Die Ortenau wartet auf den Wolf
Der Wolf setzt an zum Sprung in die Ortenau. Schon jetzt ist er im Elsass und in der Schweiz. Schäfer sind besorgt und auch Naturschützer bremsen die Euphorie über den Rückkehrer. Sind die Menschen und die Behörden auf das Raubtier vorbereitet?
Es ist lange her, dass der letzte Wolf durch den Schwarzwald streunte. Bereits im späten 18. Jahrhundert galten die Raubtiere dort als weitgehend ausgerottet. Das bislang letzte Tier wurde 1882 im Hotzenwald geschossen. Doch jetzt ist der Wolf wieder auf dem Weg zurück. Ein mögliches Ziel: die Ortenau.
Aus gleich drei Himmelsrichtungen könnte er kommen, berichtet Michael Glock, Wolfsbeauftragter des Nabu Baden-Württemberg. »Aktuell gibt es Rudel in den Vogesen sowie in den Schweizer Alpen.« Zudem nähert sich der Wolf aus Nord- und Ostdeutschland.
Viele Naturschützer freuen sich über die Rückkehrer. Der Nabu-Bundesverband feierte am 30. April mit zahlreichen Aktionen den »Tag des Wolfs«. Am 1. Mai begann die Zählung der Wolfspopulation in Deutschland, die Teil eines umfassenden Monitorings ist.
Doch einige Aktivisten äußern bedenken. »Wölfe nutzen auch menschliche Siedlungen, weil ihre natürlichen Beutetiere sich diesen nachts nähern«, erklärt Glock. »Wir vom Nabu Baden-Württemberg teilen die Euphorie über die Rückkehr des Wolfs nicht uneingeschränkt.« Es bestehe Handlungsbedarf, etwa was den Schutz von Schafherden oder die Aufklärung der Öffentlichkeit anbelangt.
»Rhein kein Hindernis«
Während die Ortenau auf die Ankunft der Raubtiere wartet, sind sie im Elsass schon seit dem Jahr 2011. Bis zu acht Wölfe streifen durch die Region, vor allem in den Vogesen.
Der Historiker und Lehrer Thomas Pfeiffer aus Pfettisheim beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit den Tieren. Er berichtet, dass sich die Bevölkerung mehrheitlich über die Wölfe freue. »In Umfragen befürworten drei Viertel der Elsässer die Rückkehr des Wolfs.« Dabei zeigten sich junge Menschen und Städter aufgeschlossener als ältere Menschen und Landbewohner.
Pfeiffer rechnet damit, dass die Raubtiere bald im Schwarzwald auftauchen. »Der Rhein ist kein Hindernis für sie.« Die Gründe für die Wiederkehr des früher verfemten Tiers seien vielfältig. Der Artenschutz trage dazu ebenso bei wie das reichhaltige Nahrungsangebot, das der Wolf im Schwarzwald finden könnte.
Bereits seit einigen Jahren entwickeln die Behörden in Baden-Württemberg Pläne für den Umgang mit dem Wolf. Das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz hat einen Handlungsleitfaden erarbeitet, in dem die Zuständigkeiten für den Fall geregelt sind, dass Wölfe gesichtet werden. Außerdem gibt es einen Fonds, der für Schäden durch Wolfsriss aufkommen würde.
Schäfer kritisieren Nabu
Dennoch schlagen die Schäfer in der Ortenau Alarm. Reinhard Bischler, der in Gengenbach 200 Mutterschafe besitzt, kritisiert, dass der Nabu wenig Kompromissbereitschaft und Verständnis für die Sorgen der Schäfer zeige. »Schutznetze stellen für Wölfe kein Hindernis dar und Herdenschutzhunde sind für kleine Betriebe zu teuer«, sagt Bischler.
Schon jetzt litten Züchter unter Verlusten durch Kolkraben, Füchse und Luchse. Bischler fordert deshalb, die Wölfe streng zu kontrollieren und den Bestand notfalls zu reduzieren. Andernfalls drohe kleinen Schäfereien das Aus.
Das hätte auch Folgen für die Landschaftspflege. »Schafe sind unersetzlich, um die Flächen auf dem Land offen zu halten«, erklärt Bischler. »Doch kleine Betriebe würden nach einem Wolfsangriff aufgeben.«