"Richtige Freunde gefunden"

An Epilepsie erkrankt: So hat die Diakonie Kork Jana Riedl geholfen

Christiana Agüera Oliver
Lesezeit 5 Minuten
Jetzt Artikel teilen:
01. Dezember 2021
Ihre Krankheit sieht man der 25-jährigen Jana Riedl nicht an. Die jungen Frau leidet an Epilepsie. Sehr geholfen hat ihr die Behandlung im Epilepsiezentrum Kork (rechts).

Ihre Krankheit sieht man der 25-jährigen Jana Riedl nicht an. Die jungen Frau leidet an Epilepsie. Sehr geholfen hat ihr die Behandlung im Epilepsiezentrum Kork (rechts). ©Privat

Es sind Menschen wie Jana Riedl, für die die Mittelbadische Presse die Spendenaktion „Leser helfen“ ins Leben gerufen hat. Von den Einnahmen profitiert die Diakonie Kork. Das Epilepsiezentrum hat Riedl geholfen, besser mit ihrer Krankheit leben zu können.

„Leser helfen“, die Benefizaktion der Mittelbadischen Presse, unterstützt in diesem Jahr die Arbeit des Epilepsiezentrums der Diakonie in Kehl-Kork. Jana Riedl hat enorm von der Arbeit der Experten dort profitiert. Seit ihrem siebten Lebensjahr weiß die junge Frau, dass sie an Epilepsie erkrankt ist. Bei der heute 25-Jährigen wirkt sich die Krankheit auf besondere Art und Weise aus. Bis zu 40 kleine Absencen, die zwischen 10 und 15 Sekunden dauern, treten täglich auf. „Diese äußern sich, indem ich beispielsweise meine Arme in die Luft hebe“, erklärt die junge Frau. Die sogenannten Myoklonien, bei denen es zu kurzen Muskelzuckungen kommt, würden verstärkt in den morgendlichen Stunden auftreten. „Tagsüber habe ich oftmals einen leeren Blick und bekomme das, was um mich herum geschieht, kaum bis gar nicht mit“, beschreibt sie.

Neben ihrer schweren Erkrankung, die ihren Alltag enorm einschränkt, stand und steht sie immer wieder vor Enttäuschungen im Umgang mit ihren Mitmenschen. Schon in ihrer Kindheit hatte die Krankheit großen Einfluss auf ihr Umfeld. „Ich selbst war zu diesem Zeitpunkt noch nicht in der Lage, die Krankheit auch als solche wahrzunehmen“, blickt Jana Riedl zurück. Drei Kinder waren für sie wie Geschwister, „die Schulfreunde waren nur Schein“. Mit dem Bekanntwerden ihrer Krankheit hätten sich auch diese zurückgezogen. Dieses Verhalten sei hauptsächlich von deren Eltern ausgegangen, denn: „Kinder im Grundschulalter wollen alles, was neu ist, ausprobieren und wissen.“

In der weiterführenden Schule gingen die Mobbing-Probleme erst richtig los. Sogar ihre scheinbar beste Freundin aus der Kindergartenzeit habe zu denen gehört, die sie mobbten. Selbst ein Schulwechsel brachte keine Besserung. „Dort meinten dann andere, die Krankheit als gefährlich einzustufen, und der Teufelskreis begann von vorne.“ In der Oberstufe hatte sie das Glück, eine Freundin zu finden, der sie vertrauen konnte.
Leidenschaftlich gern spielte Jana Riedl Volleyball, mit den Vereinskameradinnen sei es immer sehr gut gelaufen. Zudem war sie drei Jahre in einem „Christlichen Verein für Junge Menschen“ (CVJM), „wo aber Mobbing vom Chef her wieder ganz groß geschrieben wurde“.

Längere Aufenthalte

Zwei Mal besuchte sie für längere Aufenthalte das Epilepsiezentrum Kork. „Es gibt keinen Tag, an dem ich nicht an diese schöne Zeit zurückdenke“, schwärmt sie. In der Kinder- und Jugendklinik fand sie „richtige“ Freunde, die ähnliche Probleme hatten. „Zusammen haben wir die Station Berger unsicher gemacht und – wie pubertierende Teenies das halt so tun – allem und jedem widersprochen und auf niemanden gehört“, erinnert sie sich lachend. Im Epilepsiezentrum seien erstmals eine für sie und ihre Eltern lebenswerte Einstellung der Medikamente gefunden worden. „Dies war ein langwieriger und experimenteller Weg.“

- Anzeige -

Ihre letzten beiden Schuljahre im Antoniushaus Hochheim, eine Schule für Körperbehinderte, in denen Menschen mit und ohne Behinderung unterrichtet werden, seien die besten gewesen. Dort schloss sie ihr Fachabitur mit Schwerpunkt Wirtschaft und Verwaltung ab und absolvierte anschließend ein FSJ in einer Kindertagesstätte und Grundschule. „Genau wie im Studium hatte meine Krankheit einen besonderen Einfluss auf meine Noten, aber ich durfte kennenlernen, dass es Menschen mit Verstand gibt, denen es egal ist, dass ich Epilepsie habe.“ Sie schloss ihr Studium Soziale Arbeit an der Hochschule RheinMain in Wiesbaden ab. Noch heute stehe sie mit einigen Kommilitonen in Kontakt.

Häufige Anfälle

Ab Dezember wird Jana Riedl in einer Kindertagesstätte in Wiesbaden arbeiten. Vier Monate war sie woanders tätig, bevor ihr noch in der Probezeit, ohne Angabe von Gründen, gekündigt wurde. Sie könne sich aber schon vorstellen, dass es aufgrund ihrer Krankheit war, denn immer wieder seien diesbezüglich Äußerungen gefallen. Die Morgenstunden sind für sie wegen ihrer häufigen Anfälle sehr schwierig und Termine vor 9 Uhr kaum wahrnehmbar. Ständig um 8 Uhr oder früher mit der Arbeit zu beginnen ist auf Dauer nicht möglich.
Die Erfahrungen, die sie und vor allem ihre Eltern in den vergangenen 15 Jahren mit den Ämtern gemacht haben, seien schlimm gewesen. „Da meine Form der Epilepsie dort nicht bekannt war, wurden unsere Anträge auf Bedarfshilfen immer wieder abgelehnt“, berichtet Jana Riedl. Jana Riedl befürchtet, dass es immense Schwierigkeiten geben wird, wenn sie in eine eigene Wohnung ziehen möchte und dann eine Begleitassistenz benötigt.

Es sollte für Menschen mit Behinderung einfacher werden, Hilfen zu beantragen und diese zu bekommen. Sie wünscht sich mobile und flexible Integrationsdienste, die zu bestimmten Zeiten vor Ort sind, Freizeitassistenzen, die ihre Arbeit mit Liebe machen und sie nicht nur als Job ansehen, Haushalts- und Alltagshilfen, die entsprechend ihrer Arbeit bezahlt werden und nicht mit 6,50 Euro in der Stunde abgestempelt werden, verschiedene Fördermaßnahmen, vor allem körperliche, die einfach und nach Bedarf genutzt werden können und die Bereitstellung von Geldern für eben diese Dienstleistungen.

Keine glückliche Kindheit

Eine glückliche Kindheit, was ihre Krankheit betrifft, hatte Jana Riedl „definitiv nicht“. „Von meiner Seite aus hab ich die Epilepsie nicht vererbt“, hieß es im Familienkreis. Ihre Eltern habe die Krankheit kaputt gemacht. „Der zusätzliche Druck, trotzdem perfekt zu sein und mir eine schöne Kindheit zu geben, war extrem belastend für sie.“ Ihre Behinderung wird Jana Riedl auf den ersten Blick nicht angesehen. „Das ist mit ein Grund, weshalb ich oft als gesunde Kategorie abgestempelt werde.“

Um dem entgegenzuwirken, wegen einer Krankheit stigmatisiert zu werden, sollte man ihrer Meinung nach klein anfangen. „Mit Freunden sprechen, sie aufklären, in der Schule Referate halten, Thementage machen“, zählt sie auf. Zudem könnten an Epilepsie erkrankte Prominente, wie beispielsweise Zoe Wees, befragt sowie mehr Fernsehsendungen, Dokumentationen oder Reportagen zu diesem Thema gebracht oder in mehreren Zeitschriften regelmäßig über tabuisierte Krankheiten berichtet werden

Info

Dafür sammeln wir

◼ für ein neues Therapiepferd für die Hippotherapie,
◼ einen mobilen Snoezelen-Wagen (Snoezelen ist eine Entspannungsmethode aus den Niederlanden),
◼ die erstmalige Anschaffung digitaler Aufklärungsmittel wie Videos für Betroffene und Angehörige
◼ und die Existenzsicherung der einzigen Epilepsieberatungsstelle in Baden-Württemberg.

Spenden für "Leser helfen"

Sie sind nicht angemeldet.
Damit Sie Kommentare zu diesem Artikel lesen können, loggen Sie sich bitte mit Ihren Zugangsdaten ein.
Sie sind nicht registiert?

bo+ ist das Beste, das wir haben. Versprochen! Und wir machen uns die Auswahl nicht leicht: Tiefergehende und hintergründige Texte, investigative Beiträge, spannende Reportagen, längere Strecken, exklusive Storys, recherchiert und geschrieben von einer meinungsstarken Redaktion.

Sie haben Fragen?

Wir haben die häufigsten Fragen für Sie zusammengefasst.

Leserservice
0781 / 504 55 55
Telefonische Servicezeiten

Montag bis Freitag 7 bis 18 Uhr

Samstag 7 bis 12 Uhr

Weitere Artikel aus der Kategorie: Ortenau

vor 9 Stunden
Offenburg
In der Nacht auf Donnerstag ist es zu einem Diebstahl eines Oldtimers in der Burdastraße in Offenburg gekommen. Die Polizei hofft nun auf Zeugenhinweise.
In Seelbach entsteht eine Flüchtlingsunterkunft, die Platz für 50 Menschen bieten soll.
vor 13 Stunden
Ortenau
Die Gemeinde Seelbach ist dem Aufruf des Ortenaukreises gefolgt und stellt eine Freifläche für eine Container-Anlage zur Verfügung. Sie soll Platz für rund 50 Menschen bieten.
Mit einer Schreckschusswaffe sollen die Täter ihren Opfern gedroht haben.
vor 17 Stunden
"Mach Stress, mach Stress"
Wegen mehrerer Raubüberfälle stehen zwei junge Männer vor dem Landgericht Offenburg. Sie sollen in Lahr Passanten überfallen und auf ein Opfer geschossen haben.
Hat immer gut gelaunte Fahrgäste: Peter Bartsch von Rist Reisen chauffiert im Rust-Bus Ruster und Europa-Park-Besucher kostenlos zum Einkaufen oder in den Freizeitpark.⇒Foto: Faruk Ünver
07.12.2023
Ortenau
Ein Jahr Vorlauf, ein Jahr Testbetrieb: In Windeseile haben Rust und der Europa-Park den Rust-Bus etabliert. Auf Anhieb nutzten 100.000 Personen die kostenlose Fahrt zu elf Haltestellen im Ort.
Er will vor allem das klassische Tischspiel wieder stärken – und damit der Online-Konkurrenz die Stirn bieten: Tobias Wald hat sein Mandat als CDU-Landtagsabgeordneter für den Wahlkreis Baden-Baden/Bühl niedergelegt und ist seit 1. Dezember Chef der Landesspielbanken.
07.12.2023
Neues Spiel, neues Glück
Zum ersten Mal in ihrer Geschichte haben Casinos rote Zahlen geschrieben. Mit Tobias Wald, dem neuen Chef der Spielbanken im Land, haben wir über Online-Konkurrenz, Mitarbeiterführung und seinen Rückzug aus der Landespolitik gesprochen.
Vergewaltigungsprozess: Der Angeklagte wird freigesprochen, Petra N. verzweifelt am Rechtssystem, symbolisiert beispielsweise durch die Justitia auf dem Historischen Offenburger Rathaus.
07.12.2023
"Ich fühlte mich wie eine Witzfigur"
„Leser helfen“ unterstützt den Verein „Aufschrei“ gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Erwachsenen. Petra N. zeigte ihren Peiniger an und verlor den Prozess. Hier erzählt sie ihre Geschichte.
In der Flüchtlingsunterkunft "Am Sägeteich" in Offenburg brannte es Ende September. Deshalb erhielt der Kreis für die Aufnahme weiterer Flüchtlinge einen Aufschub. Eine Woche nach dem Feuer konnten die Flüchtlinge in die Unterkunft zurück.
06.12.2023
Ortenau
Der Strom reißt nicht ab: 1849 Menschen aus anderen Ländern fanden bis Ende Oktober den Weg in die Ortenau. Der Kreis hat mittleweile ein Platzproblem.
Seit dem Urteil des Bundessozialgerichts fehlen im Land 3000 Poolärzte. Das hat Auswirkungen auf den Kreis.
06.12.2023
Ortenau
Seit sechs Wochen befindet sich der ärztliche Notdienst selbst im Krisenmodus. 3000 Poolärzte fehlen. Ein Offenburger Arzt sagt, das ganze System des Notfalldienstes müsse reformiert werden.
06.12.2023
Mahlberg - Orschweier
Nachdem Dienstagnacht im Bahnhof Orschweier ein Kran mitsamt Fahrer auf die Gleise der Rheintalbahn gestürzt ist, war die Stracke zirka zwei Stunden lang gesperrt. Der Kranfahrer soll sich dabei leichte Verletzungen zugezogen haben.
"Selbst wenn einzelne Zellen des Polypen zu Tumorzellen entartet sind, ist eine endoskopische Entfernung noch möglich. Erst wenn der entartete Polyp in das Darmgewebe eingedrungen ist, muss operiert werden": Das Bild zeigt das Robotersystem DaVinci im neuen Zentral-OP im Ortenau-Klinikum in Offenburg.
06.12.2023
Darmkrebs kommt sehr häufig vor, ist aber gut heilbar
Die letzte Folge der Serie "Kompass Gesundheit" beschäftigt sich mit der Diagnose Dick- und Enddarmkrebs. Wie Uwe Pohlen, Leiter des Darmzentrums am Ortenau-Klinikum, sagt: "Darmkrebs ist häufig, aber gut heilbar". Er rät dringend zur Vorsorge.
Der Lkw liegt quer auf der Fahrbahn.
06.12.2023
Schwanau - Allmannsweier
Wegen einem schweren Unfall zwischen einem Lkw und Schulbus am Mittwochmorgen in Allmannsweier, war die L75 bis nachmittags um zirka 15 Uhr vollgesperrt. Es gibt zwei Schwerverletzte.
Wie es mit dem Landratsamtsgebäude in der Badstraße in Offenburg langfristig weitergeht, ist völlig unklar. Unter anderem wegen Asbest, Statik- und Brandschutzproblemen im Falle einer Sanierung steht ein Neubau auf Offenburger Gemarkung im Raum. Der Verwaltungs- und Umwelt- und Technikausschuss haben sich dazu am Dienstag aber nicht eindeutig positioniert.
06.12.2023
Viele Fragen sind weiter offen
Die Meinungen in der Kreispolitik, ob das Landratsamtgebäude in Offenburg saniert werden, oder doch ein Neubau entstehen soll, gehen auseinander. Auch der ILS-Standort ist weiterhin umstritten.

Das könnte Sie auch interessieren

- Anzeige -
  • Die Firmenleitung von Stinus (v.l.): Ferdinand Weber, Jürgen Knapp und Christian Schoenenberg. 
    06.12.2023
    "Wer gut geht, dem geht es gut" – Stinus sorgt dafür
    Gegründet im Jahr 1905 ist die Stinus Orthopädie GmbH heute zum Unternehmen mit 85 Beschäftigten an sieben Standorten angewachsen. Der klassische Komplettbetrieb wird von der fünften Generation weitergeführt.
  • Das Stadtquartier Rée Carré bietet viele verschiedene Aktionen in der Adventszeit an.
    25.11.2023
    Offenburg: Aktionen und Events im Stadtquartier
    In der Adventszeit pflegt das Rée Carré lieb gewonnene Traditionen. Das Stadtquartier erstrahlt im Lichterglanz und bietet neben Glühwein und den vertrauten vorweihnachtlichen Düften ganz besondere Events, um die besinnliche Zeit zu begehen.
  • Petro Müller, Inhaber des Autohauses Baral in Lahr (rechts), und sein Sohn Gerrit suchen noch einen Mechatroniker, um das Team zu verstärken. 
    21.11.2023
    Im Suzuki-Autohaus Baral wächst die nächste Generation heran
    Das Suzuki-Autohaus Baral in Lahr hat sich auf Kleinwagen – neu und gebraucht - spezialisiert. Inhaber Petro Müller und sein Team setzen auf Beratung und Meisterservice in der Werkstatt.
  • Sie halten die Tradition des Bierbrauens hoch im Brauwerk (von links): Der neue Betriebsleiter und Braumeister Martin Schmitt, Geschäftsführer Oliver Braun, Ulrich Nauhauser, der ausgeschiedene Betriebsleiter und Braumeister, sowie Rick Pfeffer, der neue Braumeister.
    21.11.2023
    Brauwerk Baden: Immer am Puls der Zeit
    Die alte und neue Generation der Braumeister des Brauwerks Baden bieten den Kunden neben traditioneller Braukunst auch nachhaltige Ideen und neue Trends.