Sein Coup: Das rote Rathaus
Wie passend: An seinem 70. Geburtstag steht mit der Vergabe für das Einkaufszentrum eine der wichtigsten Entscheidungen der Offenburger Kommunalpolitik an. Selbstverständlich wird Bertold Thoma an der Sitzung teilnehmen, auch wenn der SPD-Stadtrat nach dem offiziellen Teil mit seiner Frau Sigrid, die zwei Tage vor ihm 70 wurde, zum Dinner entschwinden will.
Politikmüde ist der Sozialdemokrat Bertold Thoma keineswegs – er wird zur Kommunalwahl am 25. Mai erneut antreten. Die Vorbereitungen beschäftigen ihn bereits, die Kandidatensuche läuft. Im Bekanntenkreis macht Thoma eifrig Werbung, oder dort, wo er sonst noch engagiert ist – im Chor der Kantorei, beim Fußballspiel oder im Französischkurs der VHS. Neben seiner politischen Arbeit hilft Thoma bei der Hausaufgabenbetreuung im Bunten Haus. »Als ehemaliger Lehrer macht mir das natürlich großen Spaß.«
Thoma, der in Wertheim am Main geboren ist, studierte Theologie. »Ich wollte eigentlich Gemeindepfarrer werden«, blickt er zurück. Nach seinem Studium wurde er als Vikar für eine Spezialaufgabe eingesetzt: Er sollte in Mannheim die Gründe für den Kirchenaustritt untersuchen. »Als kritischen Theologen wollte mich die Kirche wohl einbinden«, sagt er.
Willy Brandt riss mit
Ende der 60er-Jahre dann ging er zu den Jungsozialisten und ließ sich von der Begeisterung für Willy Brandt anstecken. »Dass einer die Hand nach Osten ausstreckte, war neu – eine große Chance, die deutsche Einheit zu erhalten.« Bertold Thoma ist es auch zu verdanken, dass Altenburg im Jahr 1988 die Partnerstadt Offenburgs wurde, eine der ersten deutsch-deutschen Partnerschaften überhaupt. Als Schüler hatte Thoma nämlich im Jahr 1961 Kontakte zu einer Familie in Altenburg geknüpft und war in die damalige DDR gereist. Später schlug er Altenburg als Partnerstadt vor.
1971 nahm Thoma eine Stelle als Religionslehrer am Oken-Gymnasium in Offenburg an, die er bis zu seiner Pensionierung innehatte. Dies erschien ihm mit seiner Familie – er hat zwei Töchter und einen Sohn – »als sehr geeignet«.
Als 32-Jähriger wurde er zum Vorsitzenden der SPD Offenburg gewählt. Das war 1975, im Jahr der Oberbürgermeisterwahl, die mit dem Wechsel vom schwarzen zum roten Rathaus in Offenburgs Geschichte einging. Die Aufgabe des frisch gewählten Vorsitzenden, zehn Jahre lenkte er die Geschicke der SPD, war es, einen geeigneten Gegenkandidaten für den CDU-Mann Günther Fehringer zu finden.
»Erst sieben Wochen vor der Wahl lernten wir Martin Grüber kennen, der damals in Frankfurt Büroleiter des Oberbürgermeisters war.« Er sagte zu und innerhalb kürzester Zeit habe er die »Favoritenrolle von Fehringer ins Wanken« gebracht. Grüber machte das Rennen. Aufgrund der Machtverhältnisse im Gemeinderat – 33 CDU-Räte und elf SPD-Mitglieder – habe es dann harte Kämpfe gegeben. Ab 1980 ist Thoma, damals als Kandidat aus Weier, heute wohnt er beim Klinikum, in den Gemeinderat gewählt worden. Das OT titelte am 24. Juni 1980 »Das beste Wahlergebnis der SPD seit 1945«.
34 Jahre sind seither vergangen, Thoma zog nach jeder Wahl wieder in den Gemeinderat ein. Doch die Zeiten haben sich geändert. Es werde immer schwerer, geeignete Kandidaten zu finden, was Thoma mit Sorge erfüllt. »Ich frage mich wirklich, wie die Kommunalpolitik vernünftig weiterbetrieben werden kann.« Als Gründe nennt er die berufliche Belastung und eine zu beobachtende Entpolitisierung.
Doch auch der Politikstil habe sich verändert. Konflikte wie früher, aufgeflammt durch unterschiedliche Positionsbestimmungen, seien verschwunden. Damals hieß es: »Bist du links oder bist du rechts?« Auch im Bundestagswahlkampf sei kaum mehr gestritten worden. Das spiegelt sich laut Thoma auch im Gemeinderat wider. »Faktisch sind auch wir eine große Koalition«, räumt er ein. Seine kritische Haltung will er sich allerdings nicht absprechen lassen. Die Auseinandersetzungen liefen jedoch zumeist intern innerhalb der SPD ab.
2018 die Strippen ziehen?
Den zunehmenden Bürgerprotest von Menschen, die sich in der Demokratie nicht mehr vertreten fühlen, sieht er nicht als Bedrohung. Thomas Ansatz ist ein »dialektischer«. Man müsse im Dialog zwischen Räten und Initiativen aufeinanderzugehen. Das Anliegen der Initiative bei der Bebauung des Haas-Gerber-Parks sei beispielsweise sehr in Ordnung gewesen. Auch er habe gegen die Bebauung unterschrieben. Allerdings habe es rechtlich keine Handhabe gegeben. Immerhin seien Kompromisse entstanden, und als einen Erfolg wertet Thoma die Einrichtung eines Gestaltungsbeirates, der künftig architektonisch fragwürdige Projekte im Vorfeld behandele.
Und wie sieht das Kommunalwahlprogramm der Zukunft aus? »Wir werden nichts anderes machen, als zu realisieren, was sorgsam als langangelegte Projekte geplant wurde, wie der Bau des Schwimmbades, die Schulentwicklung oder das Einkaufszentrum.« Die entscheidende Frage der Zukunft besteht nach Ansicht von Thoma nicht in der Stadtgestaltung, sondern darin, »den sozialen Zusammenhalt zu pflegen«. Wichtig sei, wie es den Menschen geht, und wie Toleranz gelebt werde.
Und die Oberbürgermeisterwahl 2018? »Das könnte mich schon reizen, meine Erfahrung bei der Suche einzubringen«, gibt Thoma unumwunden zu.