Spendenaktion

Eine OP am offenen Herzen ist nicht immer nötig

Von Christiane Agüera Oliver
Lesezeit 5 Minuten
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24. November 2022
"Leser helfen" sammelt dieses Jahr spenden für die Elterninitiative „Herzklopfen“, also für herzkranke Kinder und deren Familien.

(Bild 1/3) "Leser helfen" sammelt dieses Jahr spenden für die Elterninitiative „Herzklopfen“, also für herzkranke Kinder und deren Familien. ©Herzklopfen e.V.

"Leser Helfen" unterstützt die Elterninitiative Herzklopfen, die ein neues Elternhaus verwirklichen möchte. In der heutigen Folge geht es um die medikamentöse Behandlung von angeborenen Herzfehlern.

Ortenau. Die Aktion „Leser helfen“ der Mittelbadischen Presse unterstützt in diesem Jahr die Elterninitiative „Herzklopfen“, die neue Wohnmöglichkeiten schaffen möchte, um Eltern und Familien ein Zuhause auf Zeit zu geben. Die Therapiemöglichkeiten herzkranker Kinder sind heutzutage vielfältig. Manchmal ist eine medikamentöse Behandlung zielführend. Der promovierte Mediziner, René Höhn, geschäftsführender Oberarzt und Leiter der Kinderherz-Intensivstation in der Klinik für angeborene Herzfehler und pädiatrische Kardiologie am Universitätsklinikum Freiburg, berichtet im Interview über die medikamentöse Behandlung von Kindern mit einem angeborenen Herzfehler.

Welche Form von Medikamenten helfen gegen einen angeborenen Herzfehler?

Kein Medikament kann die Entstehung eines angeborenen Herzfehlers im Mutterleib konsequent verhindern. Allerdings können Frauen vor und zu Beginn der Schwangerschaft Folsäure einnehmen. Damit verringern sie nicht nur die Gefahr eines Neuralrohrdefektes („offener Rücken“, Spina bifida), sondern wahrscheinlich auch die Gefahr eines angeborenen Herzfehlers.
In Kanada wurde 1998 die staatliche Folsäure-Anreicherung der Nahrungsmittel gesetzlich für alle eingeführt. Wissenschaftler werteten fast 6 Millionen Geburten davor und danach aus und stellten fest, dass bestimmte lebensbedrohliche Herzfehler in den Folgejahren um 15 –27 Prozent seltener vorkamen.

Gibt es sonst noch etwas, was man tun kann, um der Entstehung von Herzfehlern vorzubeugen?

Die genauen Gründe für diese häufigste angeborene Erkrankung, die etwa eines von 100 Neugeborenen trifft, sind noch nicht geklärt. Es ist aber bekannt, dass mütterliche Virusinfektionen in der Früh-Schwangerschaft für den Embryo gefährlich sein können. Also in dieser Zeit am besten Kontakt zu Erkrankten und Fernreisen vermeiden. Außerdem sollte man auf Alkohol verzichten, wenn möglich Röntgenstrahlen vermeiden und bestimmte Medikamente nur nach Rücksprache mit dem Frauenarzt oder der Frauenärztin einnehmen.

Was kann man medikamentös tun, wenn das Baby trotzdem mit angeborenem Herzfehler zur Welt kommt?

Je nach Art des Herzfehlers können wir seine negativen Auswirkungen auf die Belastbarkeit und die körperliche Entwicklung des Kindes mit Medikamenten verbessern.

Was bewirken solche Medikamente?

Es gibt eine Vielzahl von Medikamenten und Wirkweisen. Die Wahl des Präparates hängt von dem individuellen Problem ab. Aber letztlich haben doch alle Medikamente das gleiche Ziel: Die Muskelarbeit des erkrankten Herzens so „ökonomisch“ als möglich zu gestalten um Herz und Lunge vor Überlastung zu schützen. So wird zum Beispiel mit harntreibenden Medikamenten durch eine vermehrte Urinausscheidung das zu pumpende Blutvolumen reduziert. Andere Wirkstoffe wie zum Beispiel Betablocker, reduzieren die Arbeitslast des Herzens durch eine niedrigere Herzfrequenz.

Welche Nebenwirkungen haben die Medikamente?

Alles was wirkt kann auch sogenannte Nebenwirkungen haben. Besser sprechen wir von Wechselwirkungen. Richtig dosiert sind diese jedoch bei unseren Herzkindern meist gut überschaubar. Wir Kinderkardiologen kennen die Wechselwirkungen und Dosisempfehlungen, so dass der Behandlungsvorteil, den die Patienten durch die Medikamente erlangen, wesentlich überwiegt.

Muss man beim Thema Wechselwirkungen auch noch andere Dinge beachten?

Oh ja, denn nicht nur ärztlich verordnete Medikamente weisen unerwünschte Wirkungen auf. Auch alternative Produkte haben diese Eigenschaft. Hier sind die meisten Wirkungen und Wechselwirkungen jedoch für das Kindesalter nicht wissenschaftlich erforscht.

Haben Sie dazu
Beispiele?

Nehmen wir das beliebte Johanniskraut. Es kann zu Bluthochdruck führen oder die Verstoffwechselung anderer Substanzen im Körper beschleunigen und dadurch Medikamente weniger wirksam machen. Auch der Grapefruitsaft ist bekannt für seine Nebenwirkungen. Durch seine hohe Konzentration des Bitterstoffes Naringin hat er eine hemmende Wirkung auf abbauende Enzyme und beeinflusst so die Wirkung bestimmter Arzneimittel. Unsere herztransplantierten Kinder haben deshalb übrigens ein strenges „Grapefruit-Verbot“.

Gibt es denn nicht auch wirksame alternative Heilmethoden für Kinder mit Herzfehler?

Bislang sind leider keine homöopathischen Heilmethoden bei angeborenem Herzfehler erwiesen. Allerdings zählen zu den sonstigen Heilmethoden ja auch die Physiotherapie und Ergo- oder Sprachtherapie. Das sind hochwirksame Methoden, die nach individuellen Bedürfnissen verordnet sehr zu empfehlen sind.

Müssen die Erkrankten die Medikamente selbst bezahlen?

Selbstverständlich werden alle Medikamente, die wir unseren Patienten empfehlen und rezeptieren von den Krankenkassen vollständig übernommen.

Wie schätzen Sie die aktuelle Entwicklung neuer Kinderherzmedikamente ein?

Wie oft in der Kinderheilkunde hat die Erforschung von Medikamenten für Kinder mit der rasanten Entwicklung der Erwachsenen-Medizin nicht Schritt gehalten. Unsere Klinik beteiligt sich daher sehr engagiert an klinischen Studien, die die Medikamentenwirkung bei „Herz-Kindern“ systematisch untersuchen und so die Sicherheit beim Einsatz der Medikamente verbessern.

Heißt das mit anderen Worten, Kinder bekommen auch Medikamente, die für sie nicht zugelassen sind?

Leider ja! Je jünger und kränker das Herz-Kind ist, desto höher ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass die angewendeten Arzneimittel für die Behandlung des Kindes nicht zugelassen sind. Als Leiter unserer Kinderherz-Intensivstation kann ich jedoch sagen, dass alle Kinder rund um die Uhr hier bestens überwacht sind und wir auch die Medikamente, die noch keine spezielle Kinderzulassung haben, sehr gut einzuschätzen wissen.

Muss man an dieser Stelle nicht staatlich regulativ einschreiten und die Kindersituation verbessern?

Im Jahr 1995 wurde die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) gegründet und gewährleistet seither die wissenschaftliche Evaluierung, Überwachung und Sicherheitsüberprüfung von Arzneimitteln für Kinder und Erwachsene. Mit dem sogenannten „Paediatric Investigational Plan“, kurz PIP, hat sie vor wenigen Jahren ein Regulativ erlassen, dass den Pharmafirmen die Patentrechte um ganze sechs Monate verlängert, wenn die Firma auch die aufwändigen Kinderstudien zeitnah durchführt. Allerdings sind wir Klinikärzte in der Pflicht, diese konzipierten Multicenter-Kinderstudien auf unseren Stationen auch wirklich durchzuführen.

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