnen

Eines Abends ging der Apotheker Schmalenberg an der Burg Diersburg spazieren – da hörte er ein schauerliches Stöhnen in dem alten Gemäuer. Der Mond schien rund durch die verwitterten Fensterbögen, ein Käuzchen schrie, die Kirchenglocke in der Stadt schlug 12 Uhr – Mitternacht. Und gleich darauf hörte der Apotheker wieder das schauerliche Jammern in der alten Burg.

Schmalenberg war ein nüchterner Mensch – Naturwissenschaftler und Kaufmann durch und durch. Das Stöhnen beunruhigte ihn nicht weiter, es machte ihn neugierig. Er ging durch den Torbogen. Plötzlich verwandelte sich die alte Ruine vor seinen Augen in eine stattliche Burg. Schmalenberg schaute sich um – er sah einen prachtvollen Speisesaal mit einer langen Eichentafel und vielen erlesenen Köstlichkeiten darauf... und er sah ein Gespenst, das direkt auf ihn zu schwebte. Gespenster kamen in Schmalenbergs wissenschaftlichen Welt nicht vor – normalerweise hätte er den Gedanken an Gespenster weit von sich gewiesen. Aber das Gespenst war kein Gedanke – es war echt. Und deshalb gefror ihm jetzt, als der Apotheker es sah, das Blut in den Adern. »Ich bin Übelwand«, grollte der Geist. Dann schwieg er – so, als wäre damit schon alles gesagt. Für Schmalenberg war auch alles gesagt, er kannte Übelwand. »Oh, äh«, antwortete der Apotheker deshalb schnell, » Übelwand – waren Sie nicht der Erfinder der Bilder, die man auf die Rückseite der Leinwand malte?«
»Genau«, antwortete der geisterhafte Übelwand geschmeichelt. Schmalenberg nutzte die Gunst der Stunde und fuhr ermutigt fort: »Und Sie haben hier auf der Burg, als sie, äh, noch eine echte Burg war, eine Kunstschule errichten wollen«.

»Ja«, knurrte der Geist wütend, »und warum habe ich sie nicht errichtet, he? Nun, warum nicht? Weil Ihr UrUrUrUrgroßvater, der olle Johannes Nepomuck Schmalenberg, die Kunstschule im Gemeinderat lächerlich machte! Schmaaaalenberg, ich hasse Schmaaaaaaalenberg!«, grollte der Geist gedehnt. Den Apotheker schauerte es. Übelwand fuhr fort: »So – und jetzt werde ich Sie unterrichten.«

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Der Apotheker Schmalenberg riss Augen und Mund auf – und schloss den Mund wieder, ohne einen Ton herauszubringen. Das Gespenst fuhr fort: »Beginnen wir mit unserer ersten Lektion«, und warf dem Apotheker einen Zeichenblock und eine Blechschachtel mit stummeligen Zeichenstiften in den Schoß. »Los, zeichnen. Eine Kuh!« »Eine Kuh?«, fragte Schmalenberg verdattert. »Jawohl. Schon mal was von ihr gehört? Ein Tier mit Euter. Und bitte, das Euter peinlich genau zeichnen«, blieb Übelwand unerbittlich.

Schlampig gezeichnet

So machte sich der Apotheker an die Arbeit. Das Gespenst schwebte in der Zwischenzeit vor ihm auf und ab. Als Schmalenberg fertig war, riss ihm das Gespenst den Block aus den Händen und schrie: »Liederlich! Unglaublich, was für eine Schlamperei! Noch einmal von vorne. Und wenn ich noch mal so ein schlampiges Euter sehe, werfe ich dich sofort die Burgzinnen hinunter!« 

Was soll ich euch sagen? Schmalenberg zeichnete die ganze Nacht. Kühe, Kühe, Kühe. Und Euter. Es war zum Verrücktwerden. Gespenst Übelwand war mit nichts zufrieden – einmal war ihm das Horn zu krumm, ein anderes Mal die Klaue zu schief, aber immer war das Euter nicht genau genug. Am Euter hatte Übelwands Geist einen Narren gefressen.

 
Als es dämmerte, war das Gespenst plötzlich verschwunden. Schmalenberg merkte es allerdings erst eine ganze Zeit später, weil er in die letzte Kuh vertieft war. Der Apotheker erhob sich steif, um seinen Schemel herum lag eine Menge zerknüllter Zeichenblätter; und alle waren mit Kühen gefüllt. Furchtbar. 

Schlechter Schlaf

Seither wachte Schmalenberg jede Nacht um Mitternacht auf und lag dann bis zum Morgengrauen wach. Er konnte kaum mehr schlafen, dachte ohne Unterlass an Kühe. Und wenn er auf der Weide ein Hornvieh sah, rannte er schreiend davon. Es war fürchterlich. Und es wurde immer schlimmer. Schmalenberg wurde wenige Wochen nach dem Erlebnis mit dem Gespenst auf der Burg vollkommen verrückt. Der ehrenwerte Apotheker stand in seiner Apotheke und muhte – wann immer ein Kunde hereinkam.
Seine Familie musste die Apotheke schließen. Dem Apotheker jedoch schien das wenig auszumachen – er litt keine Not, dafür war seine Familie zu reich. Und er war glücklich, jetzt in der großen Stadt zu leben. Dort traf er selten eine Kuh.

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