Den Armen helfen: Nepal ist zweite Heimat von Christel Graf geworden

(Bild 1/3) Mehr als dreißig Reisen nach Nepal hat Christel Graf mittlerweile nach Nepal unternommen. Und die rüstige Rentnerin setzt sich weiter unermüdlich für die arme Bevölkerung des Landes im Himalaya-Gebirge ein. Das große Bild zeigt sie mit einer Nepal-Flagge. Fast täglich sitzt die 78-Jährige an der Nähmaschine, um ihre Kreationen herzustellen, die sie für Nepal verkauft. Nur wenig Zeit hat Graf für ihren Garten – den übernimmt meistens ihr Ehemann. ©Regina de Rossi
In unserer Serie „Ortenauer Originale“ porträtieren wir Menschen mit dem gewissen Etwas. Heute (102): Christel Graf aus Sasbachwalden setzt sich schon seit vielen Jahren erfolgreich für die ärmsten Menschen in Nepal ein. Sie unterstützt etwa den Bau von Schulen.
"Wenn ich anfange, von Nepal zu erzählen, kann ich gar nicht mehr aufhören.“ Die blauen Augen der älteren Damen blitzen schelmisch aus ihrem Gesicht und nur zu gerne lässt man sich mitnehmen auf die Reiseerzählungen aus einem fernen Land, das sie mehr als dreißig Mal besucht hat. Doch nicht nur das. Christel Graf aus Sasbachwalden hat dieses Land ebenso lange unterstützt und wird es auch weiterhin tun.
„Meine Tochter war die erste, die nach Nepal gereist ist“, erinnert sich die 78-Jährige. „Bei der zweiten Reise hat sie mich mitgenommen und auf der Heimfahrt habe ich nur geweint, weil ich dachte, das war das erste und letzte Mal, dass ich in diesem besonderen Land war.“ Wie sehr sie sich doch täuschen sollte. Heute weiß sie: „Nepal besucht man entweder immer wieder oder nie mehr“.
Der Flughafen von Katmandu hat wenig mit den europäischen Flughäfen gemein. „Es ist schon erst mal ein Schock, in dieser lauten Stadt zu sein“, sagt Graf. Der Schmutz und die stickige Luft, der Verkehr und der Lärm seien gewöhnungsbedürftig, doch sie weiß, dass eine unglaubliche Natur auf sie wartet. Und Menschen. Gastfreundliche, ehrliche Menschen. So jedenfalls hat sie es immer erlebt und sagt auch spontan: „Es sind diese Menschen, die mich immer wieder in dieses Land ziehen.“
Große Menschenmengen
Am Flughafen geht sie zielstrebig auf einen Führer zu. „Die kann man ansprechen und sie helfen einem durch die Menschenmenge, die einem sofort entgegenkommt. Sie wollen halt alle etwas verdienen.“ Der erste Weg führt in ein ihr bereits vertrautes Trekkingbüro. „Die Mitarbeiter haben im Vorfeld alles für mich geplant, das ist eine große Hilfe.“ Wunderbare Touren führen sie durchs Land, und recht bald wird Christel Graf klar: Hier kannst du keinen Urlaub machen, ohne etwas zurückzugeben. Und das hat sie getan.
Die untere Etage ihres Hauses in Sasbachwalden gehört ihrem Nepalprojekt. Stoffe über Stoffe, ausgediente Kleider und Hemden, Krawatten in allen Farben und Formen, dazwischen Tischdecken und kleine Gästetücher. „Damit fing es an“, erzählt die 78-Jährige und holt eines der kleinen Handtücher hervor. „Meine Mutter war ebenfalls mit in Nepal. Damals war sie 70. Als sie zurückkam, begann sie, Gästetücher mit feiner Spitze zu umhäkeln und wir haben sie verkauft. Für Nepal“, erzählt Graf. Bald stand sie mit selbstgemachten Sachen und Handarbeiten aus dem Land ihrer Träume auf dem Markt.
Über 25 Jahre war der Acherner Weihnachtsmarkt ohne sie und ihre schönen Sachen undenkbar. im Laufe der Zeit hatte sie viele Freundinnen und Freunde gewonnen, die für sie strickten oder sie anderweitig unterstützten. Sie selbst sitzt oft stundenlang an der Nähmaschine – bis heute. Da gibt es Kissen aus alten Gobelinbildern, Taschen und Beutel aus den schönsten Krawatten. Und alten Herrenhemden und Blusen trennt sie die Ärmel ab, versäubert sie und legt die schön verzierten Manschetten so darüber, dass daraus eine sehr eigenwillige Verpackung für Flaschengeschenke entsteht.
Doch damit nicht genug. „Ich wollte einfach etwas zurückgeben für das, was ich in Nepal bekommen habe. Für all die Liebe und Freundlichkeit.“ Der Freundeskreis wurde immer größer und die Spendenbereitschaft wuchs. Auf ihren vielen Reisen lernte die Sasbachwaldenerin abzuschätzen, wo Hilfe gebraucht wird. „Aber es sollte immer nur Hilfe zur Selbsthilfe sein und bis heute weiß niemand, woher die Gelder kommen. Ich möchte in Nepal nur Gast sein und nicht die Geldgeberin“, erklärt sie ihre Anonymität.
Sie nahm also Kontakt mit der Deutsch-Nepalesischen-Hilfsgemeinschaft in Stuttgart auf. Bis heute besteht diese Verbindung, bei der die rüstige Rentnerin angibt, welche Projekte sie unterstützen möchte. „Das muss beantragt, kontrolliert und genehmigt werden“, erklärt sie. So konnte etwa ein Mädchenhaus unterstützt werden oder eine Familie, deren Mann über all die Jahre hinweg ihr Führer war. „Als ich wieder einmal ins Land kam, erfuhr ich, dass er gestorben war.“ Sie ließ sich zu der Witwe fahren, die keinerlei Einkommen mehr für sich und ihre Kinder hatte. Durch Grafs Initiative konnte das Schulgeld und die Miete für das Familien-Haus bezahlt werden. „Aber“ - und da wird Graf streng – „die Kinder mussten regelmäßig ihr Zeugnis vorlegen und als ich erfahren habe, dass der Junge nicht mehr zur Schule geht, gab es auch kein Geld mehr für ihn“, sagt die 78-Jährige.
„Alles hat sich gelohnt“
Unterstützt werden durch sie auch die sogenannten Dalits, die unterste Kaste, die vor Ort die „Unberührbaren“ genannt werden. Niemand dulde sie, nur die schlimmsten Arbeiten dürften sie verrichten, um etwas zu verdienen. „Wenn man sieht, dass diese Kinder nun zur Schule gehen können, dass sie Arzthelferinnen oder Laborantinnen werden - einer hat sich sogar mit einer kleinen Schweinezucht selbstständig gemacht – da weiß man, dass sich alles gelohnt hat“. Und als das schreckliche Erdbeben 2015 in Nepal tausende Menschen obdachlos und Kinder zu Waisen gemacht hat, war es die Rentnerin aus Sasbachwalden, die insgesamt drei neue Schulen finanzieren konnte.
„Ich konnte kaum glauben, woher das Geld zu mir kam.“ Bis heute bekommt sie immer wieder Spenden von Firmen und Geschäften. „Aber auch von Leuten, die weniger haben“, sagt sie und schlüpft dann in ihr Zimmer, um gleich darauf mit einem leuchtend blauen Seidenkleid herauszukommen. „Das habe ich mir schneidern lassen“, berichtet sie strahlend und lenkt das Gespräch wieder auf ihre Erlebnisse in einem Land, das sie schon immer fasziniert hat.
Heinrich Harrers Geschichten über Tibet habe sie verschlungen und mit dem Forscher Sven Hedin mitgefiebert. „Wenn ich nach meinem schönsten Erlebnis gefragt werde, so ist das nicht nur das gemeinsame Kochen mit einem Koch in einem Tibeter Gästehaus, sondern auch die Einladung zu einer buddhistischen Hochzeit gewesen“, sagt Graf. Sie seien dort die Ehrengäste gewesen. „Zwei Stunden hat die Trauung gedauert. Dann mussten wir uns erstmal ausruhen und abends gab es eine riesige Party und wir haben alle miteinander getanzt. Und wie“, erzählt die Ortenauerin.
Zu dem Zeitpunkt hatte Christel Graf das Alter von 70 Jahren längst überschritten. „Das Alter zähle ich nicht in Jahren“, sagt sie und meint, dass sie sich freue, wenn eine acht vor der Null steht. Ihr Mann lächelt nur im Hintergrund. Bremsen kann er sie nicht. Will er auch nicht, denn auch er hat Nepal schon bereist.
Nächste Reise steht an
Bald wird Graf wieder die Koffer packen und gerne drei Mitstreiter mitnehmen. „Wissen Sie, je mehr Leute dabei sind, desto mehr können wir mit nach Hause nehmen“, betont sie. Mützen, Schals und Schmuck aus Nepal landen auf ihrem Tisch, wenn sie ihren Stand aufbaut. Auf den Weihnachtsmarkt gehe sie nicht mehr. Zu teuer und zu anstrengend, aber bei ihr zuhause kann man all die Sachen ebenso erwerben, wie etwa bei den Landfrauen oder anderen Freundeskreisen, die sich rund um ihr Projekt aufgebaut haben.
Bis dahin wird sie nähen und nähen und sich mental auf ihre nächste Reise vorbereiten. „Im nächsten Jahr fliege ich wieder mit meiner Tochter“, sagt sie. Graf wird mit offenen Augen durch das Land reisen und es genießen, die Natur und die Menschen vor Ort zu erleben. Und um all das Schöne zurückzugeben, wird sie wieder genau hinschauen, wo das Land, in dem ihre Seele eine zweite Heimat gefunden hat, Unterstützung brauchen kann.
Ein Dossier zu dieser Serie finden Sie unter:
www.bo.de/iloveortenau
Christel Graf
Christel Graf wurde am 20. Februar 1944 geboren. Sie wuchs als Älteste von drei weiteren Geschwistern in Sasbachwalden auf, wo sie heute noch mit ihrem Ehemann wohnt. Sie lernte den Beruf der Einzelhandelskauffrau und legte später die Hauswirtschaftsprüfung ab, machte noch eine Ausbildung zur Hauspflegehelferin und konnte so über 15 Jahre in der Sozialstation Achern arbeiten. 1964 heiratete sie, aus der Ehe gingen ein Sohn und eine Tochter hervor.