Wildorchideen: Blühende Schätze im Nordracher Hinterland
Im rechtsrheinischen Auengebiet Taubergießen sind wilde Orchideen zur entsprechenden Jahreszeit ein durchaus gewohnter Anblick. Doch auch in Nordrachs Seitentälern gedeihen die stark gefährdeten und daher unter teils strengstem Naturschutz stehenden Pflanzen.
»Dass in Nordrachs Umland wilde Orchideen wachsen, ist ein Zeichen für ein intaktes Ökosystem«, betont Siggi Erdrich, »ein Zeichen von naturnahen Lebensräumen.« Auf etwa zehn Arten schätzt der naturkundige Bäckermeister die Zahl der Orchideen, die in den in die Höhe steigenden Seitentälern gedeihen.
Dort also, wo teilweise Gebirgsklima herrscht. Wobei man sie im Wald, an dessen Rändern und in sonniger Wiese findet. Mit jeweils eigenen Standortvorlieben von feucht über halbtrocken bis trocken.
Wer die blühenden Schönheiten bislang mit tropischem Dschungel in Verbindung gebracht hat oder allenfalls mit dem milden Klima der Rheinebene, dem sei beschieden: Orchideen gibt es überall auf der Welt. »Sogar in der Antarktis und in der Wüste«, weiß Erdrich.
Rare Pflanzen
Dass er sich schon lange mit den raren Pflanzen beschäftigt, liegt an seiner Frau, »die hat mich darauf gebracht.« Mit ihr wandert der 67-Jährige gerne durch Naturschutzgebiete – am liebsten dann, wenn Orchideen blühen. Was sie je nach Art von April bis September tun. Und zwar terrestrisch. Denn im Gegensatz zu den meisten tropischen Orchideen, die als Epiphyten – als sogenannte Aufsitzerpflanzen also – auf anderen Gewächsen wie Bäumen sprießen, wachsen europäische Arten gesittet am Boden.
Zum einen ist es die Schönheit der Blüten mit ihren teils bizarren Formen, die Erdrich, der als Hobby-Naturkundler 600 bis 800 Pflanzenarten im Kopf hat, so besonders fasziniert. Zum anderen ist es für ihn hoch interessant, wie sich Orchideen entwickeln und vermehren.
Wie beispielsweise die – wenngleich in Nordrach nicht vorkommende – Spinnen- oder Bienenragwurz, die dem jeweiligen männlichen Insekt ein Weibchen vortäuscht, um es zu Befruchtungszwecken anzulocken.
Zu solcherlei Raffinesse gesellt sich die Unvorhersehbarkeit des Blühaufkommens, das bei Erdrich alljährlich für Spannung sorgt. »Viele von ihnen blühen erst nach vier oder fünf Jahren«, berichtet er aus seiner Erfahrung. »Abgesehen davon gibt es Jahre, da blühen nur ganz wenige Orchideen, und dann kommt auf einmal ein Jahr so wie jetzt, da blühen ganz viele.« Der Grund? »Das kann niemand sagen«, meint Erdrich, »an Orchideen haben sich schon viele Wissenschaftler die Zähne ausgebissen.«
Streng geheim
Sehr wohl sagen hingegen könnte er, wo die jeweiligen Orchideen zu ihrer jeweiligen Blütezeit im Nordracher Hinterland zu bestaunen sind. Das aber muss er sich verkneifen. Wegen unüberlegten Pflückern oder gar Langfingern, die Wildorchideen ausgraben und mitnehmen.
Was nicht nur eine Straftat darstellt, sondern für Erdrich eine bodenlose Dummheit: »Wenn man Wildorchideen zu sich in den Garten pflanzt, dann wachsen die nicht an«, erklärt der Experte, »selbst wenn man Muttererde von der Ausgrabestelle mitnimmt.« Weswegen er erst weit nach dem Ende der Blütezeit von seinen Schätzen erzählt.