Auswirkungen des Nationalparks auf den Tourismus brauchen Zeit
Auf die Übernachtungszahlen in der Region hat sich der Nationalpark Schwarzwald bisher kaum ausgewirkt. Dennoch setzen die Tourismusverantwortlichen auf das Naturschutzprojekt.
Wie groß muss eine Region sein und was muss sie ausmachen, um international als Marke und damit potenzielles Urlaubsziel wahrgenommen zu werden? Hierzulande gibt es bisher schon die Schwarzwald Tourismus GmbH, sie vertritt die touristischen Belange von 321 Gemeinden, die wiederum meist ihre eigenen, kleineren Tourismusgesellschaften unterhalten. Internationale Bekanntheit erreicht ein kleinräumiges Gebiet wie ein Tal auch aufgrund des zur Verfügung stehenden begrenzten Budgets für Werbung der zusammengeschlossenen Kommunen indes nur selten.
Das ist auch den Tourismusverantwortlichen vor Ort bewusst. Hier kommt nun der 2014 gegründete Nationalpark Schwarzwald als Vehikel ins Spiel, um vor allem international stärker Beachtung zu finden. „Die Gründung des Nationalparks Schwarzwald war ausschlaggebend dafür, dass sich inzwischen 27 Gemeinden zur Nationalparkregion Schwarzwald zusammengeschlossen haben mit dem Ziel, eine gemeinsame Marketinggesellschaft zu gründen, die ab 2021 das touristische Marketing für die Region übernehmen wird“, erklärt Tino Rettig von der Tourist-Information der Ferienregion Bühl – Bühlertal.
„Das wird noch dauern“
Patrick Schreib ist Tourismusdirektor in Baiersbronn und gleichzeitig Geschäftsführer der neuen Nationalparkregion. Er ist der Ansicht, der Nationalpark habe viele Prozesse in Gang gesetzt und die Aufmerksamkeit auf die Region gelenkt. Wenngleich sich die Anzahl der Tagesgäste im Park erhöht habe, würden die Gemeinden bei den Übernachtungszahlen aber noch keine signifikante Veränderung feststellen. „Das wird auch noch eine Weile dauern“, prognostiziert Schreib. Die Übernachtungszahlen alleine seien aber auch keine hinreichende Kennzahl, um eine touristische Entwicklung darzustellen.
Damit sich die Aufmerksamkeit, die der Nationalpark der Region verschafft, auch touristisch niederschlägt, müssten viele Prozesse um das Naturschutzgebiet herum ablaufen. „Im Nationalpark selbst übernachtet kaum jemand“, betont Schreib. Es gehe dabei um das Verkehrskonzept und das bereits erarbeitete nachhaltige Tourismuskonzept, um gemeinsame Aktionen und den Aufbau von Infrastruktur. „Damit sich eine Region touristisch entwickelt, reicht eine Attraktion nicht aus, es braucht ein Zusammenspiel“, erklärt Schreib. Das Besucherzentrum am Ruhestein sei so eine Attraktion, die vom Land geschaffen werde. Für die erwarteten 200 000 Besucher pro Jahr müsse es aber auch Übernachtungsmöglichkeiten geben, Erlebnispfade und ein gastronomisches Angebot.
Bei anderen geplanten Attraktionen mussten die Nationalparkgemeinden bisher indes Rückschläge einstecken. Die „Anima Tierwelt“ bei Sasbachwalden – ein laut Schreib „unglaublich tolles Projekt“ – scheiterte an zu hohen Kosten genauso wie der Wildtierpark an der Alexanderschanze. Mit Enttäuschungen oder gar Schuldzuweisungen hält sich Schreib indes zurück. „Ich sehe das entspannter, alles hat seine Zeit.“ Es sei nicht die Aufgabe des Landes, touristische Attraktionen zu schaffen, sondern sie möglich zu machen. „Das Land investiert viel Geld in das Infozentrum und die Regiobuslinien. Unsere Aufgabe als kommunale Träger ist es, den Rahmen zu schaffen, damit private Investitionen möglich sind.“ Auch wenn der Nationalpark bereits sechs Jahre existiert, befinde man sich noch ganz am Anfang, es brauche zehn bis 20 Jahre, bis sich die Auswirkungen des Nationalparks im Tourismus niederschlagen.
Im Renchtal, insbesondere in der Nationalpark-Gemeinde Oppenau, ist der Auftrieb durch den Nationalpark laut Gunia Wassmer indes bereits „deutlich spürbar, die Allerheiligen Wasserfälle mit Klosterruine zählen zu den meist besuchten Attraktionen“. Daten einer repräsentativen Gästebefragung, ob die Urlauber aufgrund des Nationalparks ins Renchtal kommen, gebe es bislang allerdings nicht, betont die Geschäftsführerin der Renchtal Tourismus GmbH. „Gerade für Urlauber, die unsere Region noch nie besucht haben, ist dies sicherlich ein Entscheidungsgrund mehr.“ Nationalparks seien international ein Begriff bei Menschen, die fremde Länder und ihre Natur erleben wollen. Den Aufbau zusätzlicher Attraktionen betrachtet Wassmer skeptisch, da es dann immer schwieriger werde, den Charakter des Nationalparks als unberührter, geschützter Naturraum zu bewahren. „Gerade aufgrund der großen Besucherzuwächse ist die Balance zwischen Besucherlenkung und der Wahrung unberührter Flächen eine große Herausforderung.“ Die Chance liegt ihrer Meinung nach in der Verknüpfung mit der Region um das eigentliche Schutzgebiet herum, „so können Gäste neben den Naturschutzthemen weitere einzigartige Kulturlandschaften der Vorbergzone erleben, die durch Land- und Forstwirtschaft sowie Wein- und Obstbau geprägt sind“. Damit könne auch die Wertschätzung für hochwertige regionale Erzeugnisse und heimische Produkte weiter gesteigert werden.
Kleine Mosaiksteine
Tino Rettig von der Tourist Information der Ferienregion Bühl – Bühlertal sieht das ähnlich: „Letztendlich gilt es, unsere Schwerpunktthemen Naturerlebnisse, Regionalität, Kulinarik und Kultur interessant und nachhaltig zu inszenieren.“ Das Gebot der Zeit seien nicht „die großen Investitionen, die Menschenmassen anziehen, sondern viele kleine Mosaiksteine, die das gemeinsame Erlebnis in den Mittelpunkt stellen“.
„Die Übernachtungszahlen sind sicherlich eine wichtige Kenngröße, entscheidend ist am Ende aber der Zuwachs an Kaufkraft insgesamt, und hierbei spielen die Tagesbesucher eine zunehmend wichtigere Rolle.“ Während Rettig für die Übernachtungsbetriebe noch keine wesentlichen Impulse durch den Nationalpark registriert, sehe die Situation bei den gastronomischen Betrieben anders aus. „Insbesondere im Höhengebiet, aber auch in den Gemeinden direkt verzeichnen die Betriebe ein erhöhtes Aufkommen an Tagesbesuchern.“
Die Rolle der Stadt Baden-Baden
„In den vergangenen Jahren zeichnete sich glücklicherweise ohnehin sowohl für den Schwarzwald, als auch für Baden-Baden ein positiver touristischer Trend ab, daher ist es natürlich nicht leicht festzumachen, welcher Anteil des Wachstums konkret auf den Nationalpark zurückzuführen ist“, sagt Nora Waggershauser, Geschäftsführerin der Baden-Baden Kur und Tourismus GmbH.
Die Stadt ist ebenfalls Mitglied der Nationalpark-Region und spürt laut Waggershauser „generell, dass das Thema Nationalpark touristisch gut zu der wachsenden Bedeutung von Nachhaltigkeit, Naturerlebnis und Entschleunigung passt“. Besonders in den letzten Corona-geprägten Monaten seien diese Themen noch relevanter geworden“. Für Baden-Badener Gäste, „die sich ja bewusst für eine Städte-Destination entscheiden“, stelle die Nähe zum Nationalpark Schwarzwald aber sicher nicht den ausschlaggebenden Hauptreisegrund dar.