Boris Palmer wirbt in Offenburg für „Dialog über Fakten“
Gegen einen „Grenzwertfetischismus“ und absurde Verwaltungsvorschriften sprach sich Boris Palmer am Donnerstagabend beim kommunalpolitischen Neujahrsempfang der Mittelbadischen Presse im Offenburger „Freiraum“ aus.
An einem Experiment konnten sich am Donnerstagabend die rund 110 geladenen Gäste beim kommunalpolitischen Neujahrsempfang der Mittelbadischen Presse beteiligen. Als Versuchsleiter fungierte Boris Palmer mit dem Ziel, anhand des Themas Klimawandel nachzuweisen, „dass ein Dialog über Fakten fruchtbarer ist, als eine Diskussion darüber, dass wer nicht an den Klimawandel glaubt, ein schlechter Mensch ist“.
Der grüne Oberbürgermeister Tübingens, bekannt als Querdenker, der auch in den Reihen seiner eigenen Partei mitunter aneckt, ließ darüber abstimmen, wer an den menschengemachten Klimawandel glaubt (96 Prozent). Je weiter er jedoch auf die Zusammenhänge zwischen CO2- und Temperaturanstieg in der Vergangenheit einging, desto größere Unsicherheit schlich sich bei den Gästen ein.
„Wir müssen selbstbewusster auftreten“
An die versammelten Politiker gewandt plädierte Palmer dafür, mehr Verantwortung zu übernehmen und nannte als Beispiel die Frage nach dem Brandschutz und konkret das Tübinger Schloss, dessen Innenhof 400 Menschen fasse, aufgrund der engen Zugangstore jedoch nur 250 erlaubt sind. Die Gefahren, im Straßenverkehr oder zu Hause im Bett zu sterben seien statistisch gesehen weitaus größer, als durch einen Brand bei einer Veranstaltung. „Trotzdem investieren wir zig Milliarden Euro in den Brandschutz.“ Die Frage, ob er die Verantwortung dafür übernehmen wolle, wenn bei einem Brand Menschen ums Leben kommen, könne er bejahen. Es fehle in der Politik an Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, es herrsche der Gedanke vor, „bevor ich in den Knast gehe, mache ich es lieber“. Das Geld sei jedoch für die Menschen sinnvoller in die Gesundheitsversorgung investiert. „Wir müssen selbstbewusster auftreten und uns als kommunale Familie mehr Gehör in Berlin verschaffen“, forderte Palmer.
Zitate Boris Palmer, OB von Tübingen
Hört auf mit dieser höchst merkwürdigen und durch keinerlei Fakten gedeckten Luftreinhaltungspolitik.
Cola ist um ein vielfaches gefährlicher als Diesel – ich will jetzt aber gar nicht damit anfangen, dass man Cola verbieten sollte.
Wir bemühen uns nicht, die Tatsachen zu ergründen, sondern sind zu viel damit beschäftigt, uns in Lager zu teilen und dann übereinander herzufallen.
Als Beleg für einen in Deutschland vorherrschenden „Grenzwertfetischismus“, der lediglich den Zahlen, nicht aber der Gesundheit diene, nannte der Oberbürgermeister Richtlinien zur Luftreinhaltung in Städten, wegen der Fahrspuren gesperrt oder Lärmschutzwände verlegt werden, um größere Abstände zu Messstationen zu erhalten, ohne, dass sich dadurch die Luft bessere. „Hört auf damit, die Richter die Politik machen zu lassen“, betonte Palmer bezüglich gerichtlich erlassener Fahrverbote.
Neues Layout für die Zeitung
In Anspielung auf Boris Palmers „Dickschädeligkeit“, mit der er seine Meinung vertritt, überreichte Wolfgang Kollmer Palmer einen Kalender des Fotografen Sebastian Wehrle, der Kühe zeigt. Er habe den Eindruck, dass der Mittelbadischen Presse im vergangenen Jahr die „Balance aus vertrauensvoller Nähe und kritischer Distanz“ zur Politik „ganz gut gelungen ist“, sagte der Redaktionsleiter der Mittelbadischen Presse. Er wünschte den anwesenden Kommunalpolitikern „im Umgang mit den Bürgern, real wie digital“, im neuen Jahr eine gute Hand und versprach, sie „dabei mit unseren Medien wieder intensiv zu begleiten“ – auch mit Videos, von denen das Team von Mittelbadische Presse TV im vergangenen Jahr 1500 produziert hat.
In einer „kleinen Werkstattschau“ ging Kollmer auf die bevorstehenden Entwicklungen bei Reiff Medien ein. Zentrales Dauerprojekt sei der Ausbau der crossmedialen Strategie, „also das Vernetzen unserer Marken und Plattformen“. Ziel sei „die digitale Transformation unseres Kerngeschäfts“. Die gedruckte Zeitung werde dabei aber nicht vernachlässigt. In wenigen Wochen werde sich die Zeitung mit modernisiertem Layout präsentieren kündigte er an. Nachdem in den letzten sieben Jahren die digitale Reichweite auf täglich fast 45 000 Besucher auf „Baden online“ gesteigert werden konnte, soll die im März 2018 eingeführte Bezahlschranke künftig noch stärker am Nutzerverhalten ausgerichtet werden. „Außerdem wird es zeitnah eine moderne bo-App geben“, erklärte der Redaktionsleiter.
Zitate Wolfgang Kollmer, Redaktionsleiter
In einer funktionierenden Demokratie brauchen Politik und Medien einander – nicht in Klüngelei, sondern in einem gesunden Spannungsverhältnis, um Politik begreifbar zu machen.
Unser Flaggschiff, die Zeitung, schlägt sich in dieser Zeit des Medien- und Nutzerwandels tapfer: Der allgemeine Auflagenrückgang geht zwar auch an uns nicht spurlos vorbei, aber wir halten mit zweistelligen Prozent-Zuwächsen beim E-Paper dagegen.
Wir werden unsere Zeitung in wenigen Wochen mit einem völlig neu überarbeiteten Konzept präsentieren.
Für Unterhaltung beim kommunalpolitischen Neujahrsempfang sorgte das „Autoren Duo“, bestehend aus Thomas Hafen und Alfred Metzler, musikalisch begleitet von Hannah Schiekofer und Roland Jäckle.