Aktion "Leser Helfen"

Direktorin der Freiburger Herzklinik: Viele Herzfehler sind heilbar

Christiane Agüera Oliver
Lesezeit 5 Minuten
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07. November 2022
Prof. Dr. Brigitte Stiller leitet seit 2008 die Klinik für angeborene Herzfehler an der Uniklinik Freiburg. Zuvor war die Kinderkardiologin als Oberärztin am Deutschen Herzzentrum in Berlin tätig, 2004 habilitierte sie an der Charité.

Prof. Dr. Brigitte Stiller leitet seit 2008 die Klinik für angeborene Herzfehler an der Uniklinik Freiburg. Zuvor war die Kinderkardiologin als Oberärztin am Deutschen Herzzentrum in Berlin tätig, 2004 habilitierte sie an der Charité. ©Foto: Christoph Breithaupt

Bei der 26. „Leser Helfen“-Aktion dreht sich alles um herzkranke Kinder und das Ziel der Elterninitiative – ein neues Elternhaus. Die Ärztliche Direktorin Prof. Dr. Brigitte Stiller erklärt die Krankheit.

Der angeborene Herzfehler ist in Europa die häufigste Erkrankung, mit der ein Kind auf die Welt kommt. Die habilitierte ärztliche Direktorin in der Klinik für angeborene Herzfehler am Universitätsklinikum Freiburg, Brigitte Stiller, erklärt im Interview, was ein angeborener Herzfehler ist.

Frau Stiller, wann spricht man von einem angeborenen Herzfehler?

Angeborene Herzfehler können sehr unterschiedlich ausgeprägt sein. Es liegt jeweils eine Fehlprogrammierung in der frühen Herzentwicklung des Fetus bereits im Mutterleib vor. Das kann die Herzklappen, die Herzkammern oder die großen Blutgefäße betreffen. Oft sind verschiedene Fehlvarianten auch miteinander kombiniert.

Warum gibt es angeborene Herzfehler?

Wen es warum trifft, ist noch nicht in allen Details erforscht. Wir wissen aber, dass mütterlicher Diabetes oder Alkohol in der Frühschwangerschaft, Strahlenbelastung oder bestimmte Medikamente das Risiko erhöhen. Einige Herzfehler sind klar genetisch bestimmt. Wenn in der Familie bereits angeborene Herzfehler vorgekommen sind, ist das Risiko erhöht. Schon ab der siebten Schwangerschaftswoche kann die Fehlprogrammierung beginnen. Die Entwicklung von einem sehr kleinen Schlauch bis hin zum fertigen Herzen läuft nach einem komplexen Ablaufschema über einige Wochen, bei dem viel schiefgehen kann.

Wie oft kommt das vor?

Etwa jedes 100. Neugeborene ist betroffen. In Deutschland kommen pro Jahr knapp 8000 Kinder mit Herzfehler zur Welt. Aber nicht alle Herzfehler sind gleich schlimm. Es gibt harmlose und solche, die in den ersten Lebenstagen zum Tod führen können, wenn die Kinder nicht unmittelbar kompetent am Zentrum behandelt werden.

Wann werden die Herzfehler festgestellt?

Ein Teil der meist komplexeren Herzfehler wird bereits im Mutterleib diagnostiziert. Dann berate ich die werdenden Eltern schon sehr früh, damit sie genau wissen, worauf sie sich einstellen müssen. Gute Vorbereitung und die Wahl der richtigen Geburtsklinik hilft hier sehr. Zur zweiten Gruppe gehören die oft harmloseren Herzfehler, die erst in späteren Monaten oder Jahren durch den Kinderarzt, zum Beispiel bei einer Vorsorgeuntersuchung durch ein Herzgeräusch vermutet werden. Besonders schlimm sind aber diejenigen Herzfehler, die in den ersten Tagen nach der Geburt zum Beispiel durch Zyanose (Blausucht) und Trinkschwäche des Neugeborenen auffallen, nämlich exakt dann, wenn sich der sogenannte Duktus, das Blutgefäß, das im Mutterleib die Körper- mit der Lungenschlagader verbindet, spontan verschließt. Dann ist wirklich Eile geboten.

Und wie werden die Herzfehler diagnostiziert?

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Es gibt Symptome wie zum Beispiel angestrengte Atmung, Schlappheit, Trinkschwäche oder Zyanose. Auch die beschleunigte Herzfrequenz, die Gedeihstörung und Erbrechen können dazu gehören. Bei Verdacht werden die Kinder vom Kinderarzt zum Kinderkardiologen überwiesen oder gleich in die Spezialklinik verlegt.

Welche Formen von angeborenen Herzfehlern gibt es?

Grundsätzlich kann man von etwa 50 Prozent eher harmlosen, nicht unmittelbar lebensgefährlichen Formen ausgehen. Am häufigsten kommt das Loch in der Herzkammerscheidewand vor. Wenn dieses Loch im muskulären Teil sitzt und klein ist, verschließt es sich meist sogar noch im ersten Lebensjahr spontan. Wenn dieses Loch jedoch groß ist, gehört es nicht zu den harmlosen Herzfehlern, sondern muss unbedingt noch im ersten Lebensjahr operativ verschlossen werden, damit das Kind keinen dauerhaften Schaden nimmt. Diese mittelschweren Herzfehler, die einen gezielten Reparatur-Eingriff benötigen, machen 30 bis 40 Prozent aus. Schließlich verbleiben noch 10 bis 15 Prozent schwerste Herzfehler, bei denen die Kinder bereits in den ersten Lebensmonaten gnadenlos versterben, wenn sie nicht adäquat behandelt werden.

Welche medizinischen Möglichkeiten gibt es heute?

Noch in den 1950er Jahren lag die Sterblichkeit bei angeborenem Herzfehler im frühen Kindesalter bei fast 50 Prozent. 1952 wurde die erste erfolgreiche Herz-Operation mit Herz-Lungenmaschine bei einer jungen Frau mit einem Loch zwischen den beiden Vorkammern des Herzens durchgeführt. Seither entwickeln sich nicht nur die bildgebende Diagnostik und die Herzkathetertechnik, sondern auch die spezielle Kinder-Herz-Intensivmedizin und die Operationstechnik zügig weiter, so dass heute über 90 Prozent der Kinder trotz des Herzfehlers das Erwachsenenalter erreichen.

Können Sie uns ein konkretes Beispiel nennen?

Nehmen wir die „Fallot’sche Tetralogie“, die vier Prozent der Herzfehler betrifft. Die Namensgebung stammt von Etienne Fallot, der 1888 diese Herzfehlbildung publiziert hat. Tetralogie bedeutet, dass der Herzfehler aus vier Teilen kombiniert ist. Dazu gehört neben dem großen Loch zwischen den beiden Herzkammern und der versetzten Stellung der Körperschlagader auch eine Verdickung der rechten Kammer, ausgelöst durch eine Verengung des Blutweges zur Lunge hin. Das klingt kompliziert, kann aber sehr früh mit Ultraschall festgestellt werden. Das Neugeborene wird meist ein oder zwei Wochen in der Kinderherz-Klinik stationär behandelt, um eine gute Sauerstoffversorgung zu jeder Zeit sicherstellen zu können. Hier helfen manchmal auch Medikamente. Im Idealfall geht es dann nach Hause. Nun folgen engmaschige ambulante Kontrollen, bis dann im Alter von vier bis acht Monaten die große Korrektur-Operation erfolgt. Der stationäre Aufenthalt dauert dabei etwa drei Wochen. Sie können sich vorstellen, wie belastend das für die Familien ist. Neben guten Ärzten, Pflegenden und einer seelischen Unterstützung ist in solchen Fällen der Elternverein „Herzklopfen e.V.“ oft hilfreich. Optimal behandelt können diese Kinder mit etwas Glück erwachsen werden, einen Beruf ausüben und eine eigene Familie gründen. Das ist eine tolle Errungenschaft der letzten vier Jahrzehnte, an der wir stetig weiterarbeiten.

Ist ein angeborener Herzfehler heilbar?

Viele Kinder mit behandeltem Herzfehler fühlen sich sehr gesund. Sie sollten trotzdem regelmäßig lebenslang in spezial­ärztlicher Kontrolle bleiben, damit man frühzeitig merkt, ob weitere Eingriffe oder Medikamente sinnvoll sind.

Info

Dafür sammeln wir Leser-Spenden

Die Elterninitiative „Herzklopfen“ hat ein großes Ziel: Sie will das Haus in der Nähe der Kinderklinik Freiburg kaufen, in der sie bisher eine Elternwohnung eingerichtet hat, um mehr Plätze für die Eltern auf der Warteliste zu haben. Dafür bitte die Mittelbadische Presse ihre Leser um Spenden.

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