Werner Kraußhaar seit 70 Jahren im Gesangverein Reichenbach
Werner Kraußhaar aus Reichenbach ist seit 1948 Mitglied im 1928 gegründeten Männergesangverein in Reichenbach. Er war lange Jahre Vorsitzender und hat den Verein maßgeblich geprägt. »Singen befreit, das hat mir schon oft geholfen«, sagt der 89-Jährige im Gespräch mit dem OT.
Werner Kraußhaars Augen blitzen, wenn er von seiner Leidenschaft, dem Singen, erzählt. Schon als Kind hat er gerne gesungen. »Als ich zehn Jahre alt war, kam ich nach Reichenbach. Mit 20 bin ich in den Männergesangverein gegangen«, sagt der gebürtige Speyerer. Am Freitagabend hat ihn der »Frohsinn« geehrt.
Der Chor sei wegen seiner guten Tenorstimme froh um ihn gewesen: »Ich habe alle Lieder gleich auswendig gekonnt, und alle haben mir nachgesungen.« Er erinnert sich noch gerne an diese alte Zeiten. »Wir waren schon damals gut dagestanden mit den Dirigenten und den Sängern.«
»Ohne Frauen kein Fest«
Die Frage, wie es für Werner Kraußhaar ist, nachdem seit 2016 viele Frauen dazugekommen sind, beantwortet er so: »Das ist schon gut, ohne sie könnten wir kein Fest machen.« Doch nicht nur diese Qualitäten weiß er zu schätzen: »Die Frauen sind auch stimmlich eine Bereicherung.«
Bereits in den 1950er-Jahren habe es den Versuch gegeben, Frauen in den damaligen Männergesangverein Reichenbach zu integrieren. Doch das scheiterte an den Moralvorstellungen dieser Zeit: »Eltern und ihre Mädchen, ja sogar Verheiratete hatten Angst vor uns Männern.«
Werner Kraußhaar kann blendend erzählen, vor allem wenn es um Schwänke aus dem Sängerleben geht. Einer davon datiert in den 1960er-Jahren, genauer gesagt bei einer Theateraufführung in Ohlsbach zu Ehren von Friedrich Silcher (1789 bis 1860). Der Remstäler gilt als einer der wichtigsten Protagonisten des Chorgesangs.
Werner Kraußhaar erinnert sich: »Wir hatten die Musik auf Tonband aufgenommen und ich sollte als Friedrich Silcher auf der Bühne so tun, als ob ich das Klavier spiele.« Doch die Technik spielte ihm einen Streich, es kam kein Ton. »Also bin ich geistesgegenwärtig aufgestanden und habe ohne Musik gesungen. Aber dann kam plötzlich die Klavier-
musik. Aber ich saß ja gar nicht mehr am Klavier.«
Er sang bei Hochzeiten, unter anderem 1970 auf Wunsch des Bräutigams Josef Wußler, heutiger Ehrenvorsitzender, das Stück »So nimm’ denn meine Hände«. Verschmitzt erzählt Werner Kraußhaar auch von Aufenthalten in der Wirtschaft, wenn zu später Stunde in fröhlicher Runde das damals als frivol geltende Lied »Husch, husch ins Körbchen« angestimmt wurde. Sein Lieblingslied aber ist »Oh Schutzgeist alles Schönen« von Wolfgang Amadeus Mozart. Der 89-Jährige stand lange an der Spitze des Vereins (siehe zur Person) und dirigierte zeitweise den Chor.
Bei jedem Konzert
Heute singt Werner Kraußhaar nur noch gelegentlich mit, fehlt aber bei keiner Probe und bei keinem Konzert, so sehr fühlt er sich dem Verein verbunden. »Singen in geselliger Runde befreit. Wenn es mir mal nicht so gut ging, bin ich trotzdem zur Probe gegangen, auch wegen der Kameradschaft. Andere sind mit ihrem Käs’ daheim geblieben, aber mir hat das Singen oft geholfen.« Deshalb könne er jedem nur raten, auch in einen Chor zu gehen. Werner Kraußhaar versichert glaubhaft, dass er das wieder tun würde.
Werner Kraußhaar
Werner Kraußhaar ist 1948 als 20-Jähriger in den damaligen Männergesangverein Reichenbach eingetreten.
1964 übernahm er das Amt des Zweiten Vorsitzenden, von 1976 bis 1988 stand er an der Spitze des Vereins. Als gelernter Maurermeister half er außerdem dem Verein. Dies alles war damals ohne Telefon, Fax und Internet ein Spagat, zumal Werner Kraußhaar noch einen kleinen landwirtschaftlichen Betrieb hatte. Noch heute geht er als 89-Jähriger zu Proben und Konzerten. tom