Auch Tote sind für Gaffer in der Ortenau kein Tabu
Gaffer sind in der Ortenau ein Problem. Eine geplante Gesetzesverschärfung wird zwar von den Rettungskräften begrüßt. Am Hauptproblem, fotografierenden Neugierigen, dürfte diese aber wenig ändern.
Auf manche Zeitgenossen üben Unfälle einen unwiderstehlichen Reiz aus. Wolfgang Schreiber kennt diese Spezies genau. Er ist Presseprecher der Offenburger Feuerwehr. Schreiber erinnert sich noch genau an einen Vorfall auf der A 5 vor einigen Monaten. Damals hatte ein Sattelschlepper ein Unfallfahrzeug, das auf dem Seitenstreifen stand, gerammt und war von der Fahrbahn abgekommen. Zwei von drei Fahrspuren mussten gesperrt werden. Auf der dritten Spur sei es immer wieder zu gefährlichen Situationen gekommen, weil Autofahrer ihre Fahrzeuge willkürlich abgebremst hätten, um besser fotografieren zu können, sagt Schreiber.
Oft mit Gaffern zu tun
Auch die Offenburger Polizei hat es bei ihren Einsätzen oft genug mit Gaffern zu tun. Besonders beliebt bei ihnen sind spektakuläre Vorfälle. Alexander Roßkothen vom Verkehrskommissariat Offenburg nennt Unfälle mit Schwerfahrzeugen, viele Rettungskräfte oder Fahrzeugbrände. Beliebt bei Gaffern sind auch Unfälle in der Nähe von Brücken.
Menschen, die bei Unfällen ihre Sensationslust befriedigen wollen, gab es schon immer. Verschärft hat sich das Problem aber durch Smartphones mit Kameras und die sozialen Medien, davon ist Schreiber überzeugt. Das sieht auch Johannes Fechner, der rechtspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, so: »Die Sensationslust hat mit der flächendeckenden Verbreitung von Smartphones schlimme Ausmaße angenommen.« Auch vor Toten machen die Gaffer nicht halt. »Es wird zumindest versucht, diese zu fotografieren«, bestätigt Roßkothen.
Verändertes Ziel
Der sozialdemokratische Bundesjustizminister Heiko Maas hat einen Gesetzesentwurf eingebracht, der aktuell im Bundestag beraten wird. Der erste Entwurf vom vergangenen Sommer trug die »Bekämpfung von Gaffern« noch im Titel. Die Zielsetzung hat sich mittlerweile geändert. Zur Zeit würden zwei Varianten des Gesetzes diskutiert, wie Fechner, der Abgeordneter für den Wahlkreis Emmendingen-Lahr ist, erläutert.
Der Entwurf seines Genossen sieht eine Bestrafung nur vor, wenn Gaffer die Rettungskräfte mit Gewalt oder Drohungen bei ihrer Arbeit behindern. Die Initiative des Bundesrats gehe weiter. Sie fordert laut Fechner: »Wer Rettungskräfte behindert, wird bestraft.«
Keine Probleme
In der Ortenau gibt es damit bislang allerdings keine Probleme. Seine Beamten seien bisher von Gaffern weder beleidigt noch bedrängt worden, betont der Polizist. Schreiber kann sich ebenfalls an »kein Ereignis erinnern, bei dem ein Gaffer die Einsatzfahrt gestört hätte«. Auch bei Bränden seien die Neugierigen bisher nicht negativ in Erscheinung getreten.
Lücke schließen
Noch eine zweite Gesetzeslücke soll mit der Initiative geschlossen werden. »Das Fotografieren von Toten ist bislang noch nicht strafbar«, macht Fechner deutlich. Das Verbot solle helfen, das Andenken von Toten zu schützen.
Abseits der Gesetzesinitiative gibt es bisher schon Möglichkeiten, juristisch gegen Gaffer vorzugehen. Wer einen Verletzten fotografiere, könne dessen Persönlichkeitsrechte verletzen, warnt Fechner. Wenn Gaffer zu forsch Rettungskräfte behindern, könne es sich auch um eine Nötigung handeln. Unter Umständen sieht der Jurist auch den Tatbestand der fahrlässigen Körperverletzung erfüllt, »wenn die Rettungskräfte nicht rechtzeitig ankommen und der Betroffene dann schwerer verletzt ist«.
Der Polizist und der Feuerwehrmann begrüßen unisono eine Verschärfung der Gesetzeslage. Roßkothen fordert außerdem: »Zumindest das Fotografieren von Unfällen und Einsatzstellen durch Unberechtigte sollte sanktioniert werden können.« Schreiber bewertet das Gesetz als »sehr positiv«. Er sagt aber: »Es muss auch durchgesetzt werden können.«
Das unternimmt die Offenburger Polizei gegen Gaffer
Anzeigen wegen Nötigung oder wegen des Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht, wenn ein Verletzter fotografiert wird, wären laut dem SPD-Bundestagsabgeordneten Johannes Fechner bereits jetzt möglich. Alexander Roßkothen vom Verkehrskommissariat Offenburg sind allerdings keine Anzeigen bekannt. »Wenn es Einsätze gegen Gaffer gab, wurde die im direkten Dialog bewältigt«, sagt er und fügt hinzu: »Wir verhindern nach Möglichkeit auch das Fotografieren, wenn genügend Beamte zur Verfügung stehen.«
Die Verfolgung von Gaffern ist aus der Sicht von Roßkothen auch dann möglich, wenn Beamte bei einem Einsatz mit anderen Dingen beschäftigt sind. »Bei einer entsprechenden gesetzliche Regelung können auch nachträgliche Ermittlungen zum Erfolg führen«, ist er überzeugt. Für Johannes Fechner hängt dagegen der Erfolg im Kampf gegen Gaffer davon ab, ob ausreichend Beamte zur Strafverfolgung vor Ort sind.