Wolfgang Schäuble: »Wir haben seit acht Jahren Wachstum«
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte am Montagabend bei seinem Wahlkampfauftritt in Gengenbach ein Heimspiel. Kurz vor der Wahl warnte er vor rund 250 Anhängern im Weingut Wild vor zu großer Siegessicherheit: »Wir müssen noch um jede Stimme kämpfen.«
Der Auftritt von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) am Montagabend im Strohbacher Weingut Wild hatte fast schon etwas Familiäres.
Er begrüßt zahlreiche der 250 Gäste im mit Bierzeltgarnituren und Weinstand umfunktionierten Außenlager namentlich und per Handschlag. Und weil die Gengenbacherin Lydia Schmidt Geburtstag hatte, stimmt Schäuble selbst das »Happy Birthday« an.
Und schon ist er mittendrin im Wahlkampf. »Da will uns Martin Schulz Probleme einreden, aber die Leute sind nicht so blöd«, geht er auf Angela Merkels Widersacher von den Sozialdemokraten ein.
Seit acht Jahren gebe es einen Wirtschaftsaufsschwung, alle Anzeichen sprächen dafür, dass er in den nächsten Jahren weitergehen kann. Löhne und Renten seien stärker gestiegen als in vergangenen Jahrzehnten.
»Unser Wachstum wird zu 90 Prozent von der Inlandsnachfrage geprägt«, sagt Schäuble. Den ersten Applaus nach seiner Ankunft erhält er für die Feststellung: »Alle brauchen Vertrauen in die Zukunft. Das haben wir geschafft, das wollen wir nicht gefährden!«
Die Investitionen in Straße und Schiene seien gegenüber 2013 um 35 Prozent gestiegen. »Der Vorwurf, wir hätten unser Land kaputtgespart, ist Unsinn« ergänzt Schäuble, zumal ihm die Bundesvereinigung Bauwirtschaft erst vor zwei Jahren signalisiert habe, mit den Aufträgen kaum noch nachzukommen.
Steuerlich wolle die CDU den »Mittelstandsbauch« um 15 Milliarden Euro abflachen, auch müsse der Solidaritätszuschlag langsam abgebaut werden. Schäuble spricht sich gegen eine Vermögenssteuer aus, weil es diese in anderen Ländern auch nicht gebe und Investitionen dorthin fließen würden. Ebenso kommt für Schäuble eine Vereinheitlichung des Bildungssystems nicht in Frage.
»Nicht für Demagogen«
Großen Raum widmet er der Integration von Flüchtlingen: »Das ist kein Thema für Demagogen. Wir können die Welt nicht einfacher machen, als sie ist.« Zuwanderung müsse aber gesteuert werden.
Nötig sei deshalb eine Kooperation der EU mit Herkunfts- und Transitländern. Trotz aller Kritik am türkischen Präsidenten Erdogan sei mit dem Abkommen die Schlepperei beendet worden. »Die Türkei hat doppelt so viele Flüchtlinge aufgenommen wie die Europäische Union und behandelt sie ordentlich.« So ein Abkommen sei auch mit Afrika notwendig.
Deshalb müsse die Entwicklungshilfe steigen. »Sonst haben wir das größte Sicherheitsrisiko jenseits von Nordkorea.« Auch müssten Tunesien, Algerien und Marokko zu sicheren Herkunftsländern erklärt werden.
Zuwanderer müssten möglichst schnell Deutsch und arbeiten lernen, aber auch, dass alle Menschen hier die gleichen Rechte haben: »Wer das nicht will, dem müssen wir klarmachen, dass er die falsche Entscheidung getroffen hat, nach Europa zu kommen.«
Wolfgang Schäuble geht nach seinem einstündigen Vortrag auch auf Fragen der Zuhörer ein. »Warum schaffen wir es nicht, das duale Ausbildungssystem in Europa zu installieren?«, will beispielsweise Ewald Elsäßer wissen.
Dieses System lasse sich wegen der zentralistischen Strukturen nicht so einfach übertragen. Auch seien die Sozialleistungen teilweise höher als Ausbildungsvergütungen in Deutschland. Doch es gebe Gespräche mit Frankreich.
»Zeit zum Lernen«
Franz Zimmermann aus Gengenbach fragt sich, weshalb Polen und Ungarn keine Flüchtlinge aufnehmen. Schäuble erklärt das unter anderem damit, dass dort wegen des »totalitären Sozialismus« in der Vergangenheit noch eine andere Denkweise und Abwehrreaktion herrschen. Doch glaubt Schäuble, dass sich das ändert.
Vor dessen Auftritt hatte Kreisvorsitzender Volker Schebesta in Anspielung auf den Gastgeber, Familie Wild, die Losung für die Wahl ausgegeben: »Bei den Prozenten für die CDU orientieren wir uns nicht am Wein, sondern an den Spirituosen. Und an den Prozenten für Wolfgang Schäuble am ersten Brand.«
Doch warnte Schäuble vor zu großer Siegessicherheit: »Wir müssen noch um jede Stimme kämpfen.«