Umgang mit Missbrauchsfällen

Alt-Erzbischof Zollitsch gesteht "gravierende Fehler" ein

red/dpa
Lesezeit 3 Minuten
Jetzt Artikel teilen:
06. Oktober 2022
Mehr zum Thema

©Archivfoto: Patrick Seeger

Im September war ein für das Erzbistum Freiburg geplantes Missbrauchsgutachten überraschend auf April verschoben worden. Jetzt äußert sich der frühere Erzbischof Zollitsch –  und gesteht mit deutlichen Worten Fehler ein.

Der frühere Freiburger Erzbischof und Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, hat Fehlverhalten im Umgang mit Missbrauchsvorwürfen eingestanden. In einer am Donnerstag veröffentlichten Erklärung bat der 84-Jährige um Entschuldigung und sagte: „Ich habe mit meinem damaligen Verhalten und Handeln, Dokumentieren und Entscheiden gravierende Fehler gemacht und die Gefahren – auch von erneutem Missbrauch – verkannt.“ Dies beziehe sich sowohl auf seine Zeit als Personalreferent als auch auf seine Jahre als Erzbischof von Freiburg.

„Lange, zu lange Zeit haben mich in meiner Haltung und in meinem Handeln viel zu sehr das Wohl der katholischen Kirche und viel zu wenig die Anteilnahme am Leid der Betroffenen und die Fürsorge für die Opfer geleitet“, erklärte Zollitsch in einem zehnminütigen Video. Er sei „zu naiv, zu arglos“ gewesen und habe den Versprechungen der Täter geglaubt.

Dies bereue er von ganzem Herzen und bitte die Betroffenen um Verzeihung. „Ich weiß, dass ich nicht erwarten kann, dass Sie meine Entschuldigung annehmen.“ Die Katholikinnen und Katholiken bat er um „Vergebung für den Schaden, den ich durch mein Handeln unserer Kirche zugefügt habe“. Es schmerze ihn, dass er so dazu beigetragen habe, dass sich Menschen ihrer Kirche schämen müssten. „Ja, ich habe schwerwiegende Fehler gemacht.“

Missbrauchsfälle in Oberharmersbach

Bereits 2018 hatte Zollitsch Fehler im Umgang mit Missbrauchstaten katholischer Priester eingeräumt. Zuvor hatte der amtierende Freiburger Erzbischof Stephan Burger seinem Amtsvorgänger Zollitsch Fehler vorgeworfen. Bekannt sind Missbrauchsfälle in Oberharmersbach im Ortenaukreis. Dort waren mehrere Jugendliche von 1968 bis Anfang der 1990er Jahre vom Gemeindepfarrer missbraucht worden. Zollitsch war damals Personalreferent der Erzdiözese und hatte somit Verantwortung für die eingesetzten Geistlichen.

- Anzeige -

Die nun veröffentlichten Formulierungen sind im Vergleich zu anderen Schuldeingeständnissen deutscher Bischöfe auffallend deutlich und weitgehend. Zollitsch wies in seiner Erklärung daraufhin, dass er nach 2010 als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz erste Schritte zur Aufarbeitung des Missbrauchsskandals mit initiiert habe. In der Kirche habe damals eine „Kultur des Schweigens und der Verschwiegenheit nach außen, des Korpsgeistes und des Selbstschutzes“ geherrscht.

Gutachten sollte veröffentlicht werden

Am 25. Oktober sollte in Freiburg ursprünglich ein Gutachten über den Umgang mit sexuellem Missbrauch veröffentlicht werden. Im September war es jedoch auf kommenden April verschoben worden. Das Erzbistum begründete dies mit der Notwendigkeit einer weiteren rechtlichen Absicherung beim Datenschutz sowie Persönlichkeits- und Presserecht.

Der Bericht wird von der sogenannten AG Aktenanalyse erstellt. Vier externe Fachleute aus Justiz und Kriminalpolizei untersuchen unter anderem, welche Strukturen Vertuschung und Missbrauch in der Vergangenheit möglich gemacht haben. Der Betroffenenbeirat im Erzbistum Freiburg hatte die Verschiebung des Berichts als „harten Rückschlag“ bezeichnet. Ähnliche Gutachten hat es auch schon in anderen Bistümern, etwa in Köln und München, gegeben.

Zollitsch stand sechs Jahre, von 2008 bis 2014, an der Spitze der Bischofskonferenz und war damit in dieser Zeit Gesicht und Stimme der katholischen Kirche in Deutschland. Seit 2003 war er Erzbischof von Freiburg und zuvor von 1983 bis 2003 Personalreferent im Erzbischöflichen Ordinariat. 2014 ging er in den Ruhestand. Das Erzbistum Freiburg ist eine der größten katholischen Diözesen in Deutschland.

Mehr zum Thema

Weitere Artikel aus der Kategorie: Ortenau

Zielgenaue Präventions-Module bietet der Hilfsverein "Aufschrei gegen sexuelle Gewalt" an. Dabei geht es vor allem um Kinder und Jugendliche.
vor 2 Stunden
Benefizaktion der Mittelbadischen Presse
Aufgeklärte Kinder sind besser geschützt. Durch "Leser helfen" soll beim Verein "Aufschrei! gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Erwachsenen" auch die Prävention ausgebaut werden.
vor 19 Stunden
Lahr
Nachdem es zu einem Brand auf der A5 Höhe Lahr gekommen ist, hat sich ein Stau von zirka fünf Kilometern gebildet. Laut Polizei ist ein technischer Defekt für den Brand verantwortlich. Der Fahrer blieb dabei unverletzt.
Am Seibelseckle laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren: Ab 13 Uhr am heutigen Mittwoch sind die Skilifte in Betrieb. Viele Mitbewerber ziehen noch in dieser Woche nach.
vor 22 Stunden
Ortenau
20 bis 30 Zentimeter Neuschnee sind rund um die B500 gefallen. Ein Wert, der Skiliftbetreiber auf eine gute Saison hoffen lässt. Wintersportler können auf zwei Pisten schon ab Mittwoch fahren.
Im Grunde kann jeder und jede von einem Leistenbruch betroffen sein. Männer trifft es aber zehnmal häufiger als Frauen, vor allem in höherem Lebensalter.
vor 23 Stunden
Manche Betroffene spüren lange nichts
Laut Chef-Chirurg Volker Ansorge gibt es keine Präventionsmaßnahmen, um Leistenbrüche zu verhindern. Muskel- und Bindegewebsschwäche sowie familiäre Vorbelastung können die Entstehung aber begünstigen. Männer trifft es häufiger als Frauen.
LOGO / Die Bahn-Pendlerin, Eine Serie der Mittelbadischen Presse
29.11.2023
Kolumne
Früher habe ich über die Deutsche Bahn selten ein schlechtes Wort verloren. Bis ich vor fünf Jahren zur Pendlerin wurde: Jeden Tag – Freiburg nach Offenburg und Offenburg zurück nach Freiburg. Knapp 30 Minuten Fahrt. Theoretisch.
Hexen und Spättle in Gengenbach: Die Kandidatur von Frauen für den bisher ausschließlich von Männern besetzten Narrenrat stellt die Zunft vor eine Zerreißprobe.
28.11.2023
Frauen in der Fasnacht
Traditionell oder frauenfeindlich? In den Gremien der allermeisten Narrenzünfte gehören Frauen selbstverständlich dazu. Doch in Gengenbach hat die Kandidatur zweier Frauen für den Narrenrat einen Scherbenhaufen hinterlassen.
Stefan Mross freut sich auf das Jubiläumsjahr mit "Immer wieder sonntags".
28.11.2023
Rust
Der Ticketvorverkauf für die neue Saison hat begonnen. Für Moderator Stefan Mross wird es ein Jubiläum.
Bis Mitte November haben sich 1639 Nutzer bei der im Juni eingeführten App „Ortenau Mobil“ registriert.
28.11.2023
Update, aber kaum Neues
Bei der seit Juni verfügbaren "Ortenau Mobil App" haben sich bis Mitte November 1639 Nutzer registriert. Das Landratsamt ist damit zufrieden, sieht aber noch Luft nach oben.
Am Dienstag fällt für die meisten Schüler der Unterricht wegen des Lehrerstreiks aus.
27.11.2023
Ortenau
Die Gewerkschaft ruft angestellte Lehrer bundesweit zu einem Warnstreik auf. Auch die Ortenau muss sich am Dienstag auf Unterrichtsausfälle einstellen.
Wolgang Kollmer (rechts) nutzte die Spendenübergabe und hat sich mit Kolumnist Helmut Dold alias "de Hämme" unterhalten.
27.11.2023
Leser helfen
Der bisherige Verkaufserlös des Kolumnenbuchs kommt der Spendenaktion „Leser helfen“ für den Verein „Aufschrei“ zugute. Und weitere Buchvorstellungen sind in Planung – außerdem ein zweiter Band.
Vorhang auf, los geht's: Schwarzwaldradio-Chef Markus Knoll bedient die Fahrgäste für einen Tag im Bordbistro der Deutschen Bahn.
27.11.2023
Ein Tag als Mitarbeiter im Zug
Schwarzwaldradio-Chef Markus Knoll wechselt vom Mikrofon ins Bordbistro der Deutschen Bahn. Nicht für immer, sondern nur für einen Tag. Damit erfüllt sich Knoll einen Kindheitstraum – und hat im voll ausgelasteten Zug alle Hände voll zu tun.
27.11.2023
Appenweier
Zu einem Unfall mit zwei schwer Verletzten ist es laut Polizei am Samstagabend gekommen. Zwei Autos sollen zuvor zusammengestoßen sein. Der Unfallverursacher habe nur leichte Verletzungen gehabt. Die Polizei sucht noch nach Hinweisen.

Das könnte Sie auch interessieren

- Anzeige -
  • Das Stadtquartier Rée Carré bietet viele verschiedene Aktionen in der Adventszeit an.
    25.11.2023
    Offenburg: Aktionen und Events im Stadtquartier
    In der Adventszeit pflegt das Rée Carré lieb gewonnene Traditionen. Das Stadtquartier erstrahlt im Lichterglanz und bietet neben Glühwein und den vertrauten vorweihnachtlichen Düften ganz besondere Events, um die besinnliche Zeit zu begehen.
  • Petro Müller, Inhaber des Autohauses Baral in Lahr (rechts), und sein Sohn Gerrit suchen noch einen Mechatroniker, um das Team zu verstärken. 
    21.11.2023
    Im Suzuki-Autohaus Baral wächst die nächste Generation heran
    Das Suzuki-Autohaus Baral in Lahr hat sich auf Kleinwagen – neu und gebraucht - spezialisiert. Inhaber Petro Müller und sein Team setzen auf Beratung und Meisterservice in der Werkstatt.
  • Sie halten die Tradition des Bierbrauens hoch im Brauwerk (von links): Der neue Betriebsleiter und Braumeister Martin Schmitt, Geschäftsführer Oliver Braun, Ulrich Nauhauser, der ausgeschiedene Betriebsleiter und Braumeister, sowie Rick Pfeffer, der neue Braumeister.
    21.11.2023
    Brauwerk Baden: Immer am Puls der Zeit
    Die alte und neue Generation der Braumeister des Brauwerks Baden bieten den Kunden neben traditioneller Braukunst auch nachhaltige Ideen und neue Trends.
  • Marc Karkossa, Peter Sutter und Luis Weber (von links) haben das Start-Up Dyno aus der Taufe gehoben. 
    20.11.2023
    Offenburger Start-Up startet Großoffensive in Offenburg
    Mehr Geld im Alter: Das Offenburger Unternehmen "Dyno" will Arbeitnehmern Gutes tun. Die Mission des Start-ups: "Dyno rettet die Rente!"