Überraschung: Baumschutzsatzung gilt auch für Ortsteile
Überraschendes Ergebnis im Gemeinderat: Mit 20:19-Stimmen hat das Gremium die Ausweitung der Baumschutzsatzung auf die Ortsteile befürwortet. Es gibt weitere Änderungen, die die Größe der Bäume betreffen. Außerdem wird es kein Baumkonto geben.
Nach vielen Diskussionen in den vergangenen Monaten deutete am Montagabend zu Beginn der Gemeinderatssitzung alles darauf hin, dass die Baumschutzverordnung nicht auf die Ortsteile ausgedehnt wird. In dem Beschlussantrag der Verwaltung hieß es: »Die Baumschutzsatzung wird nicht auf die Ortschaften ausgeweitet.«
Zu diesem Vorschlag hatten letztlich die Ergebnisse der Abstimmungen in den Ortschaftsräten geführt – zehn von elf Ortsteilen (nur Bohlsbach hatte nicht abgestimmt) lehnten die Ausweitung der Baumschutzverordnung auf die Ortsteile ab.
»Wir sehen keinen Handlungsbedarf. Keiner fällt einen Baum, wenn es nicht nötig ist«, machte sich CDU-Stadtrat und Zell-Weierbachs Ortsvorsteher Willi Wunsch einmal mehr dafür stark, die Satzung nicht auszuweiten. Er kritisierte, dass bei dem Thema viel Geld für Gutachten ausgegeben worden sei. »Dafür hätte man viele Bäume pflanzen können«, meinte Wunsch.
SPD-Stadtrat Gerhard Schröder betonte, dass die Satzung weit mehr beinhaltet, als dass die Fällung bestimmter Baumarten ab einem gewissen Stammumfang genehmigt werden muss. Beispielsweise verbiete die Verordnung Kappung, sagte Schröder. Er wies außerdem darauf hin, dass Fichten, Pappeln und Weiden ohne Genehmigungsverfahren gefällt werden können.
Stefan Böhm (Grüne) schlug vor, die von Bürgern gefällten Bäume ins Verhältnis zu jenen Bäumen zu setzen, die die Stadt fällen ließe. Auch ohne Baumschutzverordnung habe in den Ortsteilen bisher kein Kahlschlag stattgefunden, meinte Böhm.
»Thema abgebügelt«
Freie-Wähler-Fraktionschef Hans-Reiner Rottenecker fand, dass weiterhin mit zweierlei Maß gemessen werde und beantragte eine getrennte Abstimmung der Punkte. Für diese sprach sich auch Thomas Bauknecht, Fraktionsvorsitzender der FDP, aus. Er finde es beschämend, dass die CDU dieses wichtige Thema »so abgebügelt« habe. »Wir haben die Türen weit, weit, weit geöffnet und viele Angebote für eine Diskussion gemacht«, betonte er. Als Beispiel nannte er die Streichung des Baumkontos. Anfangs gab es die Idee, ein solches einzurichten. Bürger, die keinen Ersatzbaum auf ihrem Grundstück pflanzen können, sollten darauf 1000 Euro einzahlen, im Laufe der Debatte wurden 500 Euro daraus. »Das Baumkonto entfällt«, hieß es dann am Montag in der Vorlage.
»Es gibt Offenburger, die haben gewisse Rechte und Pflichten, und andere nicht«, meinte Silvano Zampolli (FDP). SPD-Fraktionschef Jochen Ficht beantragte vor der Abstimmung eine fünfminütige Pause, in der die Stadträte fraktionsübergreifend in Gruppen die Köpfe zusammensteckten. Dann die Wende in der bis dahin recht ruhigen Diskussion: 20 Stadträte stimmten für die Ausweitung der Baumschutzverordnung, 19 Gemeinderatsmitglieder dagegen – ungläubige Gesichter bei den Ortsvorstehern, die empört den Raum verließen, um das Ergebnis zu besprechen.
Der Gemeinderat beschloss außerdem, dass es kein Baumkonto geben wird, genehmigt werden muss die Fällung einzelner Bäume bestimmter Arten erst ab einem Stammumfang von 100 Zentimetern (vorher 80), und der Stammumfang bei Ersatzpflanzungen wurde von 14 bis 16 Zentimeter auf zwölf bis 14 Zentimeter verringert, was die Pflanzung günstiger macht.
Das sagen die Ortsvorsteher
Georg Schrempp, Ortsvorsteher von Bühl: »20 Stadt räte haben am Montagabend ihre Macht genutzt, um ihren Willen gegen die Empfehlung der Stadtverwaltung, gegen die andere Hälfte des Gemeinderats, und gegen den Willen von zehn Ortschaften durchzusetzen. Für mich persönlich ist es ein erschreckendes Zeichen, das im Hinblick auf die Zusammenarbeit und Wertschätzung gegenüber den Ortschaften gesetzt wurde.«
Karl Siefert, Ortsvorsteher von Zunsweier: »Es ist zwar eine demokratische Entscheidung, bei der ich aber politisches Feingefühl vermisst habe. Die Entscheidungen der Ortschaftsräte sind mit Füßen getreten worden. Ich denke, dass das Ergebnis auch Auswirkungen auf die nächste Kommunalwahl hat. Macht politische Arbeit Sinn? Kann ich überhaupt etwas bewirken? Diese Fragen wird sich mancher stellen.«
Gudrun Vetter, Ortsvorsteherin von Weier: »Es ist eine Frechheit. Das Ergebnis ist ein Votum gegen die Meinung der Ortsteile. Wir sind schwer enttäuscht. Wofür machen wir uns die Arbeit? Wofür beraten wir und besuchen Infoveranstaltungen? Von den Befürwortern wird gerne das Argument der Gleichbehandlung genannt. Dann aber bitte konsequent – in der Stadt kehren die TBO die Straßen, in den Ortsteilen nicht.«
Willi Wunsch, Ortsvorsteher von Zell-Weierbach: »Wenn die Meinungen in den Ortsteilen über die Verordnung unterschiedlicher gewesen wären, könnte man die Entscheidung des Gemeinderats anders bewerten, aber die Position der Ortschaftsräte war eindeutig. Ich befürchte, dass es sich die Bürger nun zweimal überlegen, bevor sie einen Baum pflanzen, und dass Bäume gefällt werden, bevor sie einen Umfang von 100 Zentimetern haben.«
Reine Grüßgott-Onkels?
Man kann es nicht anders sagen: Dass sich der Gemeinderat über das einhellige Votum der Ortschäftsräte und Ortsvorsteher hinweggesetzt hat, ist respektlos und ein Zeichen von Geringschätzung. Zu Recht fragen die Ortschaftsräte in den elf Ortsteilen, weshalb sie sich so ausführlich mit dem Für und Wider der Ausweitung der Baumschutzverordnung beschäftigt haben, wenn ihr mit guten Argumenten untermauertes Nein vom Gemeinderat (wieder einmal)einfach überstimmt wird, weil man es aus der Ferne am Ende eben doch besser weiß.
Weitergedacht heißt dies: Braucht es überhaupt noch Ortschaftsräte in den Offenburger Ortsteilen? Sind die Damen und Herren Ortsvorsteher nur reine Grüßgott-Onkels ohne Entscheidungsbefugnis? Legt man bei der Stadt und im Gemeinderat überhaupt Wert auf die Vor-Ort-Kompetenz der Ortschaftsräte? Diese Fragen muss man jetzt stellen und mit einem klaren Signal der Wertschätzung beantworten. So lange herrscht erst einmal verständlicherweise viel Frust in den ohne Not lächerlich gemachten Ortsgremien. cw
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