Einer der jüngsten Dirigenten der Ortenau
Dossier: 

"Als Dirigent bin ich wie ein DJ": Musiker Jannik Stähle im Porträt

Von Ellen Matzat-Sauter
Lesezeit 7 Minuten
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18. Januar 2023
Jannik Stähle ist schon von Kindesbeinen an fasziniert von Musik und dem Dirigieren. Als Kind sei er oft heimlich im Keller gestanden und habe zu Musik "herumgefuchtelt", erzählt er. 

(Bild 1/2) Jannik Stähle ist schon von Kindesbeinen an fasziniert von Musik und dem Dirigieren. Als Kind sei er oft heimlich im Keller gestanden und habe zu Musik "herumgefuchtelt", erzählt er.  ©Ellen Matzat-Sauter

In unserer Serie „Ortenauer Originale“ porträtieren wir Menschen mit dem gewissen Etwas. Heute (119): Jannik Stähle aus Bodersweier ist mit seinen 22 Jahren einer der jüngsten Dirigenten in der gesamten Ortenau. Er ist außerdem leidenschaftlicher Schlagzeuger.

Mit erst 19 Jahren übernahm Jannik Stähle im Corona-Jahr 2020 das Dirigat des Musikvereins Germania Kork mit 25 Musikern. Froh ist der junge Mann aus Kehl-Bodersweier, dass in diesem Orchester niemand während der langen Pandemie-Zeit sein Instrument für immer zur Seite legte. Gerade als sehr junger Dirigent würde er sich freuen, wenn jetzt Jungmusiker nachkommen würden, um die Kapelle zu verstärken. „Aber für viele Jugendliche und junge Erwachsene steht das zeitintensive Hobby ,Musik‘ einfach nicht an erster Stelle“, bedauert er.

Früher auch Handball gespielt

Bis zum Alter von vielleicht 14 Jahren seien die Wochentage mit verschiedenen Hobbys, von der Musik über Reiten bis hin zum Fußball, ausgefüllt. Schulisch und altersbedingt komme dann der Scheidepunkt, an dem ausgemustert werde. Entweder man mache ein Hobby richtig oder gar nicht mehr, blickt er zurück auf seine eigene Jugendzeit. Neben Musik spielte Stähle früher noch Handball und war im Schwimmverein.

„Es kam auch bei mir der Zeitpunkt, an dem ich mich für ein Hobby entscheiden musste, und das war für mich definitiv die Musik – Musik ist meine Leidenschaft“, betont er. Die musikalische Karriere des 22-Jährigen begann mit sieben Jahren im Musikverein Kehl-Bodersweier, wo er mit der Schlagzeugausbildung begann und später das Jungmusikerleistungsabzeichen „Silber“ absolvierte. Als ihm der Heimatverein nicht mehr genügte, trat er zusätzlich dem Musikverein „Harmonie“ Linx bei, wo er beim ehemaligen Dirigenten Mark Sven Heidt und Schlagzeuger Martin Glotz viel lernte.

Musikalische Mutter

Zur Musik kam Stähle durch seine Mutter, die Querflöte im Musikverein spielte und die er von klein auf gerne zu Konzerten begleitete. „Ihr reichte das Spielen in einem Orchester. Woher das Verrücktsein nach Musik, überall dabei sein zu wollen, herkommt, weiß ich nicht“, sagt Stähle. Schon als Kind habe er gerne auf Kochtöpfen herumgeklopft. Über musikalische Früherziehung sowie Blockflötenunterricht kam er schließlich zu seinem Wunschinstrument Schlagzeug. „Schlagzeuger sind ein gewiss etwas extrovertierter Menschenschlag mit viel Energie und sie haben etwas von einem Showman, der die Bühne liebt“, sagt Stähle.

Auch als Dirigent müsse man die Bühne lieben, weltoffen sein und mit Menschen umgehen können. Das musikalische Wissen und Können allein sei nicht alles. „Als Dirigent bin ich wie ein DJ, der seine Regler elektronisch auf höher oder tiefer sowie schneller oder langsamer schiebt und sich so sein Lied nach seinem Geschmack zusammenbastelt – nur eben nicht elektronisch sondern mit einem lebendigen Orchester“, sagt Stähle. Der Dirigent habe die Aufgabe, aus einer Vielzahl Einzelmusiker eine Einheit zu formen und die Feinheiten herauszupolieren. Außerdem seien für die Musiker die Einsätze und Impulse des Dirigenten sehr wichtig.

Nachwuchs-Sorgen

Der Bodersweierer liebt an seiner Dirigententätigkeit die Arbeit mit den Musikern, mit ihnen gemeinsam Stücke zu erarbeiten und ein Konzert auf die Beine zu stellen. „Das Gemeinschaftliche ist einfach etwas Tolles“, sagt er. Gleichzeitig trägt ihn die Sorge, dass dieses schützenswerte Kulturgut in wenigen Jahrzehnten aussterben könnte, weil in vielen Musikvereinen der Nachwuchs fehlt. Das Erlernen eines Instruments sei ein zeit-
intensives Hobby, für das neben dem Probenbesuch Ehrgeiz, zusätzlicher Einzelunterricht und Üben gehört, anders als beim Fußballtraining, bei dem der regelmäßige Besuch des Trainings ausreicht. Da auch die Erfolgsmomente meist erst später einsetzen als bei anderen Hobbys, werde Musik oft als erstes ausgemustert, bedauert er.

In der Region sei schon so mancher Musikverein aufgelöst oder mit anderen zusammengelegt worden. „Die Zeiten haben sich geändert“, sagt der junge Dirigent. Von seiner Mutter weiß er, dass in ihrer Kindheit früher fast jeder ein Instrument lernte und irgendwann im Musikverein spielte. So kam es, dass die Germania Kork in den 90er und Anfang der 2000er-Jahren rund 60 Musiker zählte. „Vielleicht findet ja auch der ein oder andere Ehemalige den Weg in die Reihen des Orchesters zurück, das würde mich sehr freuen“, zeigt sich Stähle optimistisch.

Das Hobby bewusst nicht zum Beruf gemacht

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Der junge Mann ist Musiker aus Leidenschaft. Zum Beruf wollte er Musik nach seinem Abitur 2019 allerdings nicht machen. „Ich wollte meine Leidenschaft als Hobby und Ausgleich behalten und es sollte kein ‚muss‘ daraus werden“, betont er. Dafür passte er seinen Beruf, den er ebenfalls sehr gerne ausübt, mit geregeltem Einkommen, regelmäßigen Arbeitszeiten und freien Wochenenden seinem Hobby an. Über diese Entscheidung war er gerade in der Corona-Zeit sehr dankbar. Als nächste Ziele nennt er das Konzert seines Orchesters Germania Kork in Kooperation mit dem Musikverein Diersheim am 13. Mai in Kork.

Sein größter Wunsch ist, dass ihm der Spaß und die Freude an der Musik weiterhin bei jedem Taktschlag erhalten bleiben. Gleichzeitig freut er sich über das Kennenlernen vieler Gleichgesinnter und des großen Musiker-Netzwerks. Da er gerade sein Ziel, den C3-Dirigentenschein, erreicht hat, will er jetzt erst mal Erfahrungen sammeln, bevor es an neue Etappen herangeht. Seinem Traum, ein großes, leistungsstarkes Orchester mit über 60 Musikern zu dirigieren, kam er beim Gemeinschaftskonzert der Musikvereine aus Kork und Diersheim im Herbst 2022 schon sehr nahe. Es war sein erstes Konzert als Dirigent, und gleichzeitig der bisherige Höhepunkt seiner musikalischen Karriere.

Leidenschaft früh entwickelt

„Von Marc Sven Heidts Dirigententechnik habe ich mich inspirieren lassen“, sagt der junge Mann. Denn das Dirigieren faszinierte ihn schon immer. Schon als Kind stand er versteckt im Keller und „fuchtelte“ zu Aufnahmen der Musikvereine mit. An die Öffentlichkeit trat seine Leidenschaft in der Jugendkapelle des Musikvereins Bodersweier, als Dirigent Stefan Weghaupt einmal nicht auftreten konnte und Stähle als damals 17-Jähriger das Dirigieren aushilfsweise übernahm. So rutschte er in die Position des Vize-Dirigenten und hatte ein paar Dirigenten-Auftritte mit der Jugendkapelle.

Im Dezember 2019 spielte er als Aushilfsschlagzeuger bei einem Kirchenkonzert in Legelshurst-Willstätt mit, bei dem auch Aushilfsmusiker aus Kork dabei waren. Nach dem Konzert wurde er gefragt, ob er es sich vorstellen könne, das Korker Orchester zu dirigieren. Das folgende Probedirigat im Januar 2020 war ein voller Erfolg.

Dirigentenlehrgänge

Der sogenannte Dirigentenlehrgang C3 stand schon vor der Dirigentenstelle in Kork auf Stähles Agenda. Elf Monate hatte der Bodersweierer neben seiner Berufsausbildung als Industriekaufmann und seinen zahlreichen musikalischen Tätigkeiten je ein Wochenende im Monat Unterricht in der Akademie des Bundes Deutscher Blasmusikverbände (BDB) in Staufen und absolvierte je fünf Praxis- und Theoriephasen sowie eine Prüfungsphase. Die Praxis-Prüfung absolvierte er im Januar 2022 mit 57,2 von 60 möglichen Punkten, die Theorie-Prüfung erst kürzlich am 4. Januar 2023 - das Ergebnis steht noch aus.

Der darauf aufbauende B-Schein, der in Trossingen (Landkreis Tuttlingen) absolviert werden kann, ist ein zweijähriges Dirigentenstudium, zu dem er zusätzlich ein Blechblas- und ein Holzblasinstrument sowie Klavier erlernen müsste. Momentan steht das nicht auf seinem Plan. „Ich persönlich kenne nur einen Dirigenten mit B-Schein in der Amateurblasmusik“, sagt er. Fortbildungen möchte Stähle in Form von Wochenendseminaren und Workshops machen sowie sich am Kursprogramm der BDB-Akademie in Staufen beteiligen.

Der Alltag ist prall gefüllt

Seit Oktober 2022 dirigiert Stähle auch die Jugendkapelle Nodehopser Linx/Diersheim, bei denen er früher selbst aktiv mitspielte. Mit seiner momentanen Situation als Musiker, Dirigent und auch beruflich als Industriemechaniker ist er rundum zufrieden. Der Alltag des jungen Künstlers ist prall mit Musik gefüllt, zusätzlich ist er nach wie vor in zwei Vereinen als Schlagzeuger aktiv. Regelmäßig ist er auch als Gastmusiker in Nachbargemeinden aktiv, oder nimmt Weiterbildungen wahr. Außerdem macht der 22-Jährige gerne bei Projektkonzerten des Auswahlorchesters der Blasmusikschule Kehl und des Sinfonischen Blasorchesters Mittelbaden, oft und gerne ist er bei Konzertreisen dabei.

Zur Person

Jannik Stähle

Jannik Stähle wurde am 26. September 2000 in Oberkirch geboren und wuchs in Kork und Bodersweier - beides Ortsteile von Kehl - auf. Nach dem Abitur 2019 am Anne-Frank-Gymnasium in Rheinau-Rheinbischofsheim, wo er nach wie vor gerne im Schulorchester als Schlagzeuger aushilft, absolvierte er seine Lehre zum Industriekaufmann, die er im Juli 2022 abschloss. Seit August 2022 arbeitet er in der Firma seines Vaters Onair Werbetechnik in Kehl-Auenheim mit. Wichtig ist Stähle vor allem eines: Der Bodersweierer appelliert an seine Generation und die Jugendlichen allgemein, den örtlichen Vereinen, egal welcher Sparte, mit Engagement die Treue zu halten, um das kulturelle Leben weiter aufrechtzuerhalten.

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