Deshalb müssen die Ortenauer Kühe jetzt zum Schlachter
Jetzt ist es auch in der Ortenau so weit: Weil kein Gras mehr da ist und das Winterfutter nicht gedeiht, laufen bei den Schlachtern die Telefone heiß. Der Preisverfall beim Fleisch trifft die Milchbauern ebenso wie bei der Milch. Die gesunkenen Preise erholen sich trotz geringerer Mengen nur langsam.
»Bei uns geht es noch«, sagt Joachim Spinner. Er hält 80 Milchkühe und hat immerhin kein Problem mit der Futterversorgung. »Es wird allerdings etwas maislastiger«, sagt er. Die Maisernte sei zwar auch nicht so überragend gewesen, aber immerhin steht das Korn den Tieren zur Verfügung – zusammen mit Heu.
»Wenn es in den kommenden 14 Tagen nicht regnet, bekommen wir keinen weiteren Schnitt mehr hin«, sagt der Landwirt. Mit seinen Tieren kommt er über die Runden, aber normalerweise hat er so viel Heu, dass er sogar welches verkaufen kann. In diesem Jahr macht ihm die Trockenheit einen Strich durch die Rechnung: »Dieses Geld fehlt als Einnahme.«
Schlimmer trifft es Werner Huber, der wegen der andauernden Trockenheit in seinem Gemischtbetrieb gleich mehrere offene Fronten hat: Neben dem Borkenkäfer an den Fichten ist es der Futtermangel für das Milchvieh. »Eigentlich sind wir ein Grünlandbetrieb«, sagt er. Doch draußen sind nur braune Flächen mit vertrocknetem Gras zu sehen. »Die Kühe sind nur draußen, weil sie es draußen im Schatten schöner finden als im Stall«, sagt Huber. Die 18 Tiere müssen derzeit gefüttert werden, mit Grassilage und Heu. »Die Wintervorräte sind jetzt schon nicht so voll wie normal«, sagt der Landwirt, der sonst mit den selbst produzierten Futterreserven über den Winter kommt.
Im Zwiespalt
Nun plant er, ein Drittel des Bestandes vor der Zeit zum Schlachter zu bringen. Laut Huber wird das ein Verlustgeschäft, »weil die Schlachthöfe voll sind: Viele andere befinden sich in der gleichen Situation«. Er befindet sich in einer Zwickmühle, überschrieben mit dem Schlagwort Verantwortung: »Die habe ich gegenüber den Tieren, aber auch gegenüber meiner Familie«, sagt er.
Um den Rest über den Winter zu kommen, muss der Vollerwerbslandwirt zusätzlich Mais kaufen. Auch der ist knapper als sonst. Er will zugreifen »sobald geerntet wird, sonst ist er weg«.
Am Anschlag
»Wir sind am Anschlag« sagt Eckhard Schmieder, Landwirt auf dem Prinzbachhof in Fischerbach. Er verhandelt derzeit mit dem Metzger, weil er seinen Viehbestand reduzieren will – wegen der Trockenheit. Der Milchpreis rücke da als Problem schon wieder in der Hintergrund, denn mehr als eine ordentliche Bezahlung fehle im Moment: Wasser. Schmieder drückt die Sorge um das Jungvieh: »Die Quellen auf den Weiden sind versiegt.« Er muss die Tiere von der »braunen Steppe« hereinholen. Nur auf einer Weide führt die Quelle noch Wasser: »Ich habe extra eine Raufe gekauft und füttere die Rinder nun dort.«
Die anderen werden im Stall versorgt, wo das Wasser aus der Leitung kommt. »Eine Kuh trink bei diesem Temperaturen 100 bis 120 Liter pro Tag«. ordnet Schmieder ein. Pro Tag rauschen bei ihm 1200 Liter aus der Leitung, für die er wenigstens keine Abwassergebühr bezahlt. »Ein vergleichbar schwieriger Sommer war 1964«, erinnert sich der Landwirt, dass auch damals alle Quellen trocken lagen. Seine Aufzeichnungen weisen nach, dass es 1964 zuletzt am 29. April ein Unwetter mit 86 Litern gab, die elf Liter am 11. Juli verdunsteten. »Entspannung gab es 1964 erst am 8. September, als die Regenschauer einsetzten«, berichtet der Milchbauer.
Weniger Milch
»Ich habe vorgesorgt«, sagt Schmieder. Schon vor Wochen investierte er 10 000 Euro, um Heu zu kaufen – immerhin noch zu »einigermaßen fairen Preisen«. In Kürze wird der Markt leergefegt sein, ist er überzeugt. Und auch er wird gerade nur so über den Winter kommen mit seinem Vorrat. »Ich will durchkommen«, betont er. Deshalb will auch er rund fünf Prozent der Milchkühe etwas zeitiger abschaffen als normalerweise üblich.
Indes scheint die Milchanlieferung rückläufig. »Die Menge sinkt seit Wochen«, weiß Schmieder. Das hat den Milchbauern im August 1,5 Cent mehr pro Liter beschert, nachdem der preisa zunächst um fünf Cent nachgegeben hatte. Dennoch liegt man weiter deutlich unterm Vorjahr: Aktuell gibt es 32,4 Cent. Damals zahlte die Schwarzwaldmilch ihren rund 1100 Milchbauern durchschnittlich 37,64 Cent.
Von der Diskussion um staatlichen Entschädigungen hält er nichts: »Die Hürden werden hoch gehängt und die Antragsstellung kostet extrem viel Zeit – und am Ende wird alles abgelehnt.« Bei den Getreidebauern sehe das anders aus, aber »wir Milchbauern werden immer weniger und haben fast keine Stimme mehr«.
Niedriger Milchpreis ein Problem
Nicht nur der Mangel an Futter und der damit verbundene Preisanstieg macht den Landwirten zu schaffen. Der Milchpreis liegt deutlich niedriger als noch 2017. »Wir sind bei 28 Cent netto ohne Zuschläge«, sagt Milchkuhhalter Joachim Spinner. Im vergangenen Jahr um diese Zeit bekam er immerhin noch 35,4 Cent je Liter; aber schon damals sagte er bei Baden Online, dass 39 bis 42 Cent der optimale Erlös seien.
Doch dann kam für ihn und rund 100 weitere Landwirte, die Milchkühe halten, eine schwere Krise: Sie hatten sich einem Berliner Unternehmen angeschlossen, das in die Insolvenz schlitterte. Verzweifelt versuchte man, einen anderen Abnehmer für die Milch zu finden. Eine Übergangslösung wurde gefunden, doch Spinner ist weiterhin am Verhandeln, berichtet er.