Sinnliche Nacht voller Besinnung
Zum zehnten Mal fand in Diersburg die Nacht der offenen Kirchen statt – eine Labsal für Geist und Seele. Eingebunden in die Nacht der Besinnung war das Gedenken an die jüdischen Mitbürger von Diersburg.
Kurz vor Halloween setzen die drei Diersburger Glaubensgemeinschaften einen Kontrapunkt: Geist statt Geistertreiben, Besinnlichkeit statt Lärm.
Drei Glaubensgemeinschaften? Nun, die evangelische und die katholische Kirche öffneten ihre Gotteshäuser und feierten gemeinsam; abwechselnd mal hier mal dort mit über 30 Teilnehmern. Die jüdische Gemeinde konnte das nicht mehr, sie wurde im Dritten Reich ausgelöscht. Aber sie war die ganze Nacht lang im Geiste dabei.
Die junge Nacht begann in der Kirche St. Carolus. Kerzen auf der Mauer und vor den Eingängen leuchteten den Weg, das Kirchenschiff war von Kerzen und dezent strahlenden Leuchtern erhellt.
Englisches Volkslied
Unvermittelt setzte das alte englische Volkslied »Scarborough Fair« ein; eine erste Gelegenheit, zu meditieren. Renate Delakowitz entzündete drei große Kerzen – eine für jede Diersburger Religionsgemeinschaft. Nach der Meditation in St. Carolus trugen Teilnehmer die drei Kerzen zur Gedenkstele für die jüdischen Mitbürger, wo sie die Nacht über brannten. Zuvor aber lasen Anisha und Maren Delakowitz die Geschichte der Feldmaus Frederick von Leo Lionni vor; Frederick sammelt Bilder, Worte, Farben – und bringt die Mäuse damit über den grauen Winter. Die Kuppel des Altarraums war in verschiedene Farben getaucht, Renate Delakowitz trug Betrachtungen vor, ehe alles mit einem Gebet endete.
Im Freien dann, an der Gedenkstele, las Thile Kerkovius Erinnerungen von Karl Maier, einem Juden aus Kippenheim, der den Transport ins Konzentrationslager Gurs überlebt hatte. Das Fazit: Wenn das alles irgendeinen Sinn hatte, dann den, dass so etwas nie wieder geschehen darf.
Für jede jüdische Familie, die zwischen 1806 und 1933 in Diersburg lebte, trugen die Teilnehmer ein Teelicht im Glas zur evangelischen Kirche und stellten sie am Eingang auf den mit weißer Kreide gezeichneten Judenstern. In der Kirche Zum guten Hirten gab es Willkommenshäppchen und abschließend das Nachtessen. Und dazwischen viel für Geist und Seele. Susanne und Thile Kerkovius lasen kurze Geschichten, die ebenso zum Nachdenken anregten wie die von Renate Delakowitz. Pfarrer Kornelius Gölz fasste das Gehörte zusammen – und sprach von der Hoffnung, die sie verbindet. Feine Musik gab es auch – auf Flöte gespielt von Annika Schindler (das dritte Mal bei der Nacht der offenen Kirchen); und in selbst gesungenem Kanon.
So war es wieder eine »ganz besondere Nacht«, wie Friederike Wagner, die Vorsitzende des Kirchengemeinderats, sagte – eine Nacht voller Geist, Seele und Hoffnung; und ein wärmendes Licht im Herbst.