Vanessa Rückauer ist Müllerin in der Huber-Mühle
Es klappert die Mühle am rauschenden Bach? Das ist heute ein romantisches Klischee. Mühlen sind moderne Betriebe, in denen immer mehr Frauen arbeiten. Vanessa Rückauer ist eine von ihnen – und verdient ihr Brot als Müllerin in der Huber-Mühle.
Hohberg-Niederschopfheim. Eine Müllerin. Da denkt man an eine große, kompakte Frau, die Säcke durch eine staubige Holzmühle schleppt. Nun, die Huber-Mühle in Niederschopfheim ist nicht staubig oder aus Holz. Doch Säcke bewegen gehört immer noch zum Beruf des Müllers, pardon, der Müllerin – Vanessa Rückauer ist dennoch eine eher zierliche Person. 22 Jahre alt, aus Zell-Weierbach, mit Abitur, das sie am Schiller in Offenburg baute. Nach dem freiwilligen sozialen Jahr (FSJ) hat sie sich entschieden, eine Ausbildung zur Müllerin zu machen. Oder, wie der Beruf offiziell heißt: Verfahrenstechnologin für Mühlen- und Futtermittelwirtschaft.
Warum?
»Ich wollte etwas mit Technik machen, mit Biologie und Landwirtschaft. All das spielt bei der Müllerin eine Rolle«, sagt Vanessa Rückauer. Bei einer großen Mühle wie in Niederschopfheim ist die Technik wichtig, ohne den PC geht nichts. Auch die Kommunikation mit den Bäckereien darf nicht fehlen. An die wird das Mehl meist lose geliefert.
Gut gemacht
Und das alles hat sie in den drei Jahren ihrer Ausbildung wirklich gut gemacht: Sie war jeweils Jahrgangsbeste und in der technischen Prüfung Zweitbeste ihres Jahrgangs. Und sie setzte sich als Klassensprecherin für ihre Mitschüler ein. Darauf sind auch ihr Ausbilder Uwe Oettinger und Geschäftsführer Rolf Huber stolz.
Obwohl sie so gut war, kam Verkürzen ihrer Ausbildung nicht in Frage. Da es
Blockuntericht (in Stuttgart) gibt, hätte sie volle sechs Wochen verpasst. Auch die wichtige Praxisphase würde ihr fehlen. Vanessa Rückauer fühlt sich »als Mädchen« in der Mühle wohl – man muss auch keine Säcke schleppen, betont sie; naja, manchmal doch. Aber das schafft sie. Es gibt natürlich auch alte Mühlen, da ist die körperliche Arbeit härter. Trotzdem: Die Frauen kommen. In ihrem Ausbildungsjahrgang gab es fünf weibliche Auszubildende für ganz Deutschland (von rund 70 Azubis). Das sei schon ganz toll, normalerweise seien es pro Jahrgang zwei. Zwei Schulen gibt es: eine in Stuttgart, eine in Braunschweig.
Besonders gefällt ihr die Getreideannahme, die Lagerung und der Durchlauf der Körner. »Es ist toll, wenn am Anfang das Getreide ankommt.«
Fasziniert ist sie auch von der Mühle im großen Turm. 2013 wurde sie eingebaut, wie Katharina Schell vom Huber-Mühle-Team berichtet. Vanessa Rückauer stieß ein Jahr später zum Team hinzu.
Die Mühle mahlt Biogetreide und konventionelles, berichtet Katharina Schell. Wobei der Fokus auf regionalem Getreide liegt – von den eigenen Feldern, aber auch von Edgar Feißt aus Diersburg, mit dem eine Kooperation besteht. Bio-Getreide erfordert hohen Aufwand; so etwa einen Extra-Anbau, eine Extra-Lagerung und eine eigene Vermahlung.
Was Vanessa Rückauer auch viel Freude bereitet, sind alte Getreidesorten wie Emer; und dass sie in der Mühle verarbeitet werden. In Niederschopfheim werden auch Futtermischungen für Pferde hergestellt – das gefällt der jungen Müllerin, hat sie doch selbst ein Pferd.
Ein Pferd
Wie sieht die Zukunft aus? »Alle wollen Müller«, sagt Vanessa Rückauer, eine Arbeitslosigkeit gibt es nicht in diesem Beruf. Allerdings muss man ortsungebunden sein. Dann steht einem die Welt offen: Deutschland, Österreich und die Schweiz bilden als einzige Müller aus. Wer so einen Abschluss in der Tasche hat, ist auf der ganzen Welt willkommen. Und wie sieht die persönliche Zukunft von Vanessa Rückauer aus? Sie setzt im September 2018 noch einen Meisterkurs drauf, mit sechs Monaten Lehrgang in Stuttgart. »So lange bleibe ich noch bei Huber.« Im Anschluss will sie den Abschluss zur Technikerin machen, auf der Technikerschule in St. Gallen. Wie es dann weitergeht, hat sie noch nicht entschieden.
Katharina Schell sagt, im September bekommt die Huber-Mühle wieder einen Auszubildenden. Es wird ein angehender Müller sein. Die nächste Müllerin arbeitet irgendwo im Hessischen. »Müller oder Müllerin kann man übrigens auch mit Haupt- und Realschule machen«, ergänzt Katharina Schell.
Vanessa Rückauer jedenfalls hat ihre Berufswahl nie bereut: »Hier ist kein Tag wie der andere.«
Ausbildung zum Müllerberuf, Bilanz der Mühlen
Der Verfahrenstechnologe in der Mühlen- und Futtermittelwirtschaft, wie der traditionelle Müllerberuf heute heißt, ist verantwortlich für die Versorgung von über 80 Millionen Menschen mit Grundnahrungsmitteln aus Getreide: Ob Brot, Gebäcke, Pizza oder Kindernahrung. Müllerinnen und Müller sind gefragte Experten in vielen Branchen und das weltweit. Gute Voraussetzung für den Ausbildungsgang bieten ein Hauptschulabschluss mit guten Leistungen in Mathematik und Physik, ein Realschulabschluss oder das Abitur. Wichtig für den Beruf sind Spaß im Umgang mit dem Naturprodukt Getreide, gutes Organisationsvermögen und Flexibilität, kaufmännisches Geschick, handwerkliches Talent und technisches Verständnis. Der klassische Weg in die Mühlenwirtschaft ist die dreijährige duale Ausbildung zum Verfahrenstechnologen in der Mühlen- und Futtermittelwirtschaft.
Die Mühlen vermahlen jährlich etwa ein Drittel der deutschen Weizen- und Roggenernte: 7,5 Millionen Tonnen Weichweizen und 800 000 Tonnen Roggen sowie 400 000 Tonnen Hartweizen. 95 Prozent des vermahlenen Brotgetreides stammen aus Deutschland und nahezu 90 Prozent der Mühlenprodukte werden hier verbraucht. Im Durchschnitt versorgt jede Mühle etwa 385 000 Menschen Tag für Tag mit wichtigen Grundnahrungsmitteln, wie der Verband deutscher Mühlen schreibt.
◼ Verbandshomepage: www.muehlen.org