"Wir scharren mit den Hufen"
Serie Ortsgespräche (78): Christian Messerschmidt, Leiter des Neurieder Jugendzentrums, über ein hartes Jahr für die Jugendlichen – und wie sie es mit Bravour meisterten.
In unserer Serie Ortsgespräche unterhalten wir uns mit Menschen aus der Nachbarschaft – über die spannenden Sachen, die sie so tun. Und wie sie mit der Corona-Situation zurecht kommen. Heute: Christian Messerschmidt, Leiter des Neurieder Jugendzentrums (Juze) in Altenheim.
Herr Messerschmidt, die Situation im Juze ist wechselhaft. Wie sieht es im zweiten Lockdown?
Ursprünglich war ja geplant, dass wir nach den Weihnachtsferien am 11. Januar wieder öffnen können. Das hat sich jetzt voraussichtlich auf Monatsende verschoben. Nichtsdestotrotz lassen wir die Jugendlichen und Kinder nicht hängen: Das Vorlesen für Grundschüler wird per Online-Konferenz stattfinden und wir werden bis zum Wiederbeginn der Offenen Angebote ein spannendes und interessantes (Online-)Programm auf die Beine stellen und weiterhin die Beratungsgespräche anbieten. Sobald wir dann wieder öffnen, wird natürlich alles wieder unter Beachtung der Hygiene-Vorgaben wie Abstand halten, Hände waschen, ausgiebiges Dauerlüften und gründliche Reinigung sowie Desinfektion stehen. Auch ein Luftreinigungs- und Co2-Messgerät haben wir für das Juze angeschafft, so dass wir das Lüften gerade jetzt in der kalten Jahreszeit sehr gut regulieren können.
Hatten die Jugendlichen während der Corona-Schließung Verständnis? Oder waren manche ungeduldig?
Beides! Es gab Anfragen per Handy, wann wir endlich wieder aufmachen. Es gab aber auch Jugendliche, die ganz pragmatisch mit der Situation umgingen, und sich einfach auf den Tag gefreut haben, an dem das Juze wieder aufmachen darf und sie ihren Freundeskreis wieder treffen können.
Sie boten den Jugendlichen schon während der ersten Schließung eine ganze Reihe von (Online-)Angeboten an, um in Kontakt zu bleiben – wie kamen die an?
Ganz unterschiedlich: Das Vorlesen für die Grundschüler wurde ganz hervorragend angenommen. Teilweise wurden die Vorlese-Videos bis zu 180 Mal auf Facebook abgerufen. Am „Wir bleiben zu Hause“-Regenbogenbilder-Malen haben sich neun Kinder mit tollen Bildern beteiligt. Zudem haben wir uns sehr darüber gefreut, dass in einem Song-Video der bekannten Kölner Band BAP über „Helden des Alltags“ auch das Foto eines ganz jungen Regenbogenbild-Malers aus Neuried seinen Platz gefunden hat – symbolisch für alle Kindergartenkinder und Grundschüler, weil sie es so tapfer zu Hause aushielten. Und nicht zu vergessen ihre Eltern, die in dieser Zeit den Familienalltag in deutlich größerem Zeitrahmen organisiert haben! An den Angeboten wie dem „Schlag den Christian“, bei dem die Jugendlichen gegen mich das „Quizduell“ per Handy-App spielen konnten, haben sich etwa 20 Jugendliche beteiligt, und es gab tatsächlich auch Eltern, die es versucht haben. Etwas unter meinen Erwartungen lag die Teilnahme am fünfzigteiligen JuZe-Foto-Rätsel oder am „Suchsel“. Ganz im Gegensatz zu den Gesprächsangeboten, die zunächst nur online, dann während eines Waldspaziergangs oder auf der Bank vor dem Jugendzentrum stattgefunden haben. Dieses Angebot wurde gut angenommen. Also, es gab Angebote, die waren nicht so der Renner, aber auch welche, mit denen wir voll ins Schwarze trafen!
Was ist als nächster Schritt geplant?
Da die bestehenden Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen bis zum 31. Januar verlängert wurden, werden wir wohl, die Offenen Angebote wie den Offenen Treff und den Schülertreff voraussichtlich erst wieder ab dem 1. Februar anbieten können. Das Vorlesen für Grundschüler wird mittels einer Video-Konferenz stattfinden können. Auch die Einzelberatungsgespräche können wir weiterhin bei dringendem Bedarf zu festen Zeiten am Mittwoch und Donnerstag im Juze nach Terminvereinbarung anbieten. Zwei Spieleabende („Black Stories“ und „Codenames“) gibt es wir Dienstag und Freitag online. Zudem haben wir uns ein Songtexte-Quiz, ein kniffliges „Wer weiß denn sowas“-Juze-Special mit Juze-spezifischen Fragen und ein neues Foto-Such-Rätsel seit vergangener Woche auf Instagram und Facebook. Ansonsten wünschen wir uns, dass wir ab dem kommenden Monat unsere Angebote wieder wie gewohnt stattfinden können. Wir „scharren bereits mit den Hufen“ um endlich wieder im Juze loslegen zu können!
Ist Jugendarbeit auf Dauer ausschließlich online möglich?
Nein, das denke ich nicht, auch deshalb, weil wir durch die Impfmöglichkeit nach und nach wieder Licht am Horizont werden sehen. Aber ich denke, dass es durchaus Angebote gibt, die sich in der Lockdown-Zeit entwickelt haben, wie die Beratungsgespräche, die wir zusätzlich mit in den neuen Jugendzentrums-Alltag mit übernehmen werden.
Tauschten oder tauschen Sie sich mit anderen Leitern von Jugendzentren über die Situation aus?
Ja, natürlich. Wir haben unseren Arbeitskreis der Jugendzentren der Arbeiterwohlfahrt in der Ortenau, der regelmäßig stattfindet. Seit Corona findet dieser per Online-Konferenz statt. Im Herbst haben wir uns zudem zu einer Klausurtagung dieses Arbeitskreises getroffen. Nicht nur in dieser Krisenzeit empfinde ich ein Austausch unter uns Mitarbeitern der Jugendzentren als enorm wichtig!
Ihr Wunsch für 2021?
Unsere Kinder und Jugendlichen haben sich seit dem Frühjahr sehr verantwortungsbewusst und solidarisch an alle Auflagen gehalten und damit wesentlich dazu beigetragen, dass wir nach dem ersten Lockdown durchgehend bis zum Beginn der Weihnachtsferien geöffnet haben konnten. Für das gerade begonnene Jahr wünsche ich mir, dass es uns gemeinsam gelingen wird, diese Pandemie einzudämmen, und wir nicht allzu schnell in den Alltagstrott zurückkehren werden, sondern es uns gelingt, die Wertschätzung für den anderen und dieses Gemeinschafts- und Solidaritätsgefühl zu bewahren!
Die Jugendlichen sollen wieder die Chance bekommen, ihr Jugendalter auszuleben. Corona hat ihnen im Jahr 2020 die Gelegenheit dazu genommen.
Meiner Meinung nach war es eine Art „verlorenes Jahr“ für die Jugendlichen… In einem Offenen Treff in unserem Jugendzentrum habe ich die Besucher gefragt, wie ein Selfie von ihnen aussehen würde, das sie in dem Augenblick machen würden, in dem sie erfahren, dass die Pandemie vorbei ist. Alle Antworten, die ich erhielt, waren Antworten, die ein Gefühl der Befreiung zum Ausdruck brachten …
Die Ortsgespräche sind eine Interview-Serie, die in lockerer Reihenfolge erscheint.