Hochschule Offenburg forscht an Industrie 4.0

Deshalb können Kunden bald individuellere Produkte bestellen

Jens Sikeler
Lesezeit 5 Minuten
Jetzt Artikel teilen:
24. Oktober 2017

Professorin Andrea Müller. ©Iris Rothe

Andrea Müller von der Hochschule Offenburg forscht an Vertriebswegen für die Industrie 4.0. 3D-Drucker spielen dabei eine immer wichtigere Rolle. 

Menschen, die in den letzten Jahren ein Auto bestellt haben, dürften das kennen. Die Hersteller stellen im Internet Konfiguratoren bereit. Ohne auch nur einen Fuß in die Halle eines Autohändlers setzen zu müssen, kann man sich dort mit ein paar Mausklicks sein Wunschfahrzeug zusammenstellen. Die Konfigurationsmöglichkeiten gehen dabei schon längst über die Außenfarbe und den Motor hinaus. Schöpft man alle Optionen aus,  gibt es Millionen von möglichen Konfigurationen. 
So viele Wahlmöglichkeiten lässt die Industrie ihren Kunden bislang aber nur selten.  Andrea Müller will mit ihrer Forschung dafür sorgen, dass sich das ändert. Sie ist Professorin an der Fakultät für Betriebswirtschaft und Wirtschaftsingenieurwesen an der Hochschule Offenburg. Momentan gebe es solche umfangreiche Individualisierungsmöglichkeiten nämlich vor allem für Privat- und weniger für Geschäftskunden, erläutert sie. Einen Turnschuh, der auf die eigenen Bedürfnisse zugeschnitten ist, könne man beispielsweise auch jetzt schon bestellen. Selbst die eigene Müslikreation könne man sich im Internet zusammenstellen. 

Schon immer möglich

»Individualisieren war schon immer möglich«, stellt die Professorin fest. Allerdings sei es bisher meist noch so, dass ein Berater der Produktionsfirma zum Kunden fahre und dort ein Verkaufsgespräch führe.  Stattdessen sollen auch Geschäftskunden sich künftig auf einer App oder mit einer Webseite ihre Produkte selbst zusammenstellen können. 
Müller erforscht unter anderem, wie die Kommunikation zwischen Unternehmen und ihren Kunden gelingen kann. Das ist aber gar nicht so einfach. »Vieles ist im Kopf des Kunden drin und kann durch das Medium Sprache gar nicht übermittelt werden«, beschreibt Müller das Problem. Auch beim Kundenberater gebe es sehr viel spezifisches Wissen. Das in eine funktionierende Schnittstelle umzusetzen, bedeute heute noch einen sehr hohen Aufwand. 

Versuchen zu verstehen

Momentan sind Müller und ihre Mitarbeiter damit beschäftigt, bestehende und sich in der Entwicklung befindliche Onlineshops zu analysieren. »Wir versuchen zu verstehen, wo die Probleme liegen« erläutert sie. Dazu setzt sie sich mit dem Erleben der Kunden beim Einkaufsprozess, der sogenannten Customer Experience, auseinander.  
Wenn der Trend zu individiualisierten, in kleinen Stückzahlen hergestellten Produkten geht, drängt sich die Frage auf, wie sich diese Entwicklung auf den Preis auswirkt. Müller geht zwar davon aus, dass etwa die Kosten für die Lagerhaltung sinken werden. Sie sagt aber auch: »Der Kunde hat eine höhere Bereitschaft, für individualisierte Produkte mehr Geld auszugeben.« 

Höhere Preis

- Anzeige -

Abgesehen von den höheren Preisen ist die Professorin aber überzeugt davon, dass die Vorteile für die Kunden überwiegen. Zunächst sei eine Bestellung über die Online-Bestelltools sehr viel bequemer.  Außerdem erhalte der Kunde nach eigenem Bedarf sehr viel mehr Informationen über das Produkt. Genau das ist es, was sich Kunden in den vergangenen Jahren angewöhnt haben.   
Dabei wird die Entwicklung beschleunigt von Erfahrungen, die Geschäftskunden in ihrem Privatleben machen. Vorreiter in diesem Bereich sind laut der Professorin ausgerechnet die Medien. Dort seien schon in den 90er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts alle Produktionsschritte digitalisiert worden. Damit gemeint seien etwa Texterfassung und Textgestaltung, erläutert die Professorin. Sie denkt aber auch an Online-
streamingdienste, wie zum Beispiel Netflix oder Amazon. Die Leute seien es mittlerweile gewohnt, immer auf Inhalte zugreifen zu können. Das würde sie auch in anderen Branchen erwarten. 

Stärker vernetzt

Diese veränderten Vertriebswege, sind Teil der Industrie 4.0 – einer Entwicklung, die Unternehmer zur Zeit elektrisiert, wie kaum eine andere. Gemeint ist damit, dass Maschinen zunehmend stärker vernetzt werden. Es spielten aber auch neue Produktionsprozesse eine Rolle, und dass die Industrie  zunehmend darauf setzt nicht nur etwa Maschinen anzubieten, sondern auch die entsprechenden Dienstleistungen. 
Eine Rolle in dem Prozess spielen 3D-Drucker. Das eine Stichwort, das in diesem Zusammenhang immer wieder fällt, ist Rapid Prototyping. »Das bedeutet, dass ein Prototyp virtuelle entwickelt und dann als Einzelstück produziert beziehungsweise gedruckt wird«, erläutert Müller. 

Professorin mit Vision

Die Professorin hat die Vision, dass 3D-Drucker künftig vermehrt bei Dienstleistern oder zu Hause als Produktionsmittel für kundenindividuelle Produkte rund um die Uhr eingesetzt werden. Sie weiß, dass das momentan noch ein bisschen nach Zukunftsmusik klingt: »Wir hätten uns nie vorstellen, können, dass wir einmal selbst produzieren würden.« Genau darauf wird es aber hinauslaufen, wenn es nach Müller geht. »Man wird die Daten eines Produkts auf seinen Rechner laden und das Produkt dann ausdrucken können«, sagt sie. »Die Daten sind in diesem Szenario wichtiger als das Produkt.« Müller spricht in diesem Zusammenhang von »einem riesen Potenzial«. Auch für diese Entwicklung gibt es schon einen englischen Fachbegriff: Desktop Manufacturing. 
Was nach Science Fiction klingt, ist schon längst Realität in vielen Ortenauer Betrieben. Das ist jedenfalls die Beobachtung der Professorin: »Es gibt viele Firmen, die das hier bewegt.«  

Mittelständler beteiligt

Dabei ist diese Entwicklung keineswegs eine Sache der großen Unternehmen. »Ich kenne große und fortschrittliche Unternehmen aus der Region, die schon sehr weit sind«, sagt die Expertin zwar. Viele Mittelständler seien aber gleichermaßen an dem Thema interessiert.

Zur Person

Andrea Müller

Prof. Dr. Andrea Müller ist Expertin für Direktmarketing und E-Commerce und hat seit März 2012 den gleichnamigen Lehrstuhl an der Hochschule Offenburg inne. Von 1995 bis 2003 war sie Projektleiterin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) in Stuttgart. An der Hochschule Albstadt-Sigmaringen übernahm sie Lehraufträge im Masterstudiengang Bekleidungstechnik. Sie leitet seit dem Sommersemester 2016 den neu eingerichteten Masterstudiengang Dialogmarketing und E-Commerce und forscht in mehreren Laboren am Campus 
Gengenbach.

Weitere Artikel aus der Kategorie: Ortenau

vor 3 Stunden
Reportage
Konrad Stiefvater ist als Schamane tätig und vollführt regelmäßig Rituale etwa für Dankbarkeit. Auch die schamanische Reinigung von Häusern gehört zu seinen Tätigkeiten. Ein Mal im Jahr ist er dafür im Hotel Rebstock in Durbach.
vor 6 Stunden
Ortenau
13 Fahrzeuge waren am Donnerstag involviert: Auf der A5 Richtung Basel hat es zwischen Achern und der Raststätte Renchtal West eine Massenkarambolage gegeben.
Bei Unfällen auf der Autobahn sind im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Offenburg 2023 zwei Menschen ums Leben gekommen.
vor 6 Stunden
Ortenau
Die Unfallstatistik des Polizeipräsidiums Offenburg zeigt: Obwohl die Zahl der Verkehrsunfälle zunimmt, sterben weniger Menschen auf der Straße. Sorgen bereitet die Cannabis-Legalisierung.
vor 6 Stunden
Ortenau
In welcher Gemeinde der Ortenau lebt es sich am besten? Das will die Mittelbadische Presse mit dem großen Ortenau-Check herausfinden. Wie Sie abstimmen können, lesen Sie hier:
Am Karfreitag wird Fisch serviert. 
vor 9 Stunden
Ortenau
Wo kann am Karfreitag, 29. April, nach beliebter Tradition Fisch gegessen werden? In der Ortenau haben die Vereine einige Veranstaltungen geplant. Hier gibt es eine Übersicht. 
27.03.2024
Ortenau
Als Feuerteufel hat ein 22-Jähriger den Kehler Ortsteil Neumühl im Sommer 2023 in Angst und Schrecken versetzt. Nun muss er deshalb drei Jahre und fünf Monate ins Gefängnis.
In Summe 2500 Polizisten suchten im Juli 2020 in den Wäldern rund um Oppenau nach Yves R., nachdem dieser vier Polizisten entwaffnet hatte.⇒ Foto: Sven Kohls/dpa
27.03.2024
Ortenau
Drei Jahre und neun Monate nach seiner Festnahme steht die Entlassung von Yves R. kurz bevor. Eine vorzeitige Freilassung des Oppenauer Geiselnehmers hatte die Staatsanwaltschaft abgelehnt.
Gegen illegale Beschäftigung und Schwarzarbeit waren Beamten des Hauptzollamts Lörrach in der Ortenau im Einsatz.
27.03.2024
Gegen Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung ist der Zoll in zahlreichen Betrieben der Ortenau am Freitagabend vorgegangen. Dabei wurden mehrere Ermittlungsverfahren eingeleitet.
27.03.2024
Lahr
Zu einem Vorfall mit sexuellem Hintergrund ist es am Dienstagnachmittag im Bereich des Rathauses in Lahr.
Will wieder Glanzlichter setzen: der Kehler Ostermarkt mit dem "Chaos" (Foto vom Vorjahr). 
27.03.2024
Ortenau
Seit 71 Jahren gibt es den Markt, der wieder von Ostersamstag, 30. März, 13 Uhr, bis Sonntag, 7. April, mit 35 Fahrgeschäften, Spiel- und Imbissbuden Jung und Alt auf den Läger einlädt.
Beim Offenburger Stadteingang direkt am Autobahnzubringer begrüßt seit Anfang 2020 auf dem Gelände des Reiff-Verlags die Skulptur „Artikel 5“ des Bildhauers Olaf Metzel Gäste der Stadt. Das kleine Foto links zeigt einen Fotografen am Rande einer Demonstration, der ein T-Shirt mit einem Slogan für die Pressefreiheit trägt.
27.03.2024
Ortenau
"Die Freiheit der Presse ist nicht grenzenlos", betont die baden-württembergischen Justizministerin Marion Gentges (CDU) in ihrem Gastbeitrag. Die Mittelbadische Presse widmet dem Thema eine Serie.
Die Geschichte der Stadt Offenburg ist eng verbunden mit der Entwicklung der Pressefreiheit, sagt Offenburgs OB Marco Steffens (CDU).⇒Archivfoto: Christoph Breithaupt
26.03.2024
Ortenau
In seinem Gastbeitrag zur Pressefreiheit geht der Offenburger Oberbürgermeister Marco Steffens darauf ein, dass man "individualisierten Filterblasen" entkommen lernen muss.

Das könnte Sie auch interessieren

- Anzeige -
  • HYDRO liefert etwa Dreibockheber für die Flugzeugwartung. 
    26.03.2024
    HYDRO Systems KG und Rhinestahl fustionieren
    HYDRO Systems KG und Rhinestahl schließen sich zusammen. Mit diesem Schritt befinden sich die Kompetenzen in den Bereichen Ground Support Equipment (GSE) und Aircraft- & Engine Tooling unter einem Dach.
  • Alle Beauty-Dienstleistungen bietet die Kosmetik Lounge in Offenburg unter einem Dach.
    26.03.2024
    Kosmetik Lounge Offenburg: Da steckt alles unter einem Dach
    Mit einer pfiffigen Geschäftsidee lässt Elena Plett in Offenburg aufhorchen. Die staatlich geprüfte Kosmetikerin denkt "outside the box" und hat in ihrer Kosmetik Lounge ein außergewöhnliches Geschäftsmodell gestartet.
  • Konfetti, Flitter und Feuerwerk beschließen die große Preisverleihung im Forum-Kino in Offenburg. Die SHORTS feiern 2024 ihr 25. Jubiläum. 
    26.03.2024
    25 Jahre SHORTS – 25 Jahre Bühne für künftige Filmemacher
    Vom kleinen Screening in 25 Jahren zum gewachsenen Filmfestival: Die SHORTS der Hochschule Offenburg feiern Jubiläum. Von 9. bis 12. April dreht sich im Forum-Kino Offenburg alles um die Werke junger Filmemacher. Am 13. April wird das Jubiläum im "Kesselhaus" gefeiert.
  • Das LIBERTY-Team startet am Mittwoch, 27. März, in die Afterwork-Party-Saison. 2024 finden die Veranstaltungen in Kooperation mit reiff medien statt. 
    22.03.2024
    Businessaustausch jetzt in Kooperation mit reiff medien
    Das Offenburger LIBERTY startet mit Power in die Eventsaison: Am Mittwoch, 27. März, steigt die erste XXL-Afterwork-Party mit einem neuen Kooperationspartner. Das LIBERTY lädt zusammen mit reiff medien zum zwanglosen Feierabend-Businessaustausch ein.