3000 Orchideen im Naturschutzgebiet Taubergießen gestohlen
Taubergießen wurde geplündert: Im Naturschutzgebiet fehlen schätzungsweise 3000 Orchideen. Deren Knollen wurden laut Naturschützern eindeutig mit dem Spaten ausgegraben. Jetzt wurde Anzeige erstattet.
Dietmar Keil ist entsetzt: Im Taubergießen wurden auf mehreren Hektar Fläche rund 3000 einzigartige Orchideen gestohlen. »Es gibt kein Zweifel mehr daran, dass eine organisierte Verbrecherbande die Orchideenknollen ausgegraben hat«, sagt der Biologe, der vor 40 Jahren dafür sorgte, dass das Taubergießen zum Schutzgebiet wird.
Seit Jahrzehnten ist er im Areal unterwegs, viel beachtete Bücher und ausgezeichnete Naturfilme entstanden – und nun nach einer mehrstündigen Begehung die Erkenntnis, dass Diebe dem beschützten Bestand enorm zugesetzt haben: »Es wird mindestens 50 Jahre dauern, bis sich betroffenen Sorten einigermaßen wieder erholt haben – wenn der Bestand überhaupt zu retten ist.«
Abgestochene Erdkanten
Vergangene Woche hat der Experte eine Orchideentour im Bereich der Saukopfbrücke vorbereitet, Spinnen-Ragwurz und Hummel-Ragwurz standen in schönster Blüte. Als er fünf Tage später mit der Gruppe zur Wiese kam, fand der Naturschützer diese geplündert vor – nur abgestochene Erdkanten und abgerissenen Blütenstengel erinnerten an die einstige Pracht.
Inzwischen haben sowohl Keil als auch das Regierungspräsidium Freiburg, zuständig für die besonders geschützte Fläche Taubergießen, Anzeige erstattet. Zudem wurde nun auch die Polizei eingebunden: Sie fährt jetzt wohl nachts Streife, um die übrig gebliebenen Blumen etwas zu schützen. und sie sucht laut Pressemitteilung Zeugen, die zwischen dem 1. und 5. Mai etwas von dieser »nie dagewesenen Umweltstraftat« mitbekommen haben.
Ein überfälliger Schritt, findet Keil: »Eigentlich bräuchte man Ranger, die solche besonderen Bestände zumindest während der Blütezeit bewachen.« Er wirft dem RP vor, bei der Betreuung des Taubergießen zu lasch zu sein: »Sie haben es in 40 Jahren nicht hingekriegt und sollten das Gebiet in engagierte Hände übergeben«, schlägt Keil vor.
WWF, NABU oder BUND kämen seiner Meinung nach dafür in Frage. Diese Organisationen hätten andernorts bewiesen, dass sie die Naturschutzgebiete fachmännisch betreuen, zeigt der Experte am Beispiel von Donaueschingen auf. »Dort gedeiht der seltene Frauenschuh – die Orchideen werden während der Blüte von Rangern bewacht.«
5000 Euro Belohnung
Im Taubergießen dagegen klauten in den vergangenen Jahren Diebe immer wieder Orchideen. 2018 sei der einzige Bestand der ebenfalls seltenen Riemenzunge ausgegraben worden, habe ihm eine andere Naturschützerin berichtet so Keil. 2017 hat er selbst entdeckt, dass die Pyramidenorchideen von der Wiese verschwanden. Damals hätten sich die Verantwortlichen vom RP jeweils mit der Erkenntnis begnügt, es seien Wildschweine gewesen. »Diese These ist jetzt nicht mehr haltbar«, sagt Keil, der 5000 Euro Belohnung für die Identifizierung der Täter aussetzt.
Durch das hohe Ausmaß des Schadens könne man sich nun nicht mehr mit den Tieren herausreden: »Sie wühlen im Umfeld und fressen nicht nur eine Sorte Knollen.« Die Ragwurze dagegen wurden »sortenrein« gestohlen: Je nachdem, welche Sorte auf einer Wiese dominierte, wurde diese entnommen.
250.000 Euro Schaden
Die Orchideen würden vermutlich übers Netz verkauft – beziehungsweise der Teil davon, der wieder gedeiht. Denn selbst wenn die Blüten abgezwickt wurden, wachsen laut Keil bestenfalls die Hälfte der Knollen wieder an.
Die werden nach Recherchen seiner Tochter Silke Keil auf einschlägigen Portalen angeboten, die auf geschützte Arten wie Märzbecher, Trollblumen oder eben Orchideenarten unter getarnten Namen vertreiben. Kostenpunkt laut Keil: zwischen 80 und 120 Euro pro Pflanze. Die Polizei spricht von rund 250.000 Euro Schaden.