Ortenau

Was die Mittelbadische Presse von anderen Medienhäusern unterscheidet

Anja Rolfes
Lesezeit 8 Minuten
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24. September 2023
Christian Wagner, Wolfgang Kollmer und Jens Sikeler (von links) blicken von der Terrasse des Schlosses Staufenberg optimistisch in die Zukunft.

(Bild 1/3) Christian Wagner, Wolfgang Kollmer und Jens Sikeler (von links) blicken von der Terrasse des Schlosses Staufenberg optimistisch in die Zukunft. ©Christoph Breithaupt

"Gipfeltreffen" auf Schloss Staufenberg: Die Redaktionsleiter Jens Sikeler und Christian Wagner und Herausgeber Wolfgang Kollmer erläutern, warum es in der Mittelbadischen Presse bald noch mehr gut recherchierte Geschichten und neue Kolumnen zu lesen gibt.

Eine Zeitung ist heute mehr als das Produkt auf Papier. Die Geschichten erreichen die Leser auch übers E-Paper oder im Internet. Vor zwölf Jahren machte sich Wolfgang Kollmer auf den Weg, die Mittelbadische Presse in die digitale Zukunft zu führen – ohne dabei die Bedürfnisse des gedruckten Blatts aus den Augen zu verlieren. Im Juni übergab der 64-Jährige die Redaktionsleitung an gleich zwei Nachfolger: Jens Sikeler (42) und sein Stellvertreter Christian Wagner (53). Gemeinsam wollen sie das Crossmediale, also die Verknüpfung von Print, Web und Radio, weiter ausbauen. Aber vor allem wollen sie die Zeitung noch stärker auf die Leser zuschneiden. Welches gute Fundament Kollmer gelegt hat, und was die beiden neuen Chefs alles vorhaben, darüber haben sich die drei auf Schloss Staufenberg in lockerer Runde unterhalten – mit dem Blick auf die Ortenau am Fuß des Bergs.

Jens Sikeler: Hast du deinen halben Schritt in den Ruhestand schon bereut, Wolfgang?

Wolfgang Kollmer: Nein, es war für mich klar, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist, die Leitung an Jüngere zu übergeben. Um die großen Herausforderungen, denen sich die ganze Zeitungsbranche gegenübersieht, erfolgreich zu meistern, braucht es einen langfristig angelegten Atem. Und ich bin ja, wie du richtig anmerkst, nicht ganz weg. Ausgewählte Aufgaben übernehme ich weiterhin.

Christian Wagner: Du bist jetzt Herausgeber. Oder für die Leser einfach übersetzt: eine Art Aufsichtsratsvorsitzender. Der Uli Hoeneß der Mittelbadischen Presse sozusagen.

Kollmer: (lacht) Aber nicht vorbestraft.

Sikeler: Und noch aktiv. Zum einen moderierst du unser Lokalforum wie zuletzt bei der OB-Wahl in Achern und kümmerst dich um unsere jährliche Benefizaktion „Leser helfen“. Auch den einen oder anderen Meinungsartikel wirst du schreiben. Zum anderen ist es schön, sich bei Bedarf mit einem Kollegen mit so viel Erfahrung austauschen zu können. 

Wagner: Wolfgang Kollmer hat uns konzeptionell auf ein völlig neues und höheres Niveau gehoben. Früher hieß es in den Ferien: Die Zeitung ist dünn. Heute gibt es das Sommerloch nicht mehr, weil die Redaktionen langfristig Themen planen. 

Sikeler: Er hat einen journalistischen Kurs eingeschlagen, den wir fortsetzen wollen. Schreiben, was ist. Ein Journalismus, der von guter Recherche und der Glaubwürdigkeit der Journalisten lebt. Und wo es eine klare Unterscheidung zwischen Meinungsartikel und Bericht gibt. Das unterscheidet uns sicher von vielen anderen Medienhäusern. 

 

Am 1. April 1995 hat Wolfgang Kollmer bei der Mittelbadischen Presse angefangen – erst als Redakteur, später als Lokalchef für Offenburg. 2011 übernahm er von Jürgen Rohn die Leitung aller Redaktionen. Der bekennende Ortenauer (Lahr-Sulz) bezeichnet sich als „ausgewiesenen Lokalen“, der bei so mancher Gelegenheit betonte: „Alle schreiben über Fukushima, aber nur wir über Fessenbach.“ Sein Motto: „Unbequem sein, vielleicht nicht jeden Tag, aber da, wo es wichtig ist.“ Ohne „die guten Leute“ in allen Lokalredaktionen, wäre das nicht möglich gewesen.

Sikeler: Wie wichtig uns die starke Ausrichtung aufs Lokale ist, zeigt auch, dass es zum ersten Mal einen stellvertretenden Chefredakteur gibt, der zugleich Heimatredaktionsleiter ist. Christian soll die lokale Berichterstattung weiterentwickeln. Erste Pflöcke hat er bereits eingeschlagen, beispielsweise mit der Schwerpunktausgabe zum Weltkindertag am Mittwoch. Und er ist der erste Ansprechpartner für die Lokalredaktionen. Ich bin für die strategische Ausrichtung zuständig und „Außenminister“ des Verlags.

Kollmer: Es freut mich, dass zwei so versierte Kollegen nun an der Spitze stehen. Warum sollte man eine externe Lösung wählen, wenn man eine sehr gute interne hat. Ihr beide kennt Land und Leute. 

 

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Christian Wagner ist seit 31 Jahren bei der Mittelbadischen Presse. Zunächst war er in verschiedenen Ressorts Redakteur, dann Reporter. Seit 2011 ist er Lokalchef des Offenburger Tageblatts. Jens Sikeler wechselte vom Südkurier in Konstanz 2016 in die Ortenau als Redakteur der Regionalredaktion und des Crossmedia-Desks. 2020 übernahm er die Leitung des Ressorts. 

Wagner: Dass dich, Wolfgang, gleich zwei Personen ersetzen, zeigt, dass du Großartiges geleistet hast. 

Kollmer: Ihr habt auch zusätzliche Herausforderungen. Bei meinem Antritt ging es hauptsächlich darum, crossmediale Pflöcke zu setzen. Mein erstes und wichtigstes Projekt war die Einrichtung des Crossmediadesks. 

Wagner: Heute spielen wir mit unseren fünf Lokalausgaben, bo.de, Hit­radio Ohr, Schwarzwald Radio und Miba-TV in der Bundesliga. Da sind wir weiter als viele andere Medienhäuser in Deutschland. 

Kollmer: Der reibungslose Übergang und die Aufbruchsstimmung, die ich wahrnehme, sind aber auch ein verlegerisches Statement. Ein klares Signal, dass das Haus Reiff selbstständig bleiben will. Das ist nicht selbstverständlich in der Branche. 

Wagner: Eine Zeitung übrigens, die es schon über 200 Jahre gibt und die das älteste aktive Unternehmen von Offenburg ist. 

Sikeler: Und die einen Verleger hat, der seinen Mitarbeitern Freiheiten gibt und auch einfordert, dass man sie nutzt. Zudem ist er sich bewusst, dass man in guten Journalismus auch investieren muss. Deshalb suchen wir aktuell Personal.

 

Vor allem möchte die Mittelbadische Presse einen Reporter-Pool aufbauen, der Chefreporter Simon Allgeier unterstützen wird. „Die Leser dürfen künftig mit noch mehr investigativen und kantigen Geschichten rechnen“, kündigt Jens Sikeler an. 

Sikeler: Die größte Herausforderung, mit der sich der Journalismus konfrontiert sieht, ist, dass unsere Glaubwürdigkeit und Redlichkeit immer mehr infrage gestellt wird. Menschen tun sich, befeuert durch die sozialen Medien, immer schwerer, Fakten zu akzeptieren, die nicht zu ihrem Weltbild passen. Wir können in dem Umfeld nur bestehen, wenn wir glaubwürdig sind, und das werden wir durch gute Recherche und durch einen Journalismus, der sich als Anwalt der Leser versteht und der transparent ist. 2024 werden wir deshalb eine Transparenzoffensive starten. Wir zeigen, wie ein Text entsteht – von der Idee über die Recherche und das ­Schreiben bis zum Druck oder Onlinestellen. 

Wagner: Meinungsvielfalt ist uns sehr wichtig. Früher war man stolz darauf, seinen Horizont zu erweitern. Heute bewegen sich die Menschen in ihren Blasen und ertragen andere Sichtweisen nicht mehr. Das ist schade, und das wollen wir aufbrechen.

Sikeler: Wir sind eine Zeitung, die fest in ihren lokalen und regionalen Wurzeln verankert ist. Für solche Medien ist es wichtig, ein Vollsortimenter zu sein und möglichst viele Leser abzuholen. Deshalb werden wir in den kommenden Monaten noch mehr Meinungsvielfalt ins Blatt bringen. Den Anfang haben wir mit Beiträgen aus der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) gemacht. Artikel aus der Taz und der Welt am Sonntag folgten. Derzeit sind wir mit verschiedenen renommierten Medienhäusern im Gespräch, um unseren Lesern noch mehr Meinungsvielfalt anbieten zu können. Ohne die unterschiedlichen Perspektiven kann man sich letztlich auch nur schwer eine Meinung bilden über eine Welt, die momentan geprägt ist von vielen Krisen und von Erschütterungen alter Gewissheiten. 

 

Der neue Redaktionsleiter der Mittelbadischen Presse sieht darin eine Chance für regionale Medienhäuser. Ihre Bedeutung werde wieder zunehmen, weil sie Informationen über die unmittelbare Lebensumgebung und Orientierung bieten. Sikeler ist überzeugt: „Viele Menschen sind es satt, in den sozialen Medien Texte zu lesen, deren Inhalte keiner überprüft hat.“ Die Zeitung dagegen folge „einem Korsett aus ständig überprüften Regeln“. 

Sikeler: Bei uns arbeiten Menschen, die haben ihr Handwerk gelernt. Die haben sich als Volontäre ausbilden lassen. Die haben viele Jahre Erfahrung als Journalist. Die kommen aus der Region. Die schätzen und mögen die Menschen in der Region. 

Wagner: Wir wollen auch intern flexibler werden. Ein Lokalredakteur kann durchaus eine Kolumne für den Mantel schreiben. Und wir wollen die Leser mit neuen Formaten überraschen. Wie mit einer Bahn-Kolumne einer pendelnden Kollegin. 

Sikeler: Bei allem, was wir tun, steht der Leser im Fokus. Deshalb gehen wir vermehrt wieder raus. Stichwort Ortenau-Forum, wo wir über relevante Themen mit renommierten Experten diskutieren. Und wir werden in den kommenden Monaten die Bedürfnisse der Leser genau analysieren. Die Zeitung wird sich deshalb noch einmal deutlich ändern. Wir wollen die Lebenswirklichkeit der Leser noch besser abbilden. Wir werden deutlich mehr Journalismus machen, der den Nutzwert im Fokus hat.

Wagner: Wir wollen aber keinen Erziehungs- und Haltungsjournalismus machen. Die Leser sind schlau genug, die Fakten selbst einzuordnen. 

Info

Leser-Post erwünscht

Jens Sikeler und Christian Wagner, die beiden neuen Männer an der Spitze der Mittelbadischen Presse, kündigen an: „Unsere Leser können uns immer ansprechen. Ideen, Anregungen und Kritik sind ausdrücklich erwünscht.“
Der direkte Mail-Draht zur Chefredaktion lautet:
redaktionsleitung@reiff.de 

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