So stellt sich die Mittelbadische Presse für die Zukunft auf

Chefredaktion gewährt mit Podiumsdiskussion bei Nectanet Einblick

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05. Oktober 2023
Jens Sikeler (von links), seit Juni Redaktionsleiter der Mittelbadischen Presse, und sein Vorgänger im Amt und jetziger Herausgeber, Wolfgang Kollmer, skizzierten im Gespräch mit Moderator Markus Knoll vor Vertretern der regionalen Wirtschaft und Politik den journalistischen Anspruch und die strukturelle Neuausrichtung des Reiff-Verlags. Zur Podiumsdiskussion eingeladen hatte Nectanet, die Wirtschaftsförderung des Ortenaukreises.

(Bild 1/3) Jens Sikeler (von links), seit Juni Redaktionsleiter der Mittelbadischen Presse, und sein Vorgänger im Amt und jetziger Herausgeber, Wolfgang Kollmer, skizzierten im Gespräch mit Moderator Markus Knoll vor Vertretern der regionalen Wirtschaft und Politik den journalistischen Anspruch und die strukturelle Neuausrichtung des Reiff-Verlags. Zur Podiumsdiskussion eingeladen hatte Nectanet, die Wirtschaftsförderung des Ortenaukreises. ©Christoph Breithaupt

Mit glaubwürdigem Journalismus, vertiefender Recherche und dem sinnvollen Einsatz Künstlicher Intelligenz stellt sich die Mittelbadische Presse für die Zukunft auf. Bei einer Podiumsdiskussion bei Nectanet erläutert Redaktionsleiter Jens Sikeler seine Ansätze.

Für Dominik Fehringer ist es „ein schöner Anlass, aber auch ein ernster“, zu dem er am Dienstag in der Nectanet-Lounge in Offenburg rund 70 geladene Gäste aus der regionalen Wirtschaft und der Kommunalpolitik begrüßt. Erstmals in der Geschichte der Wirtschaftsförderung Nectanet, ehemals Wirtschaftsregion Ortenau (WRO), gibt mit der Mittelbadischen Presse ein Unternehmen bei einer Podiumsdiskussion Einblick in seine strukturelle Ausrichtung. 

Das digitale Zeitalter stellt die Medien vor Herausforderungen. Verlage werden laut Nectanet-Geschäftsführer Fehringer gar totgeredet. Er sei aber überzeugt, dass sie eine Zukunft haben und hoffe dies auch, „weil eine Redaktion ein Filter ist, manchmal natürlich auch ein ideologisch gefilterter. Aber der totale Wahnsinn der ungefilterten Plattform bleibt uns meist erspart“. Denn mittlerweile könne jeder in den Sozialen Medien Öffentlichkeit selbst herstellen. „Das ist Segen und Fluch zugleich.“ Denn im besten Fall seien die Posts erfolgreiches Eigenmarketing, „im schlimmsten Fall sind sie Hass und Hetze“, betont Fehringer. Er bezeichnet die derzeitige Situation als „kommunikativen Urzustand“, in dem viele Informationsteilchen ungeordnet durch das Universum fliegen. Die Konsequenz: Informationsüberlastung.

„Artikel müssen gut recherchiert sein und man muss ausgewogen berichten.“

Diese Entwicklung bekommen auch die rund 40 Redakteure der Mittelbadischen Presse zu spüren. „Unsere Glaubwürdigkeit wird immer wieder in Frage gestellt. Menschen tun sich mitunter schwer, Fakten zu akzeptieren“, sagt Redaktionsleiter Jens Sikeler im Gespräch mit Moderator Markus Knoll. Er will deshalb die Arbeit der Redaktionen transparenter und deutlich machen, „nach welchen Maßstäben wir schreiben und recherchieren“. Letzten Endes sei Journalismus ein Handwerk. „Artikel müssen gut recherchiert sein und man muss ausgewogen berichten. Wir schreiben auf, was ist.“ Eine Absage erteilt Sikeler an die Art von Journalismus, bei dem die Meinung des Redakteurs in Artikeln gleich mitgeliefert wird. „Dafür haben wir die Kommentare.“

Wolfgang Kollmer (64), der die Redaktionsleitung zum Juni an Sikeler abgegeben hat und seither Herausgeber der Mittelbadischen Presse ist, hat erlebt, wie das digitale Zeitalter den Journalismus in den vergangenen 15 Jahren verändert hat. Und er weiß, dass die Entwicklung sich durch die Verfügbarkeit Künstlicher Intelligenz (KI) noch beschleunigen wird. 

„Wir schauen uns genau an, wo die Vorteile und Nutzbarkeit der KI im redaktionellen Bereich liegen“, kündigt Sikeler an. Positiv wertet er, dass die Zeitungsverlage derzeit „an der Spitze einer technologischen Revolution stehen“. So stehe der Reiff-Verlag bereits mit einem Anbieter im Austausch, der erfolgversprechende Ansätze liefere, das Zeitungslayout und die Fehlersuche mit Hilfe von KI zu vereinfachen. Die neuen Freiräume sollen den Redakteuren mehr Zeit für die Recherche guter Artikel abnehmen. Denn diese Aufgabe könne Künstliche Intelligenz nicht übernehmen.

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Auch der Frage, was die Leser interessiert, wollen Sikeler und sein Stellvertreter Christian Wagner, der zugleich die Lokalredaktion des Offenburger Tageblatts leitet, verstärkt nachgehen. „Wir werden uns dafür das Nutzungsverhalten unserer Leser anschauen“, kündigt Sikeler an. Schon jetzt zeichne sich ab, dass Artikel mit Nutzwert einen größeren Stellenwert bekommen werden. Ein Gradmesser sei bereits die Auswertung der meistgelesenen Artikel auf dem Onlineportal www.bo.de der Mittelbadischen Presse.

„Gerade in herausfordernden Zeiten brauchen wir Orientierung in der Gesellschaft.“

Anders als viele Mitbewerber will sich der vor über 200 Jahren gegründete Reiff-Verlag nicht aus der Fläche zurückziehen. Denn eine Lokalzeitung sei auch ein Stück Heimat, betont der Redaktionsleiter. Um das zu gewährleisten, sollen unter anderem zusätzliche Mitarbeiter eingestellt, investigativer Journalismus betrieben und Abläufe in den Redaktionen verbessert werden, so dass die Leser davon profitieren. Für Sikeler geht es dabei um ein Selbstverständnis: „Denn wer sich mit einem Niedergang abfindet, macht auch den entsprechenden Journalismus“.

Für Nectanet-Geschäftsführer Dominik Fehringer sind Medien eine wichtige Instanz im Informationsgefüge, die etwas Ordnung ins Chaos bringen. „Gerade in herausfordernden Zeiten brauchen wir Orientierung in der Gesellschaft.“ Diese sei angewiesen auf Institutionen wie Zeitungen, die einen und nicht trennen. „Die Medien haben eine ganz große Verantwortung“, betont Fehringer. 

Auch Oberkirchs Oberbürgermeister Gregor Bühler stellt an diesem Abend fest: „Wir leben in einer Gesellschaft, die sich immer mehr spaltet.“ Er kritisiert, die Mittelbadische Presse leiste mit ihrem Selbstverständnis, „Kontrolleur der Mächtigen“ zu sein, dieser Spaltung Vorschub. „Jeder von uns versucht sein Bestes und bekommt dann Knüppel zwischen die Beine.“

„Wir sind uns unserer Verantwortung im Umgang mit der Kommunalpolitik bewusst“, erwidert Sikeler. Er habe sich aber schon immer schwer damit getan, „wenn eine seltsame Übereinkunft zwischen Redakteuren und Kommunalpolitikern herrscht“. Wenn etwas in einer Stadt oder Gemeinde nicht gut läuft, berichte die Mittelbadische Presse deshalb genauso darüber, wie wenn etwas gut läuft. „Sie können sich aber bei uns auf bestimmte journalistische Maßstäbe verlassen. Dazu gehört, dass wir alle Beteiligten vor Veröffentlichung eines Artikels hören“, sichert er Bühler zu.

Kappelrodecks Bürgermeister Stefan Hattenbach verteidigt indes die von Sikeler ausgegebene journalistische Haltung: „Machen Sie keine Hofberichterstattung für Kommunen, aber suchen Sie auch nicht nur das Haar in der Suppe.“ Er sieht die Glaubwürdigkeit von Reiff Medien als hoch an. „Da sind tolle Menschen am Werk. Aber wo Menschen sind, passieren auch mal Fehler.“ Lobend erwähnt er die Seiten „Aus Vereinen, Schulen und Kindergärten“, auf denen sich die Menschen im Ortenaukreis regelmäßig wiederfinden können.“ 

Hintergrund

Die regionale Wirtschaft im Fokus

An die versammelten Vertreter der regionalen Wirtschaft appellierte Wolfgang Kollmer, Unternehmensentwicklungen zu kommunizieren und aktiv an die Mittelbadische Presse heranzutreten. "Wir haben hier viele Firmen, die einen richtig guten Job machen, aber über keine Presseabteilung und damit auch keinen Draht zu den Medien haben", sagte der Herausgeber.

Die regionale Wirtschaftsberichterstattung soll bei der Mittelbadischen Presse weiter ausgebaut werden. "Wir berichten über alles, was relevant ist", betonte Kollmer. Und das sei die Wirtschaft, da es um Arbeitsplätze und Kaufkraft in der Region gehe. Und Redaktionsleiter Jens Sikeler fügte hinzu: "Wir freuen uns, wenn wir nicht nur über Insolvenzen, sondern auch über Erfolgsgeschichten berichten dürfen." 

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