Warum es für Gemeinderäte keinen Hasenbraten gab
Aus dem Narrenblatt: Ein Schmankerl aus Schutterwalds Geschichte: Hasenessen mit Hindernissen – oder: Der Gemeinderat weiß sich zu helfen.
Es war am Tag vor Heiligabend, als die Gemeinderäte schon morgens früh beim Aufstehen ihre müden Leiber in der Vorahnung eines kommenden Genusses streckten, da doch für den Abend ein großes Hasenessen im Ochsen geplant war, dank der Initiative und Großzügigkeit des Großwildjägers im Schutterwälderwald, Franz Burda.
Schon beim Mittagessen legten sich einzelne der Eingeladenen merkliche Zurückhaltung auf, unter anderem auch der Kronenwirt, der nach einigen Bissen sehr rasch den Löffel beiseite warf, sodass seine Frau plötzlich aufmerksam wurde: »Was isch dänn hit mit diär los, Albert? Duä schnaigsch bigott elend an dinnem Schnitzel rum! Schmeckt diärs nit?« »Emma, duä weisch doch, dass mer hit owend s’Haseesse hän und do…« »Duä hesch e Vogel, wäge däne paar dirri Schlegeli bruchsch nit z’faschde.«
Seltenes Ereignis
»Hesch du e Ahnung! Dr. Burda losst sich beschdimmt nit lumpe.« Ähnliche Tischgespräche mögen noch mehrere Gemeinderäte geführt haben, denn alle wollten sich doch mit großem Appetit und Genuss an diesem seltenen Ereignis beteiligen.
Der Abend brach an. In fieberhafter Eile wurden die Sonntagskleider aus den Schränken gezerrt, war doch bereits auf 18 Uhr noch eine Gemeinderatssitzung angesetzt mit einem Punkt auf der Tagesordnung (ob er sich mit der Sitzordnung im Ochsen befasste, ist nicht bekannt). Pünktlich 18.05 Uhr waren alle Gemeinderäte anwesend, in feierlichem Schwarz, mit leeren, hohlen Mägen und wässrigem Mund: »Mensch, awer hit owe hau ich ni, dass d’Soss spretzt!« rief schon von Weitem s’Hohle Adolf seinem Nachbar B. Raun zu, als sie sich vor dem Rathaus trafen.
Der Kronenwirt Albert war als Erster erschienen und fieberte mit bleichem, ausgehungertem Gesicht und einem bohrenden Schmerz im Magen dem Beginn, vielmehr Ende der Sitzung entgegen. Endlich erschien das Gemeindeoberhaupt und setzte ein undurchsichtiges Grinsen auf, als er die feierlich-hungrige Schar seiner Gemeinderäte sah: »Meine Herren«, so hub er mit langsamer Betonung an zu sprechen, »ich muss euch leider eine Enttäuschung bereiten. Das Hasenessen findet heute nicht statt!« Eine große Unruhe bemächtigte sich der zwölf Anwesenden, und vereinzelt wurden empörte Rufe laut: »Verdammdi Schei…! Des het mir grad no g’fählt«, jammerte einer und sank mit Ächzen und Stöhnen in den Stuhl.
Kein Genuss
»Was isch denn jetzt schu widr d’zwische kumme?«, fragte erbost der Sparkassenwalter. Da räusperte sich vernehmlich das Gemeinderats- und Stiftungsratsmitglied Oskar und gab folgende Erklärung ab: »Wie ihr wisst, Männer, hatten wir doch zu diesem Essen auch unseren Hochwürden Herrn Pfarrer eingeladen. Er hat im letzten Augenblick festgestellt, dass am heutigen Tag ein sogenannter Fast- und Abstinenztag ist, das heißt, dass wir uns vor allzugroßem Genuss an Trank und Fleischspeisen enthalten müssen. Infolgedessen musste das Hasenessen endgültig abgeblasen werden.« Ein langgezogenes und enttäuschtes »Oooh!« entrang sich den Lippen der wie erstarrt sitzenden Gemeinderäte. Da rettete einer von ihnen die peinliche Situation, als er plötzlich ausrief: »Awer Käsässe het niäme verbodde! Los, Ratschrieber, du holsch Käs und bring’n in d’Sunne.« Sprach’s und alle zogen mit Hallo in die Sonne.
Aber es soll ja auch im Gemeinderat sehr gescheite und buchstabentreue Leute gegeben haben, die zwar Käse aßen, aber mit dem Vornamen »FLEISCH« – (!), der allerdings aus der eigenen »(Fleisch)käserei« Sonne geholt wurde.
◼ Quelle: Schutterwälder Narrenblatt 1959.