Babys mit Herzfehlern: Nach der Geburt sofort in den OP
Die Aktion „Leser helfen“ ist fast zu Ende. Im Schluss-Interview erklärt Herzspezialist Johannes Kroll, wieso manche Babys mit Herzfehlern sofort nach der Geburt operiert werden müssen.
Die Benefizaktion „Leser helfen“ der Mittelbadischen Presse befindet sich auf der Zielgeraden. Das traditionelle Neujahrsschwimmen in der World of Living von Weber Haus in Linx wird am kommenden Sonntag der krönende Abschluss einer äußerst gelungenen Weihnachtsaktion sein.
Gestern standen knapp 180.000 Euro auf dem Spendenkonto. Eine höchst respektable Summe, die zu 100 Prozent der Elterninitiative „Herzklopfen“ zugute kommt. Die Eltern wollen damit den Kauf eines Hauses in der Nähe der Kinderherzklinik Freiburg mitfinanzieren, um dort ein dringend benötigtes Elternhaus einzurichten.
Seit vielen Jahren schon kümmert sich die Selbsthilfegruppe intensiv um betroffene Eltern, damit diese in unmittelbarer Nähe ihrer schwer herzkranken Kinder sein können. Viele davon stehen unmittelbar vor einer Herzoperation oder haben diese gerade hinter sich. Eine Herzoperation ist immer dann notwendig, wenn ein angeborener Herzfehler bei einem Kind akut oder im Laufe des späteren Lebens zu einer körperlichen Beeinträchtigung oder zum vorzeitigen Tod führen kann. Etwa die Hälfte aller festgestellten Herzfehler müssen operiert werden, das sind in Freiburg jährlich rund 250 Kinderherzen.
Der habilitierte Oberarzt und Leiter der Sektion Kinderherzchirurgie am Universitäts-Herzzentrum Freiburg, Johannes Kroll, erklärt im Interview, wann ein chirurgischer Eingriff notwendig wird.
Herr Kroll, welche Operationen führen Sie am Herzen durch?
Prinzipiell führen wir in Freiburg alle Herzoperationen bei angeborenen Herzfehlern durch. Dazu zählen auch sehr aufwendige, schwierige Operationen bei sehr komplexen Herzfehlern. In den meisten Fällen können wir die Herzen „reparieren“. Wenn beispielsweise ein großes Loch in der Kammer-Scheidewand ist, so muss dieses unbedingt vor dem ersten Geburtstag operativ verschlossen sein. Sonst nimmt neben dem Herzen besonders die Lunge einen großen Schaden, der im fortgeschrittenen Kindesalter zum Tode führt. Einige Herzfehler bedürfen der Operation bereits in der ersten Lebenswoche oder sogar am Tag der Geburt. Bei anderen Kindern ist sie weniger dringlich und kann im ersten Lebensjahr erfolgen. Allerspätestens bis zum Zeitpunkt der Einschulung sollten alle Kinder mit angeborenen Herzfehlern so operiert sein, dass sie möglichst keine weitere Operation im Kindesalter mehr benötigen.
Wie werden diese Operationen durchgeführt?
Nahezu alle Operation werden mit Anwendung der Herz-Lungen-Maschine durchgeführt. Es wird kontinuierlich sauerstoffreiches Blut für Gehirn und Körper zur Verfügung gestellt. Diese Maschine ist erforderlich, um bei der Korrektur des Herzfehlers das Herz öffnen zu können und es blutleer zu haben. Wichtig ist dabei, dass der Herzmuskel während des Operierens am Schlagen gehindert wird. Dafür verwenden wir eine spezielle Flüssigkeit, die ihn vorübergehend lähmt und gleichzeitig Nährstoffe zuführt. Je nach Komplexität dauern die OPs am Herzen zwischen zwei und acht Stunden.
Wie schwer ist es, an so kleinen Herzen zu operieren?
Man braucht sehr viel Training, Erfahrung, Geschick und Geduld, um ein guter Kinderherzchirurg zu sein. Ich liebe meinen Beruf seit über 30 Jahren. In den letzten Jahren haben sich die technischen Voraussetzungen stetig verbessert. Sehr feine Instrumente und exzellente Nahtmaterialien ermöglichen es uns, auch bei Neugeborenen eine Kinderherz-OP mit sehr niedrigem Operationsrisiko durchzuführen. Auf jeden Fall gehören die bei sehr kleinen Kindern zu den schwierigsten Herzoperationen überhaupt!
Gibt es Unterschiede (abgesehen von der Größe) zu Herz-OPs bei Erwachsenen?
Ja. Der Herzmuskel des Säuglings und kleinen Kindes ist deutlich empfindlicher. Bei Erwachsenen finden die allermeisten Herz-OPs an verengten Herzkranzarterien oder an den Herzklappen statt. Bei Kindern ist die Varianz viel größer. Es können bei Kindern auch mehrere Herzbesonderheiten miteinander verbunden sein: Fehlende Herzklappen, Löcher in Trennwänden, Engstellen, vertauschte große Arterien oder sogar das Fehlen einer Herzhälfte sind möglich. Mitunter sind Herzfehler bei Neugeborenen so komplex, dass die chirurgische Anforderung ebenfalls einen viel höheren Komplexitätsgrad hat.
Welche Voraussetzungen braucht es, dass eine Herz-OP erfolgen kann?
Wir benötigen ein großes Team an Experten: einen Narkosearzt, der spezialisiert auf Narkosen bei Kindern mit angeborenen Herzfehlern ist, ein erfahrenes Chirurgenteam, speziell qualifizierte Kardiotechniker für den Betrieb der Herz-Lungen-Maschine und ebenfalls erfahrene OP-Schwestern, welche in der Handhabung des speziellen Instrumentariums geübt sind. Ebenso wichtig für den dauerhaften Erfolg einer Herzoperation ist eine wirklich gute Kinderherzintensivstation. Die Kinder kommen noch in Narkose dorthin und brauchen in den ersten Stunden und Tagen bestens geeignete Pflegekräfte und Ärzte, damit sie wieder möglichst schnell nach Hause können.
Wie gefährlich ist eine OP am offenen Herzen?
Dank des tollen Fortschrittes in unserem Fach und dem Erfahrungszuwachs der behandelnden Ärzte hat die Gefährlichkeit einer Kinderherzoperation in den letzten Jahren erheblich abgenommen. Weit über 90 Prozent der Kinderherzoperationen können heutzutage mit einem Risiko von einigen wenigen Prozent durchgeführt werden.
Was lieben Sie an ihrem Beruf besonders?
Ich freue mich sehr, wenn ich einem Kind zu einem gesunden Leben verhelfen kann. Die strahlenden Augen der Eltern und die netten Worte bei der Entlassung sind ein großer Lohn. Toll ist es auch, nach ein oder zwei Jahren einen Brief mit Fotos von den Familien zu bekommen. Da weiß ich, dass ich etwas Wichtiges und Nachhaltiges machen konnte.
Alle Berichte und Interviews zur aktuellen Hilfsaktion finden Sie unter www.leser-helfen.de